Solardeckel wird abgeschafft – Kritik an EEG-Novelle
Der Solardeckel hängt wie ein Damoklesschwert über vielen Betreibern von Photovoltaikanlagen. Jetzt soll der Solardeckel abgeschafft werden. Und noch eine Änderung im EEG steht möglicherweise bevor. Kritik gibt es von den Grünen im Bundestag und der Solarwirtschaft.
Zahlreiche Betreiber von Photovoltaikanlagen dürften jetzt aufatmen: Der Solardeckel ist offenbar Geschichte.
Darauf hat sich jetzt die Große Koalition geeinigt, wie der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW) berichtet. Demnach haben sich die stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Carsten Linnemann (CDU) und Matthias Miersch (SPD) darauf geeinigt, dass die Förderung von Photovoltaikanlagen auch dann fortgeführt werden kann, wenn der Solar-Ausbau die Grenze von 52 Gigawatt erreicht hat.
Solardeckel: Betreiber fürchteten um Existenz
Der im Jahr 2012 eingeführte 52-Gigawatt-Deckel sieht vor, dass die Vergütung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) mit Erreichen der Grenze von 52.000 Gigawatt-Leistung ausläuft. Eigentlich hatte sich die Regierung schon im September 2019 im Rahmen des Klimapakets auf eine Verlängerung der Förderung im EEG verständigt. Noch ist die Marke von 52 Gigawatt nicht erreicht. Sobald das aber der Fall ist – und damit ist bald zu rechnen – endet nach derzeitigem EEG die Förderung für alle Photovoltaik-Anlagen bis 750 Kilowatt Leistung automatisch. Viele Betreiber von Solaranlagen fürchteten zuletzt um ihre Existenz.
Umwelthilfe rüffelt Bundesregierung: „Solarbranche in prekärer Lage“
Die Einigung der Regierungsparteien kommt insofern überraschend, als erst vor einigen Tagen im Wirtschaftsausschuss des Bundestages der Gesetzentwurf zur Abschaffung des 52-Gigawatt-Deckels im EEG, den die Grünen eingebracht hatten, kurzerhand von der Tagesordnung gewischt worden war. Die Deutsche Umwelthilfe hatte die Bundesregierung wegen der „Verschleppung der EEG-Novelle“ im Nachgang scharf kritisiert.
Grundlage der Einigung der Regierungsparteien ist ein Kompromiss: Die CDU hatte zuletzt darauf beharrt, dass ein Ende des Solardeckels nur möglich sei, wenn es grundsätzliche Abstandsregeln beim Bau von Windkraftanlagen gibt. Dabei geht es darum, dass Windkraftanlagen nur in einem Mindestabstand von einem Kilometer zur Wohnbebauung errichtet werden dürfen. Jetzt soll für die Windkraft eine Länderöffnungsklausel eingeführt werden. Die Verantwortung für die Abstandsregeln bei Windkraftanlagen liegt damit bei den Bundesländern. Sie können entscheiden, ob sie den Mindestabstand einem Kilometer zur Wohnbebauung in ihre Landesbauordnungen aufnehmen oder nicht.
Solardeckel soll „unverzüglich aufgehoben“ werden
Der BSW begrüßt die Nachricht, dass der Förderdeckel für neue Solarstromanlagen „unverzüglich aufgehoben“ werden soll, wie es hieß. „Wir hoffen, dass dies tatsächlich die lang ersehnte Rettung ist. Jetzt dürfen wir keine Zeit mehr verlieren. Bereits in der kommenden Woche muss die Einigung Gesetzeskraft erlangen, damit der Solardeckel gerade noch rechtzeitig fällt,“ so BSW-Hauptgeschäftsführer Carsten Körnig.
Auch die Grünen sehen die Einigung positiv: „Es ist längst überfällig, dass die Regierung den Deckel für Photovoltaik-Anlagen beseitigt und der Solarbranche Investitionssicherheit zurückgibt“, so Julia Verlinden, Sprecherin für Energiepolitik der grünen Bundestagsfraktion gegenüber INGENIEUR.de. Doch die Grünen-Abgeordnete spart nicht mit Kritik: „Die Aufhebung des Solardeckels ist aber nur ein Baustein von vielen, um die Energiewende wieder in Schwung zu bringen, die die schwarz-rote Koalition in den letzten Jahren mutwillig ausgebremst hat. Bessere Anreize für Mieterstrom, eine unkomplizierte Anschlussregelung für 20 Jahre alte EEG-Anlagen und deutlich höhere Ausschreibungsmengen für PV sind weitere notwendige Schritte, um den Solarenergie-Ausbau zu beschleunigen.“
Solarwirtschaft warnt vor „Marktbremse“
Die Solarwirtschaft hat die geplante Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes scharf kritisiert. „Wir brauchen ein Solarbeschleunigungsgesetz und keine neuen Marktbremsen“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Solarwirtschaft, Carsten Körnig. Er warnte vor einem Markteinbruch bei der Errichtung neuer Photovoltaik-Dächer. Einem Gutachten zufolge verstoße die EEG-Novelle gegen Europarecht.
Der Entwurf von Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) sieht vor, die Ausbauziele vor allem für Windräder an Land und für Photovoltaik zu erhöhen. Zuletzt ging der Ökostrom-Ausbau zu langsam voran, um die Ziele zu erreichen. Zugleich sollen die milliardenschweren Förderkosten für Erneuerbare Energien durch verschiedene Maßnahmen verringert werden.
Körnig sagte, ein großer Teil der heute installierten Solarstromanlagen sei mit der Intention gebaut worden, den eigenerzeugten Solarstrom selbst zu nutzen und somit unmittelbar an der Energiewende zu partizipieren. Durch die Novelle drohe aber nun, dass Tausende Solarstromanlagen außer Betrieb genommen werden.
Kritisiert werden vor allem Pläne, selbst genutzten Solarstrom weiterhin mit der EEG-Umlage zu belegen. Hier ist die Rede ist von einer „Sonnensteuer“. Dies verstoße gegen eine EU-Richtlinie zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen, wie aus dem Gutachten einer auf Energierecht spezialisierten Berliner Anwaltskanzlei im Auftrag des Verbandes hervorgeht.
Windkraft: Länder sollen Verantwortung für Abstandsregel bekommen
Auch die Kompromisslösung bei der Streitfrage um Windkraftanlagen sieht Verlinden kritisch: „Bei der Windenergie muss die Regierung endlich Planungs- und Genehmigungshemmnisse aus dem Weg räumen, zum Beispiel die überhöhten Abstände zu Funkfeuern der Flugsicherung. Auch wenn die fixe Idee von einem bundesweiten Mindestabstand für Windräder endlich fallen gelassen wurde, drohen über die Länderöffnungsklausel nun in CDU-regierten Ländern weitere Blockaden. Die Bundesregierung muss in ihrem Zuständigkeitsbereich den Ausbau der Windenergie an Land beschleunigen. Sonst sind sowohl Klimaschutz als auch wirtschaftliche Erholung massiv in Gefahr.“
Nach Berechnungen des Bundesverbands könnte die bei einer installierten Photovoltaikleistung in Höhe von 52 Gigawatt greifende Förderbeschränkung schon im Juli 2020 erreicht werden. Bliebe es beim Solardeckel, würde sich der Solarmarkt in Deutschland nach Einschätzung des BSW mehr als halbieren. „Schon eine vorübergehende Förderunterbrechung würde massive Schäden in der Solarwirtschaft anrichten“, teilt der Verband mit.
Künftig könnte überdies eine Absenkung der EEG-Umlage kommen, wie das Portal „Erneuerbare Energien“ berichtet. Demnach liegt laut dem Bundeswirtschaftsministerium ein entsprechender Entwurf für die Änderung der der Erneuerbaren-Energien-Verordung (EEV) vor. Zum 1. Januar 2021 soll die EEG-Umlage laut dem Bericht abgesenkt werden. Die Einnahmeausfälle auf dem EEG-Konto sollen wiederum mit Steuermitteln ausgeglichen werden.
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