Stromausfall – Stunde der Notstromaggregate
Donnerstag, 15. November 2012, 7:02 Uhr. Mitten im einsetzenden Berufsverkehr geht in der bayerischen Landeshauptstadt so gut wie gar nichts mehr. In rund der Hälfte des Stadtgebietes fällt der Strom aus, U-Bahnen und Trams stehen still, die Ampeln fallen aus und in den Büros und Haushalten sitzen die Menschen im Dunkeln.
Katastrophen sind relativ. In Zeiten von Wireless LAN, Smartphone und Voice over IP empfanden jedoch viele Münchner den Tagesbeginn ohne Strom zumindest als ungewöhnlichen Zwischenfall. Zahlreiche Internet- und Mobilfunkverbindungen waren gestört, und wer es nach dem spontan anberaumten morgendlichen Candlelight-Breakfast zur Arbeit in den betroffenen Stadtteilen schaffte, wurde häufig von seinen Kollegen mit der Nachricht begrüßt: „Unsere Server sind unten.“ Mitarbeiter im Home Office und Selbstständige versuchten teils über Stunden, ihre Router wieder zum Laufen zu bringen.
Doch nicht alle der rund 450 000 betroffenen Münchener konnten so viel Gelassenheit an den Tag legen. Viele befanden sich auf dem Weg zur Arbeit und steckten in Tram, U- und S-Bahn oder sogar im Aufzug fest. Wer vorab informiert war und das Auto wählte, kam zu Beginn allenfalls im Schritttempo vorwärts. Und auch wenn der Blackout nicht in der touristischen Saison auftrat, so zählten doch etliche Tausend internationale Besucher der Fachmesse Electronica zu den Betroffenen des Ausfalls und versuchten verzweifelt, an den zeitweise nutzlosen U-Bahn-Stationen eines der längst überfüllten Taxis zu erobern.
Bayerischer Rundfunk und Sky sind für Stromausfälle gerüstet
Um Informationen über die Situation zu erhalten, forschten einige Städter in ihren Kellern nach dem guten alten Transistorradio und konnten damit schließlich die Nachrichten des Bayerischen Rundfunks empfangen. Der Sender hält verschiedene Havarielösungen vor, damit bei Gefahr oder in Katastrophenfällen amtliche Durchsagen jederzeit stattfinden können.
Auch die Privatsender sind vorbereitet, wie Sky Deutschland mit Sitz in Unterföhring nahe München. Obwohl der Sender nur knapp 1 km vom betroffenen Umspannwerk in Unterföhring entfernt angesiedelt ist, gab es hier keine Störungen, berichtet Sprecher Jörg Allgäuer. „Doch selbst wenn wir hier einen Stromausfall hätten, würden es unsere Moderatoren und die Zuschauer nicht bemerken“, ist Allgäuer überzeugt. Erst kürzlich habe das Unternehmen für den Notfall eine unterbrechungsfreie Stromversorgung (USV) eingeführt und getestet. Dabei würden zwischengeschaltete Batterien der USV-Anlage bei Bedarf den Betrieb übernehmen, bis das mit Diesel betriebene Notstromaggregat hochgefahren sei.
Im wahrsten Sinne des Wortes lebensrettend sind Notstromaggregate in Krankenhäusern. Vom Münchener Blackout betroffen war u. a. das Klinikum Großhadern. Seit Ende 2011 hat das Klinikum eine neue Notstromversorgung mit vier Dieselgeneratoren, die insgesamt eine Leistung von 12 MW erbringen. Binnen 15 s nach Stromausfall übernehmen die Generatoren die Versorgung. Sie verbrauchen pro Stunde 3000 l Diesel, der Vorrat des Brennstoffes im Klinikum beträgt auf drei Tanks verteilt insgesamt 150 000 l.
IP Exchange: Rechenzentrum wird bei Stromausfall mit Schiffsmotoren betrieben
Das Rechenzentrum des Dienstleisters IP Exchange liegt in der Münchner Balanstraße und damit im betroffenen Gebiet. Auch hier funktionierten die Notfallsysteme reibungslos. Allein zwei Schiffsmotoren in Containern mit einer Leistung von jeweils 3000 PS stehen dort bereit, um die Rechenzentrumsgrundlast von 2 MW zu gewährleisten. Bis die Motoren mit dem ständig vorgewärmten Diesel anspringen, übernehmen Lkw-Batterien den USV-Betrieb. Regelmäßige Tests stellen sicher, dass die Anlage im Notfall zuverlässig läuft und Kundendaten zu keiner Zeit in Gefahr sind. Der Dieselvorrat würde für vier Tage reichen.
So lange dauerte der Blackout dann nicht. Die Straßen blieben zwar voll – wer einmal mit dem Auto unterwegs war, blieb dabei – doch der Betrieb auf den S-Bahnstrecken und später bei U-Bahn und Tram normalisierte sich im Laufe des Vormittags (s. Beitrag unten).
Das Handy wird bei einem Stromausfall zum wichtigsten Kommunikationsmittel
Das wichtigste Kommunikationsmittel des Großstädters in solch einer Situation: das Handy. „Alle Mobilfunkanbieter verfügen über eine Notstromversorgung“, sagt Albert Fetsch von der Telefónica Deutschland, zu der der Anbieter O2 gehört. Fetsch räumt dennoch „Einschränkungen“ im Netz des Betreibers ein. Denn in solch einem Fall entstünden „mehrere Herausforderungen“. So erhöhe sich das Gesprächsaufkommen deutlich, weil viele Kunden mit strombetriebenen Geräten nicht mehr im Festnetz telefonieren können und verstärkt auf das Mobilfunknetz zugreifen. Entsprechend hoch müsse die Stabilität sein.
Udo Harbers, Telekom-Sprecher für Bayern, führt einen Teil der entstandenen Netzausfälle ebenfalls auf Überlastung zurück. Denn bei Ausfall von Basisstationen werden Anfragen umgeroutet und von anderen Antennen übernommen. Vodafone-Sprecher Dirk Ellenbeck erläutert, dass verschiedene Notfallsysteme greifen, abhängig von der Auslastung und der Bedeutung des jeweiligen Netzelements. „Das geht vom Batterie-Back-up über Dieselgeneratoren bis hin zur Übernahme der kompletten Versorgung durch ein alternatives System.“
In den betroffenen Münchner Gebieten habe nur bei wenigen Basisstationen die Leistung komplett übernommen werden müssen. Laut Ellenbeck hat Netzbetreiber Vodafone ein großes Interesse daran, dass die Systeme bei einer Störung nicht schlagartig ausfallen. „Zu allen Stationen gehören Serverschränke und Storage-Lösungen – der Aufwand wäre viel zu hoch, alles wieder händisch hochzufahren.“ Das allerdings blieb den Home-Office-Arbeitern in München nicht erspart.
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