Interview 07.08.2024, 11:15 Uhr

Wie die Solarakademie 65.000 Fachkräfte für die Photovoltaik ausbilden will

Der Fachkräftemangel bleibt auch in Deutschland ein zentrales Thema. Um diesem Problem schnell entgegenzuwirken, hat der europäische Cleantech-Investor EIT InnoEnergy die europäische Solarakademie gegründet.

Fachkräfte in der PV-Industrie

Fachkräftemangel in der PV-Industrie.

Foto: PantherMedia / zstockphotos

Innerhalb der nächsten zwei Jahre sollen dort 65.000 Menschen im Bereich Solarenergie ausgebildet werden. Darüber spricht Oana Penu in diesem Interview. Seit fast zwei Jahren steht sie an der Spitze des InnoEnergy Skills Institute, das sich mit dem Fachkräftemangel in den Bereichen Batterien, Photovoltaik und grüner Wasserstoff auseinandersetzt.

Was sind die Ziele der Europäischen Solarakademie?

Die European Solar Academy wurde von EIT InnoEnergy ins Leben gerufen, um den dringenden Bedarf an qualifizierten Fachkräften in einer schnell wachsenden Branche abzudecken. Denn um die europäischen Klimaziele zu erreichen, muss der Ausbau der Photovoltaik dringend beschleunigt werden. Dafür braucht es allerdings qualifizierte Arbeitskräfte: für Installation, Wartung sowie Forschung und Entwicklung. Die Solar Academy will genau diese Lücke schließen. Sie wird spezialisierte Programme zur Aus- und Weiterbildung von Fachkräften anbieten, damit wir in Europa unsere Ausbauziele erreichen können.

Warum besteht ein dringender Bedarf an qualifizierten Arbeitskräften in der europäischen Photovoltaik-Wertschöpfungskette?

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Die gesamte europäische PV-Wertschöpfungskette leidet derzeit unter einem eklatanten Fachkräftemangel. Schätzungen zufolge werden bis 2030 bis zu 400.000 zusätzliche Fachkräfte in der nachgelagerten Installation benötigt. Allein für den Ausbau von 30 GW Photovoltaik braucht es voraussichtlich mindestens 50.000 zusätzliche Fachkräfte in der Upstream-Produktion. Diese Zahl ist wahrscheinlich noch höher, wenn wir die End-of-Life-Aktivitäten (Recycling) mit einbeziehen.

Tausende von ausgebildeten Installateuren benötigt

Welche spezifischen Qualifikationslücken wurden durch die Marktstudie von InnoEnergy identifiziert?

Im Downstream-Bereich der Wertschöpfungskette werden Tausende von ausgebildeten Installateuren benötigt. Eine Marktstudie des InnoEnergy Skills Institute hat gezeigt, dass es bei Elektrikern (Planung, sichere Netzanbindung, Projektüberwachung), Bauarbeitern, Dachdeckern (zertifiziert für die Installation) sowie Planungsingenieuren (für den Versorgungsbereich) einen besonders hohen Bedarf gibt. Ähnliches gilt auch für den Upstream-Bereich, obwohl Europa hier aktuell über die geringsten Kapazitäten verfügt. Auch hier werden qualifizierte sowie zertifizierte Arbeitskräfte für die Herstellung von PV-Modulen, -Zellen, -Ingots und -Wafern benötigt.

Wie auch im Downstream fehlen die Fachkräfte insbesondere in den handwerklich geprägten Berufen, insbesondere Prozessingenieure, Wartungstechniker, Betriebsleiter, Qualitätsmanager (Module), Zellbediener und Zellingenieure.

Welche Branchenakteure sind in die Entwicklung der Ausbildungsprogramme der Solar Academy involviert?

Die Entwicklung der Schulungsprogramme der Solar Academy ist ein Gemeinschaftsprojekt, an dem mehrere wichtige Akteure der Branche beteiligt sind. Im Auftrag der Europäischen Kommission wird das InnoEnergy Skills Institute sein umfangreiches Netzwerk von Branchenexperten und Bildungseinrichtungen nutzen, um gemeinsam Schulungsmaterialien zu entwickeln. Wir werden an vorhandene Inhalte anknüpfen und Lücken in der Aus- und Weiterbildung in den Kernberufen der Solarindustrie schließen.

Darüber hinaus ist die European Solar PV Industry Alliance (ESIA) ein wichtiger Partner. Sie liefert wertvolle Einblicke und sorgt dafür, dass die Schulungsinhalte den aktuellen Industriestandards und -anforderungen entsprechen.

Oana Penu

Oana Penu leitet seit fast zwei Jahren das InnoEnergy Skills Institute.

Foto: EIT InnoEnergy

65.000 Fachkräfte ausbilden und qualifizieren

Welche Auswirkungen wird die Solar Academy voraussichtlich auf die europäische PV-Branche haben?

Das InnoEnergy Skills Institute kann einen signifikanten Teil der 400.000 benötigten Fachkräfte für den Downstream und 50.000 für den Upstream-Bereich abdecken. In den nächsten zwei Jahren wollen wir 65.000 Fachkräfte ausbilden und qualifizieren. Insgesamt sollen innerhalb von drei Jahren 100.000 Arbeitskräfte durch die Solar Academy trainiert werden. Nur so kann das europäische PV-Produktionsziel von 30 GW pro Jahr erreicht werden. Initiativen wie die Europäische Solarakademie können einen wesentlichen Beitrag zur allgemeinen Wettbewerbsfähigkeit und Nachhaltigkeit des europäischen PV-Sektors leisten.

Wie wird die Solar Academy dazu beitragen, die ehrgeizigen Energieziele der Europäischen Union bis 2030 zu erreichen?

Im Rahmen ihres RePowerEU-Plans hat sich die EU das Ziel gesetzt, bis 2030 fast 600 GW an Photovoltaik-Kapazität zu installieren. Auf der Produktionsseite sollen laut dem Net Zero Industry Act 40 % der EU-Nachfrage durch in Europa hergestellte Produkte gedeckt werden. Sowohl für die Einführungs- als auch für die Produktionsziele werden dringend mehr qualifizierte Arbeitskräfte benötigt.

Wie definiert die European Solar Academy ihre Zielgruppe an Studierenden und Teilnehmenden, die von den Ausbildungs- und Zertifizierungsprogrammen profitieren sollen?

Das InnoEnergy Skills Institute definiert seine Zielgruppe durch Marktforschung, direkte Analyse der Kundennachfrage und Kompetenzmessung. Wir arbeiten mit Partnern wie der ManpowerGroup zusammen, um kritische Kompetenzlücken in der Solarbranche zu identifizieren und zu analysieren, wie diese geschlossen werden können.

Dieser datengestützte Ansatz ermöglicht es uns, zielgerichtete Lernprogramme zu entwickeln, die auf die Bedürfnisse der verschiedenen Interessengruppen zugeschnitten sind. Dazu gehören bestehende Mitarbeiter, die sich weiterbilden möchten, Neueinsteiger in den Arbeitsmarkt und Fachkräfte, die in den PV-Sektor wechseln möchten. Es ist wichtig zu betonen, dass der Fokus der Solar Academy auf der Aus- und Weiterbildung von bereits Berufstätigen liegt und nicht auf Studenten.

Breites Spektrum an Berufen innerhalb der Photovoltaik-Industrie abdecken

Wer genau sind die 65.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die in den nächsten zwei Jahren durch die European Solar Academy aus- und weitergebildet werden sollen? Welche Berufsgruppen und Qualifikationen werden besonders angesprochen?

Die 65.000 Auszubildenden werden ein breites Spektrum an Berufen innerhalb der Photovoltaik-Industrie abdecken. Dazu gehören PV-Installateure und -Techniker, Systemingenieure, Projektmanager, Wartungs- und Betriebsspezialisten. Um diese Anzahl an Fachkräften trainieren zu können, gehen wir Partnerschaften mit lokalen Bildungsanbietern (LTPs) und Verbänden ein, die die Solarausbildung unterstützen.

Durch die Integration unserer Inhalte in deren Angebot und die Zusammenarbeit bei der Entwicklung neuer Kurse stellen wir sicher, dass die Schulungen umfassend sind und den lokalen Bedürfnissen entsprechen. Wir arbeiten auch mit Bildungseinrichtungen zusammen, um unsere Inhalte in deren Studien- und Ausbildungsprogramme zu integrieren. Auf diese Weise erreichen wir ein breiteres Publikum und verbessern die Qualität der PV-Ausbildung in Europa insgesamt. Darüber hinaus wollen wir einen kollaborativen Marktplatz mit Mehrwertdiensten schaffen. So kann ein dynamisches Ökosystem entstehen, welches die kontinuierliche Entwicklung und den Einsatz von Fachkräften in der Branche unterstützt.

In welcher Sprache werden die Schulungen und Ausbildungsprogramme der Solar Academy durchgeführt? Wie wird die Finanzierung für diese Schulungen sichergestellt?

Die Trainingskurse und -programme werden in mehreren Sprachen angeboten, sodass sie den unterschiedlichen Bedürfnissen unserer Zielgruppen in ganz Europa gerecht werden. Zunächst werden wir uns auf die wichtigsten Märkte konzentrieren, darunter Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien und Polen. Irland ist der erste Mitgliedstaat, der Interesse an der Solar Academy und der Nutzung unserer Dienstleistungen bekundet hat.

Die Finanzierung der Trainingsprogramme wird durch eine Kombination aus EU-Fördermitteln, Industriepartnerschaften und lokalen Regierungsinitiativen sichergestellt. Außerdem bietet das InnoEnergy Skills Institute seinen Teilnehmern Unterstützung bei der Mittelbeschaffung. Damit wollen wir sicherstellen, dass finanzielle Barrieren kein Hindernis in der Nutzung unserer Dienstleistungen darstellen.

Zusammenarbeit der Solarakademie mit der Industrie

Wie wird die Solar Academy mit der Industrie zusammenarbeiten, um maßgeschneiderte Schulungsprogramme zu entwickeln? Welche Rolle spielen Unternehmen entlang der PV-Wertschöpfungskette dabei?

Wir werden eng mit der Industrie zusammenarbeiten, um maßgeschneiderte Schulungsprogramme zu entwickeln, die den spezifischen Bedürfnissen der gesamten PV-Wertschöpfungskette entsprechen. Wir streben außerdem eine EU-weite Akkreditierung für Fortbildungen an – also eine Art Qualitätssiegel, das ein strenges Lernkonzept, die Definition von Standards und Qualitätsbewertungen beinhaltet.

Durch die Skalierung über E-Learning-Plattformen und die Lokalisierung von Inhalten werden unsere Schulungen in der Breite zugänglich und an die lokalen Anforderungen angepasst. Unternehmen werden in diesem Prozess eine entscheidende Rolle spielen, indem sie sich an der gemeinsamen Entwicklung von Standards beteiligen und an der Erstellung von Kursen mitwirken. Sie werden ebenfalls von unseren Talentvermittlungsdiensten profitieren, die bei der Anwerbung, Ausbildung und Vermittlung von Fachkräften helfen.

Welche Vorteile bietet die Partnerschaft mit Industrieunternehmen für die Ausbildungsangebote der Solar Academy? Wie wird sichergestellt, dass die Schulungen praxisnah und industrierelevant sind?

Für die Kursteilnehmenden ist es äußerst wichtig ist, dass unsere Trainingsprogramme auf tiefgehender, praktischer Branchenerfahrung basieren. Unsere Partnerschaften mit der Industrie sind für uns ein wesentlicher Garant für die nötige Praxisverankerung unserer Kursangebote und gleichzeitig ein wichtiger Hebel, um die Kurse effektiv auszurollen. Durch den modularen Aufbau unserer Ausbildung sind wir in der Lage, die Berufsbilder entsprechend der sich verändernden Bedürfnisse der Industriepartner fortlaufend anzupassen. Zudem greifen wir auch auf Inhalte und Erfahrungen aus den anderen Net Zero Academies zurück, um auch branchenübergreifend relevantes Wissen zu vermitteln.

Ein Beitrag von:

  • Alexandra Ilina

    Redakteurin beim VDI-Verlag. Nach einem Journalistik-Studium an der TU-Dortmund und Volontariat ist sie seit mehreren Jahren als Social Media Managerin, Redakteurin und Buchautorin unterwegs.  Sie schreibt über Karriere und Technik.

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