So kommt Windenergie aus der Nordsee in den Süden
Grüner Strom für den Süden: Der A-Korridor bringt Windenergie aus der Nordsee bis nach Baden-Württemberg – per Kabel und Freileitung.

Wie fließt Windstrom aus der Nordsee bis nach Baden-Württemberg?
Foto: PantherMedia / Jens Ickler
Die Energiewende verlangt nicht nur nach Windrädern und Solaranlagen – auch das Stromnetz muss mitwachsen. Damit der Strom aus Offshore-Windparks im Norden Deutschlands auch Haushalte und Unternehmen im Süden erreicht, entstehen derzeit neue Hochspannungsleitungen. Zwei davon heißen A-Nord und Ultranet. Sie sind Teil eines bundesweiten Stromkorridors. Während A-Nord als Erdkabel verlegt wird, nutzt Ultranet bestehende Strommasten. Das Ziel: eine stabile Versorgung mit erneuerbarer Energie quer durchs Land – und das möglichst effizient.
Inhaltsverzeichnis
Ein Stromkorridor durch Deutschland
Die Windkraftanlagen auf hoher See liefern zuverlässig Strom – doch der muss auch zu den Verbraucherinnen und Verbrauchern gelangen. Vor allem im Süden Deutschlands wird viel Strom gebraucht, der dort nicht ausreichend produziert wird. Deshalb entsteht im Westen der Republik ein neuer Stromkorridor: Der sogenannte A-Korridor soll Windstrom aus der Nordsee bis nach Baden-Württemberg bringen.
Zwei Leitungsprojekte bilden diesen Korridor. Im Norden startet die 305 Kilometer lange Verbindung A-Nord. Sie verläuft unterirdisch, tief im Boden verlegt. Im Süden schließt Ultranet an – eine 340 Kilometer lange Freileitung, die größtenteils bestehende Masten nutzt. An der Schnittstelle beider Projekte entsteht eine Konverterstation in Meerbusch bei Düsseldorf. Sie fungiert als zentrale Stromverteilung.
Zwei Wege, ein Ziel
Auch wenn sie denselben Strom transportieren, unterscheiden sich A-Nord und Ultranet technisch deutlich. A-Nord wird als sogenanntes Gleichstrom-Erdkabel verlegt. Die Kabel liegen rund zwei Meter tief in der Erde, geschützt in Leerrohren mit 25 Zentimeter Durchmesser. Gearbeitet wird an vielen Stellen gleichzeitig – zum Beispiel an der Querung der Ems in Niedersachsen oder am Rhein bei Wesel.
Ultranet dagegen nutzt Freileitungen. Hier spart man sich das aufwendige Graben. Stattdessen werden bestehende Stromtrassen umgerüstet. Das spart Zeit und Kosten. Trotzdem ist Ultranet kein einfaches Projekt: Der Umbau muss bei laufendem Netzbetrieb erfolgen.
Beide Leitungen sollen große Strommengen übertragen können. „A-Nord kann eine Leistung von zwei Gigawatt übertragen. Das entspricht in Summe etwa dem Bedarf von zwei Millionen Menschen“, heißt es in einer Projektbroschüre. Ultranet wird ähnliche Leistungen ermöglichen.
Kosten und Zeitpläne
Die Verantwortung für den Bau liegt bei zwei Übertragungsnetzbetreibern: Amprion ist für A-Nord und den nördlichen Teil von Ultranet zuständig, TransnetBW für den südlichen Teil. Die Investitionen sind hoch: Rund drei Milliarden Euro für A-Nord und etwa eine Milliarde Euro für Ultranet. Geplant ist, dass Ultranet 2026 und A-Nord 2027 in Betrieb gehen.
Dabei fließt der Strom nicht nur in eine Richtung. Auch Solarstrom aus dem Süden soll über Ultranet in den Norden transportiert werden. Die Konverterstation in Meerbusch dient dabei als Umschaltpunkt zwischen beiden Stromflüssen – eine Art Riesen-Steckdose.
Was bedeutet das für Stromkundinnen und -kunden?
Der Bau neuer Stromleitungen ist teuer – und diese Kosten werden umgelegt. Alle Verbraucherinnen und Verbraucher zahlen über die Stromrechnung mit. Der Posten heißt „Netzentgelte“. Er umfasst sowohl die Kosten für das überregionale Höchstspannungsnetz als auch für die regionalen Verteilnetze.
Laut dem Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) lag der Strompreis im März bei durchschnittlich 39,80 Cent pro Kilowattstunde. Davon entfielen 10,96 Cent auf die Netzentgelte – das sind 27,5 %. Zum Vergleich: Im Jahr 2015 lag dieser Anteil noch bei 21,3 %.
Das Umweltbundesamt schätzt, dass etwa 70 % dieser Gebühren an die Betreiber der regionalen Netze gehen, rund 30 % an die Übertragungsnetzbetreiber. In Deutschland gibt es vier dieser großen Netzbetreiber: 50Hertz für Ostdeutschland, Amprion für den Westen und Teile Bayerns, TransnetBW für Baden-Württemberg und Tennet für die übrigen Regionen.
Viele Betreiber, ein Ziel
Neben den vier großen Übertragungsnetzbetreibern existieren fast 870 Unternehmen, die regionale Verteilnetze betreiben. Der größte unter ihnen ist Eon, das über seine Tochtergesellschaften rund ein Drittel des Verteilnetzes in Deutschland abdeckt.
Der Ausbau des Stromnetzes ist zentral für eine klimafreundliche Energieversorgung. Ohne leistungsfähige Stromleitungen lassen sich Wind- und Sonnenenergie nicht zuverlässig nutzen. Vor allem dann, wenn Stromangebot und -nachfrage räumlich auseinanderfallen – wie zwischen der windreichen Nordsee und den Industriezentren im Süden.
Neue Leitungen, alte Herausforderungen
Der Netzausbau ist nicht nur technisch, sondern auch politisch ein Thema. Die Bundesregierung will die Netzentgelte senken, um Strom bezahlbar zu halten. Ein Vorschlag: Die Gebühren sollen gedeckelt werden, um langfristige Planungssicherheit zu schaffen.
Zudem sollen neue Leitungen kosteneffizient geplant werden. Erdverkabelung ist zwar unauffälliger und besser akzeptiert, aber auch teurer als Freileitungen. Deshalb sieht der Koalitionsvertrag vor, neue Gleichstromtrassen „wo möglich“ als Freileitung zu realisieren – vor allem in weniger dicht besiedelten Gebieten.
Dennoch bleibt der Vorrang für Erdkabel, der seit 2015 gesetzlich verankert ist, zunächst bestehen. Die politische Richtung ist klar: Ausbau ja – aber zu vertretbaren Kosten. (mit dpa)
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