Solarenergie: Neue Lösung für denkmalgeschützte Gebäude
Fraunhofer-Forschende haben gemeinsam mit einem Industriepartner neue Solarmodule entwickelt. Der Clou: Sie lassen sich farblich anpassen und damit besonders unauffällig integrieren. Das macht sie zur perfekten Wahl für denkmalgeschützte Gebäude, deren Erscheinungsbild möglichst nicht verändert werden soll.
Man muss schon genau hinsehen: Das rote Dach der alten Turnhalle in Eppingen glänzt etwas mehr, als es für ein altes Gebäude typisch ist. Ein großes Rechteck setzt sich optisch vom Rand des Daches ab. Tatsächlich handelt es sich um innovative Solarmodule, die sich in der Farbe kaum von den Dachziegeln unterscheiden und dementsprechend ganz sicher das Auge nicht stören, so wie es vermutlich bei blauen oder schwarzen Modulen der Fall wäre.
Die Bedeutung des Designs ist hier nicht zu unterschätzen. Denn darauf legen nicht nur Architekten bei aufwendigen Entwürfen wert. Auch die Denkmalschutzbehörden sind vielfach noch nicht bereit, für die Energiewende Abstriche zu machen. Eine bundesweit einheitliche Regelung, was für denkmalgeschützte Bauten gelten soll, gibt es ohnehin noch nicht. Aber beispielsweise Nordrhein-Westfalen hat im Jahr 2021 den Weg grundsätzlich frei gemacht für Solarmodule auf allen Dächern. Allerdings müssen die lokalen Behörden über jeden Antrag individuell entscheiden. Da kann eine angepasste Farbgebung ein großes Argument sein. Genau an dieser Stelle setzen die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE an. Das neue Produkt haben sie gemeinsam mit dem Modulhersteller AxSun Solar GmbH entwickelt und auf dem Dach der Turnhalle montiert. Beteiligt an der Projektumsetzung waren außerdem die INTERPANE Entwicklungs- und Beratungsgesellschaft mbH sowie die Stadt Eppingen.
Solaranlagen auf Denkmalschutz-Häusern?
Photovoltaik-Module für Denkmalschutz erreichen hohe Leistung
Die Pilotinstallation besteht aus 224 Photovoltaik-Modulen mit einer sogenannten MorphoColor®-Farbschicht. Die Module wurden auf beiden Dachflächen installiert, sind also sowohl Richtung Osten als auch nach Westen ausgerichtet. Die Anlage schafft eine Gesamtleistung von 66 Kilowatt Peak und produziert nach Angaben der Forschenden mindestens 90 Prozent des Stroms, den eine klassische PV-Dachanlage mit unbeschichteten Gläsern erzeugen würde.
„Mit der grünen Photovoltaik-Anlage, die wir letztes Jahr in die Fassade unseres Zentrums für höchsteffiziente Solarzellen integriert haben, wollten wir architektonische Akzente setzen. Das Turnhallen-Dach in Eppingen zeigt nun den anderen Anwendungsfall, möglichst dezent in der Gebäudehülle zu verschwinden“, sagt Harry Wirth, Bereichsleiter für Photovoltaische Module und Kraftwerke am Fraunhofer ISE. Er bezeichnet das Projekt als einen wichtigen Meilenstein, der demonstriere, wie gut bauwerksintegrierte Photovoltaik funktionieren könne.
Die Fraunhofer-Forschenden sind allerdings nicht die ersten, die sich mit diesem Thema befassen. Es sind bereits Solardachziegel auf dem Markt, die normale Dachziegel ersetzen und somit eine andere Optik bieten. Weitere Variationen sind angekündigt, sodass wahrscheinlich bald Modelle zur Verfügung stehen werden, die zahlreiche Originalziegel imitieren. Allerdings ist ihre Installation bei einem intakten Dach eines Bestandsgebäude teurer als herkömmliche PV, weil das Dach komplett neu eingedeckt werden müsste.
Solardachziegel – eine echte Alternative zu Photovoltaik-Modulen?
Auch Kollektoren für Solarthermie können farblich angepasst werden
Die roten Solarmodule des ISE sind Teil des Forschungsprojekts „PVHide“. Es soll dazu dienen, skalierbare Konzepte für kostengünstige, unsichtbare bauwerkintegrierte PV zu entwickeln. Im ersten Schritt entstand die photonische MorphoColor®-Struktur, mit der sich das Deckglas von PV-Modulen oder von Kollektoren für die Solarthermie farbig gestalten lässt. Diese Technologie hat das Fraunhofer-Team patentieren lassen. INTERPANE setzte die MorphoColor® Beschichtung der Modul-Gläser auf industriellen Anlagen um. Damit baute AxSun dann farbige PV-Module, die sich zur Integration in Dächer eignen.
Die Turnhalle ist das erste Praxisprojekt an einem Bestandsgebäude. „Seit der Herstellung der farbigen Glasscheiben konnten wir unser Verständnis der Optik und die Winkelstabilität der Farben noch deutlich verbessern“, sagt Thomas Kroyer, Projektleiter am Fraunhofer ISE. „Die nächsten PV-Module, die jetzt mit MorphoColor® beschichtet werden, zeigen immer ihre intensive Farbe, egal von wo die Sonne auf sie scheint.“
Photovoltaik-Module für denkmalgeschützte Gebäude werden ins Portfolio aufgenommen
Die roten Solarmodule sollen zeigen, dass es möglich ist, wichtige Technologie für die Energiewende in den Gebäudebestand einer Stadt mit Fachwerkhäusern ästhetisch ansprechend zu integrieren. Bewusst haben die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen für dieses Pilotprojekt daher ein Produkt für Ziegeldächer ausgewählt. Die AxSun Solar GmbH & Co. KG. wird es für den Aufdach- und für den Indachbereich anbieten.
Gefördert wurde das Vorhaben vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz BMWK. In den kommenden Monaten wird das Fraunhofer ISE die Daten der dachintegrierte PV-Anlage in Eppingen analysieren und den realen Ertrag ermitteln.
Mehr lesen zum Thema Solarenergie:
- Neues Material macht solarthermische Kraftwerke effizienter
- Offshore-Photovoltaik: Wenn Solarmodule in der Nordsee schwimmen
- Solarwege: zwischen Herausforderungen und Chancen
Ein Beitrag von: