Strom vom schwimmenden Wellendrachen
Ein schwimmendes Wellenkraftwerk hat ein Däne ersonnen. Jetzt ist der Wave Dragon auf der Nordsee unterwegs zum Einsatzort.
Sturzseen stürmen heran. Doch der mächtige, im offenen Meer verankerte Schwimmkörper ist dafür präpariert. Mittels weit ausladender Eisenflügel werden die Wellen auf eine annähernd S-förmige Rampe hinauf geleitet. In breiten Brechern brandet das Wasser über die Reling und sammelt sich in einem großen Stahlbecken. Durch mehrere Abläufe im Bassinboden brodeln die Fluten zurück ins Meer.
Der Clou: In den senkrechten Röhren stecken Hydro-Turbinen, die – angetrieben von den drängenden Wassermassen – elektrischen Strom erzeugen. Durch ein armdickes, kilometerlanges Kabel strömt die gewonnene Energie an Land.
Der erste Prototyp eines solchen Wellenkraftwerks wurde kürzlich im dänischen Aalborg vom Stapel gelassen. Am Haken eines Schleppers reist der selbstschwimmende Stahlkasten (Maße: 58 m x 33 m) in den Nordsee-Fjord Nissum Bredning. Dort geht er in rund 25 km Entfernung vor der Küste vor Anker. Zwei Jahre soll der 237 t schwere Koloss im Probebetrieb laufen. Behauptet sich das Vorläufermodell im Maßstab 1 : 4,5 gegen die Unbilden der rauen See, soll im Jahr 2006 eine größere 22 000 t schwere Konstruktion folgen.
Federführend beteiligt am Projekt „Wellendrachen“ (wave dragon) ist Erik Friis-Madsen. Bekannt wurde er bereits vor zwei Jahren, als vor der Küste Kopenhagens der viel beachtete Windpark Middelgrunden installiert wurde. Die Idee für die Offshore-Windanlage hatte der dänische Ingenieur gemeinsam mit seinem Kollegen Hans Christian Sörensen, der auch beim Wellendrachen mit von der Partie ist.
Doch Wind bewegt nicht nur Windmühlenflügel, seine stürmische Kraft lässt auch die Wasser der Weltmeere zu hohen Wellen auflaufen. Seit den 80er Jahren tüftelt Friis-Madsen daher an der Idee, wie sich die in den Wellenbergen gespeicherte Energie effektiv nutzen lässt. Denn selbst wenn eine steife Brise abgeflaut ist, ist die offene See noch lange danach aufgewühlt, die Nordsee etwa bis zu sechs Stunden, der Atlantik sogar noch länger.
Die Idee mauserte sich zum Projekt „Wave Dragon“, das inzwischen von der EU und dem dänischen Staat mit insgesamt 4,3 Mio. $ unterstützt wird. Neben verschiedenen Projekt-Partnern in Dänemark, Großbritannien, Irland und Schweden sind die Universität in Aalborg, die TU München und der österreichische Turbinenbauer Kössler beteiligt. In den Prototypen und den Testlauf im Nissum-Bredning-Fjord investiert das Konsortium einen Betrag von rund 1,7 Mio. $.
Doch schon die Ausmaße des Versuchstyps sind beachtlich. Die gebogenen Wellenfänger sind 28 m lang und 3,5 m tief, die Rampe ist 27 m breit. Das flache Sammelbecken kann bis 55 m3 Meerwasser aufnehmen. Aus ihm stürzt das Wasser aus 70 cm Höhe durch sieben Spezialturbinen und erzeugt die elektrische Energie. Die Nennleistung des Kraftwerks beträgt runde 20 kW.
Für 2006 sind dann Wellendrachen mit 125 m langen und 16 m tiefen Wellenreflektoren geplant. Ihre Reservoirs werden 5000 m3 Wasser fassen können, die 16 Turbinen antreiben sollen. Die jährliche Energieausbeute wird auf rund 12 GWh taxiert, was dem Strombedarf von rund 3500 Haushalten entspricht.
Für den Einsatz im Nordatlantik mit seinen manchmal haushohen Wellen haben sich die dänischen Konstrukteure bereits Superdrachen ausgedacht: 54 000 t schwere Kolosse mit 190 m langen und 24 m tiefen Wellenfängern, einem Fassungsvermögen von 14 000 m3 Wasser und 24 Turbinen.
Riesige Seeparks mit bis zu 200 Wellendrachen, so die Vision der dänischen Ingenieure, könnten viele herkömmliche Kraftwerke überflüssig machen. „Mehr als 30 % des Strombedarfs in Europa können durch Wellenenergie gedeckt werden“, haben sie ausgerechnet. Sie schätzen, dass der Preis dann bei rund 40 € je MWh liegt – ein moderater Preis. NIKO DEUSSEN
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