Strom aus Spinat und Benzin aus Bakterien
Forscher tüfteln daran, elektrischen Strom und Wasserstoff direkt aus Sonnenlicht herzustellen. Dazu verschmelzen biologische und technische Komponenten. Noch weiter gehen Pläne, die Photosynthese mithilfe der Gentechnik umzuprogrammieren. Dann könnten Pflanzen und Mikroben nur mithilfe von Licht Treibstoffe erbrüten.
Sie beherrschen die photochemische Energiewandlung seit mehr als 2,5 Mrd. Jahren: mikroskopisch kleine, grüne Körnchen oder Chloroplasten, die zu Abertausenden in den Zellen eines Blatts sitzen. Die „grünen Kraftwerke“ der Pflanzen, erzeugen aus Sonnenlicht mithilfe der Photosynthese zunächst elektrische Energie, die dann zur Synthese von Traubenzucker dient. Weil dabei Wasser in seine Bestandteile aufgespalten wird, entsteht nebenbei auch noch der Energieträger Wasserstoff.
Konventionelle Solarzellen setzen höchstens ein Fünftel der auftreffenden Sonnenstrahlung in elektrischen Strom um. Der Rest geht als Wärme verloren. Zudem gilt die siliziumbasierte Photovoltaik als kostspielig.
Der Materialforscher David E. Cliffel von der Vanderbilt University in Nashville/Tennessee will das ändern: mit Spinat. Seit einigen Jahren entwickelt er biohybride Solarzellen, bei denen biologische und technische Komponenten miteinander gekoppelt werden. Dabei dienen aus dem grünen Gemüse gewonnene, photosynthetisch aktive Verbindungen als natürliche Fänger und Wandler von Licht in elektrische Energie.
Im Labor funktioniert Cliffels Ansatz bereits. Den knapp scheckkartengroßen Prototypen einer „Spinat“-Solarzelle hat der Forscher kürzlich im Fachblatt „Advanced Materials“ vorgestellt. Allerdings sehen die Leistungsdaten mit durchschnittlich 850 µA/cm2 für die Photostromdichte und einer photoelektrischen Spannung von 0,3 V bescheiden aus. Immerhin neun Monate lang lieferte die biohybride Zelle aus Tennessee elektrischen Strom aus Licht.
Zum Vergleich: Eine handelsübliche monokristalline Siliziumsolarzelle erreicht Kurzschlussstromdichten von zwischen 36 mA/cm2 bis 40 mA/cm2 und Spannungen von 0,62 V bis 0,65 V, weiß Martin Hermle, Leiter der Abteilung für hocheffiziente Siliziumsolarzellen beim Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme (ISE) in Freiburg. Diese Solarzellen erreichen Wirkungsgrade von bis zu 20 %.
Ein Patent auf die Spinat-Technik haben Cliffel und sein Team bereits angemeldet. Für sie wird nur ein Teil des im Spinat reichlich enthaltenen Blattgrüns benötigt. Beim sogenannten Photosystem I (PS I) handelt es sich um einen robusten Proteinkomplex, der sich leicht aus der Pflanze gewinnen lässt, ohne dass er seine Funktionen als Lichtsammler und Energiewandler einbüßt. Diese Aufgaben bewältigt das PS I in seiner natürlichen Umgebung mit nahezu hundertprozentiger Effizienz.
Die aus dem Spinat extrahierten Proteine werden gereinigt und auf eine speziell vorbehandelte Siliziumunterlage aufgetragen, denn ganz ohne den Halbleiter kommt die neue Technologie noch nicht aus. Die etwa 1 µm dicke Proteinschicht besteht nur aus stabilisierten, photosynthetisch aktiven Molekülen. Darin liegen etwa 100 der PS-I-Proteinkomplexe übereinander und sorgen für den grünen Schimmer der Solarzelle.
Noch arbeitet die biohybride Zelle weniger effektiv als eine übliche Solarzelle. Einen Grund dafür sieht Forscher Cliffel in der noch nicht optimalen Anordnung der Proteinmoleküle auf dem Träger. In einem grünen Blatt sind diese in biologische Membrane eingebettet, die einen effizienten Transport der Ladungsträger bewirken. Cliffel ist optimistisch: „Wenn wir weiter so Fortschritte bei der Steigerung von Stromstärke und Spannung machen, können wir in drei Jahren den Bereich von ausgereiften Solarzellen erreichen.“
Biophysiker Andreas Mershin vom Center for Bits and Atoms des Massachusetts Institute of Technology (MIT) im amerikanischen Cambridge arbeitet daran, den Ladungstransport zu verbessern. Dazu schichtet er die vorbehandelten PS-I-Proteine auf einen nanostrukturierten Glasträger. Die Proteine gewinnt der Forscher aus Cyanobakterien und Grasschnitt. Das Konzept stellte er Anfang des Jahres im Onlinejournal „Scientific Reports“ vor.
Auf dem etwa briefmarkengroßen, flexiblen Chip sitzen regelmäßig angeordnete Kristallnadeln aus Titandioxid. Sie bilden Nanoelektroden, an die sich die photosynthetisch aktiven PS-I-Proteine anlagern. Nanodrähtchen aus Zinkoxid sorgen für den Abtransport der elektrischen Ladung.
Damit erreicht Mershin im Labor eine Photostromdichte von 362 µA/cm2 und eine photoelektrische Spannung von 0,5 V. Mit einem Wirkungsgrad des Systems von 0,1 % liegt der kommerzielle Einsatz noch in weiter Ferne.
Mershin plant schon einmal in großen Maßstäben. Da sich der wichtigste Rohstoff für die biohybride Solarzelle aus Grünabfällen gewinnen lässt, könnten großflächige Systeme sich schon bei Wirkungsgraden ab 1 % oder 2 % auszahlen. „Den Sprung sollten wir in den nächsten Jahren schaffen“, glaubt er.
Mershins MIT-Kollege Daniel Nocera setzt auf Wasserstoff, den er nach Art der Photosynthese durch Wasserspaltung gewinnt. Wie bei der Elektrolyse entstehen dabei Wasserstoff und Sauerstoff. Allerdings schafft die Natur das mit deutlich weniger Energieaufwand.
Dem Vorbild der Natur nachzueifern, ist MIT-Chemiker Nocera 2011 ein entscheidendes Stück näher gekommen: mithilfe spezieller Katalysatoren. Getrieben wird die Reaktion von Sonnenlicht, das elektrischen Strom in einer spielkartengroßen Dünnschichtsolarzelle erzeugt. Diese schwimmt in einem kleinen Tank mit Wasser.
Der Clou: Wasserspaltung und Wasserstoffproduktion finden – wie beim biologischen Vorbild – in derselben Einheit statt, aber getrennt vom Halbleiter. Diesen schützt eine dünne Zwischenschicht vor Oxidierung, lässt aber den Strom passieren.
Entscheidend für die damit erstmals mögliche Zusammenlegung von solarer Stromerzeugung und Wasserspaltung in einem Modul sind die Katalysatoren. Dafür nutzt Nocera Kobalt, das in einer Nanoschicht auf den Siliziumträger aufgetragen wird. So dringt das Sonnenlicht fast ungehindert bis zur stromerzeugenden Schicht vor. Auf der anderen Seite des Wafers sorgt eine Katalysatorlegierung aus nanogeschichtetem Nickel, Molybdän und Zink für die Wasserstoffabscheidung.
Noch lässt die Effizienz von Strom- und Wasserstofferzeugung zu wünschen übrig. Die Stromausbeute erreicht knapp 8 %, die Wasserstoffernte knapp 5 %. Die von Nocera gegründete Firma Sun Catalytix arbeitet mit der indischen Industriegruppe Tata an der Verbesserung des Systems. Ziel ist eine marktreife Lösung für Entwicklungsländer. SILVIA VON DER WEIDEN
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