Strom aus Mais & Co. – eine verzwickte Sache
Die deutsche Stromerzeugung mit Biogas geht dank der Förderungen durch das Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) seit Jahren steil nach oben. Doch die gegenwärtig Praxis hat zu Fehlentwicklungen geführt und gerät deshalb in die Kritik.
Biogasanlagen mit ihren gedrungenen Gärbehältern gehören inzwischen zum Bild der deutschen Agrarlandschaft. Ihre Zahl ist in den letzten zehn Jahren von 850 auf 4900 angewachsen, die Leistung der Stromgeneratoren summiert sich inzwischen auf 1900 MW. Das entspricht fast der Kapazität von zwei Atomkraftwerken. Und in diesem Fall macht der Vergleich sogar Sinn: Im Gegensatz zu Windrädern oder Solarzellen liefern Biogasanlagen Strom ebenfalls rund um die Uhr das ganze Jahr. „In diesem Jahr werden 12,4 Mrd. kWh produziert werden“, prognostiziert Stefan Rauh vom Fachverband Biogas im bayerischen Freising.
Zu verdanken ist der Boom in Deutschland dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), genauer dessen Novelle aus dem Jahre 2004. Ursprünglich wurde, abnehmend mit der installierten Leistung, Strom aus Biogas mit 12 Cent/kWh bis 9 Cent/kWh vergütet. Damit lohnte es sich, Abfälle aus Großküchen und der Lebensmittelindustrie zu vergären.
Doch dieses Potenzial war begrenzt. Nach dem Zubau von einigen Hundert Anlagen pro Jahr verlor das Wachstum an Fahrt. Da besann man sich auf nachwachsenden Rohstoffe (Nawaro). „Nach viel Aufklärungsarbeit“, so die Worte von Verbandspräsident Josef Pellmeyer, gelang es, die Politiker zu überzeugen, einen Bonus von 7 Cent/kWh einzuführen, wenn das verstromte Biogas aus nachwachsenden Rohstoffen gewonnen wurde, den Nawaro-Bonus.
Heute bauen Bauern in Deutschland auf 530 000 ha Nachschub für diese Biogasanlagen an. Bevorzugt wird Silomais, der ansonsten als Viehfutter Verwendung findet. Nach Angaben des Deutschen Maiskomitees (DMK) in Bonn wandert inzwischen die Ernte von 375 000 ha in die Biogasanlagen.
Von der gesamten deutschen Maisanbaufläche von 2,1 Mio. ha beansprucht der „Energiemais“ knapp ein Sechstel. Das scheint bislang für den Gesamtmarkt noch wenig ins Gewicht zu fallen. Naturschutzverbände monieren jedoch, dass dafür überwiegend stillgelegte Ackerflächen reaktiviert wurden. Diese Brachen hatten sich zu ökologischen Nischen entwickelt und sind nun wieder verschwunden.
Der Nawaro-Bonus hatte einen weiteren negativen Effekt: Es entfiel der Anreiz, Gülle in Biogasanlagen einzusetzen, obwohl aus der Viehhaltung jährlich 150 Mio. t anfallen, die, unbehandelt ausgebracht, Luft und Wasser verschmutzen. Dies soll durch den 2009 eingeführten Güllebonus korrigiert werden. Besteht das Substrat neben nachwachsenden Rohstoffen zu 30 % aus Gülle, erhöht sich die Vergütung um 4 Cent/kWh. Laut DMK nutzen drei Viertel der Biogasbauern den Bonus.
Es wurden noch weitere Zuschläge eingeführt, um die Biogaserzeugung zu lenken (s. Kasten). Betreiber von Biogasanlagen können so auf eine Vergütung von 23 Cent/kWh bis 30 Cent/kWh kommen. Sie haben es aber auch mit einem Wust von Klauseln und Vorschriften zu tun, der kaum noch zu durchschauen ist.
Wie zum Beispiel weist man den 30 %-Anteil von Gülle im Gärsubstrat nach? Eine vom Umweltministerium eingerichtete Clearingstelle wird mit Anfragen überhäuft, Anwaltskanzleien und Gutachter fechten Streitfälle aus.
Katharina Reiche, Parlamentarische Staatssekretärin im Umweltministerium, vermag gleichwohl keinen Makel erkennen. „Das Gesetz beweist die hohe Kunst juristischen Handwerks, indem es die regelmäßige Anpassung an die Marktrealität bereits vorsieht“, lobt die Diplom-Chemikerin.
Ganz anders sieht das Peter Weiland, Mitarbeiter des Bereiches Agrartechnologie am Johann Heinrich von Thünen-Institut in Braunschweig, einer Forschungseinrichtung des Bundes. „Besonders die Kopplung von Gülle- und Nawaro-Bonus ist sehr nachteilig“, kritisiert der Ingenieur. In vielen Fällen sei dadurch die Vergärung von Abfallstoffen aufgegeben und durch nachwachsende Rohstoffe ersetzt worden.
Weiland plädiert für eine fixe Vergütung unabhängig vom Substratmix in Höhe von 17 Cent/kWh bis 18 Cent/kWh. Damit würden automatisch die Stoffe eingesetzt, die am Standort auf Dauer am günstigsten zur Verfügung stehen und somit die Biogasproduktion überhaupt auf eine solidere Grundlage gestellt.
Durch die Verlockung des Nawaro-Bonus haben sich viele Biogasbauern in eine Situation begeben, die rasch prekär werden kann. Die meisten können ihre Anlagen nicht allein von ihrem Land beschicken, sondern sie müssen zukaufen. Gehen die Preise für Nahrungs- und Futtermittel in die Höhe, werden die Lieferanten bevorzugt diese Märkte beliefern. Die Biogasbauern hätten dann das Nachsehen.
HANS DIETER SAUER
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