So wird das Stromnetz fit für die E-Mobilität
Damit die Elektromobilität an Fahrt gewinnt, muss das Stromnetz den damit verbundenen Energiebedarf auch abdecken. Es darf weder instabil werden noch ausfallen. Eine internationale Forschergruppe entwickelte Methoden für eine kluge Steuerung der Ladeprozesse.
Eine der großen Herausforderungen rund um die Elektromobilität ist die sichere Einbindung von Ladezyklen in das Stromnetz. Waren die Wege innerhalb dieses Netzes anfangs Einbahnstraßen, da Energie an einem Ort erzeugt und von dort Richtung Verbraucher geleitet wurde, muss man es sich heute eher wie ein großes Autobahnkreuz vorstellen.
Strom aus erneuerbaren Energieträgern wie Wind, Sonne und Wasser gelangt ins Netz und hebt schon damit die Einbahnstraßenregelung auf. Weitere Erzeuger kommen hinzu, ebenso wie neue Abnehmer: die Elektroautos. Jede Veränderung am bestehenden Stromnetz muss gut durchdacht sein, damit es keinesfalls instabil wird oder gar zusammenbricht. Vor diesem Szenario „steigender Strompreis und abnehmende Versorgungssicherheit“ warnten Wissenschaftler zuletzt.
Mit Blick in die Zukunft und mit langem Vorlauf wird also ein mehrdimensionales Netz geplant. Auch das macht die Aufgabe der Forscher besonders. „Beim Stromnetz rechnen wir mit Innovationszyklen von 30 Jahren“, sagt Hermann de Meer, Projektleiter und Professor für Informatik mit Schwerpunkt Rechnernetze und Rechnerkommunikation an der Universität Passau. „Wir müssen die sehr viel kürzeren Innovationszyklen der Informationstechnologie nutzen, um das Stromnetz fit für die Zukunft zu machen.“
Algorithmus macht das Laden intelligent
Die Strategie des Teams richtet sich auf das intelligente Laden. „Smart Charging“ heißt deshalb das zweistufige Steuerungskonzept der Passauer Wissenschaftler. Damit sollen Stromnetzbetreiber die Spannungs- und Lastdaten im Blick behalten. Ein Algorithmus sorgt für die notwendige Intelligenz innerhalb des Systems. Er verlagert künftige Ladeprozesse in andere Netzbereiche oder auf andere Uhrzeiten und soll damit eine Überlastung des Netzes verhindern. Ein Ampelsystem zeigt dabei den Zustand des Netzes an. Kommt es doch zu einer möglichen Überlastung, greift der reaktive Teil des „Smart Charging“-Konzepts ein und reduziert kurzzeitig die Ladeleistung.
Getestet haben die Forscher ihr System am Beispiel der niederbayerischen Kleinstadt Vilshofen. Dort betreibt der örtliche Energieversorger Bayernwerk eine kleine E-Flotte, zugleich ist die Ladeinfrastruktur vergleichsweise gut ausgebaut. Die Stadt eignete sich deshalb als Testlabor. Über einen Zeitraum von eineinhalb Jahren beobachteten die Wissenschaftler ein kleines Netzgebiet von einigen Häuserblocks, an dem 8 Ladestationen hängen. Dabei stellten sie fest: Das ausreichend ausgebaute Netz gelangte nicht an seine Grenzen, auch wenn alle 8 Stationen belegt waren. Immerhin machen die Fahrzeuge im Maximum etwa die Hälfte der Gesamtleistung aus. Die Passauer Wissenschaftler teilen ihre Ergebnisse im Rahmen des EU-Projektes „Electrific“ mit weiteren Forschergruppen, die ebenfalls Ideen und Konzepte entwickeln, wie sich das bestehende Stromnetz mit Hilfe künstlicher Intelligenz optimieren lässt.
Konzepte für E-Busflotten und mehr Ökostrom beim Laden
Ein Forschungsteam der Technischen Hochschule Deggendorf erarbeitete einen intelligenten Ladeprozessplaner für E-Flotten, unter anderem für die Busflotte in Barcelona. Die katalanische Hauptstadt hat sich zum Ziel gesetzt, den gesamten Busverkehr auf Elektromobilität umzustellen. E-Mobilität wird noch umweltfreundlicher, wenn man für den Ladezyklus möglichst viel Ökostrom einsetzt. Dank eines eigens entwickelten Berechnungsschemas innerhalb des Ladeprozessplaners kann die E-Flotte des Energieversorgers Bayernwerk das nun umsetzen.
Routenplaner und Anreizsysteme für Elektromobilisten
Die Ergebnisse der Passauer Wissenschaftler flossen in einen intelligenten Routenplaner ein, den Forscher der Technischen Universität Prag in Zusammenarbeit mit Partnern aus der Wirtschaft programmierten. Dieser Planer schlägt dem Fahrer des Elektroautos konkrete Ladezeiten vor. Dabei berücksichtigt das System die Netzauslastung, den Anteil an Ökostrom und den Zustand der Batterie im Fahrzeug. Getestet wurde die erste Version dieses Routenplaners in den Autos der Firma E-Wald im Bayernwald und im angrenzenden Böhmerwald. Die E-Wald GmbH entstand im Rahmen des Projektes „Modellregion Elektromobilität“ der TU Deggendorf, um den Flottenbetrieb und die Ladeinfrastruktur für die Modellregion Bayerischer Wald auszubauen. 2016 schloss man dieses Projekt erfolgreich ab. Seitdem arbeitet E-Wald bundesweit als Systemdienstleister für Elektromobilität.
Psychologen und Wirtschaftsinformatiker der Universität Mannheim beschäftigten sich derweil mit einem Anreizsystem für klimafreundliche Ladezeiten. Sie testeten psychologische und ökonomische Mechanismen, mit denen sich klimafreundliches Verhalten bei Elektromobilisten belohnen lässt. Dazu dienten ein einfacher Hinweis-Sticker ebenso wie preisliche Anreize.
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