Strombegrenzer: Supraleiter schützt Braunkohlenkraftwerk
Im realen Betrieb des Braunkohlenkraftwerks Boxberg bewährt sich derzeit ein supraleitender Strombegrenzer. Er soll die interne Mittelspannungsversorgung vor hohen Kurzschlussströmen schützen. Mehr Sicherheit bei geringeren Gesamtkosten – so ein Ziel dieses Pilotprojekts.
„Wir sind im Markt angekommen“, hofft Joachim Bock, Geschäftsführer der Nexans Superconductors GmbH, der deutschen Niederlassung des französischen Supraleitungsspezialisten Nexans. Damit meint er die jüngsten Erfolge beim Einsatz supraleitender Strombegrenzer. Bei der Begrenzung von Kurzschlussströmen habe die Supraleitung eine Anwendung in der Energieversorgung gefunden, die an der Schwelle zur Vermarktung steht.
So bewähren sich derzeit zwei supraleitende Strombegrenzer in der Praxis. Eine Anlage schützt in der englischen Grafschaft Lancashire in einer 11-kV-Schaltstation das Mittelspannungsverteilnetz vor Überlastung. Ein weiteres System schützt im sächsischen Braunkohlenkraftwerk Boxberg die Stromversorgung von Kohlemühlen und -brechern vor hohen Kurzschlussströmen.
„Dies ist weltweit der erste Einsatz eines supraleitenden Strombegrenzers in einem Kraftwerk, also einem technologisch besonders anspruchsvollem Umfeld“, freut sich Bock. „Ganz entscheidend ist für uns, dass die Systeme ohne öffentliche Fördermittel realisiert wurden, auch das ist im internationalen Vergleich bisher ohne Beispiel.“
Die auf Hochtemperatursupraleitern (HTS) basierenden Strombegrenzer funktionieren eigensicher, denn die auf etwa -200 °C gekühlten HTS-Elemente leiten den Strom quasi widerstandslos. Überschreitet der Strom jedoch die Auslegungswerte, wie bei einem Kurzschluss, wird aus dem idealen Leiter automatisch und schlagartig ein Widerstand. Dies erfolgt ohne zusätzliche elektronische Steuerung – diese Funktion begründet sich allein in den physikalischen Materialeigenschaften.
Zudem ergibt sich laut Bock für Energieversorger noch ein entscheidender Vorteil gegenüber herkömmlichen Sicherungen. So werde zum Beispiel bei pyrotechnischen Begrenzern (Explosionsbegrenzer) der Leiter aufgesprengt und der Strompfad komplett unterbrochen. Der supraleitende Strombegrenzer unterbreche den Fehlerstrom nicht, sondern begrenze ihn auf eine tolerierbare Stärke, die ungefährlich für nachgelagerte Komponenten ist. So werde die Stromversorgung aufrechterhalten und die Störung leichter auffindbar.
Bei Boxberg handelt es sich um ein Pilotprojekt. Der Personenschutz und die Anlagensicherheit werden laut Nexans verbessert. Bewährt sich das Prinzip, könnten HTS-Strombegrenzer die komplette Kraftwerkseigenversorgung vor Kurzschlussströmen bewahren.
Die Technik berge auch Sparpotenzial, so Bock. Wegen des Sicherheitsgewinns mit definierten Maximalströmen könnten Investitionskosten sinken. Während Schaltanlagen und Kabel heute so großzügig bemessen sein müssen, dass sie auch extremen Kurzschlussströmen standhalten, könnten beim Einsatz der Begrenzer deutlich kleinere und kostengünstigere Bauteile verwendet werden.
Durch die Modulbauweise lasse sich der Strombegrenzer sehr gut an unterschiedliche Nennströme und -spannungen anpassen, erklärt Bock. Die Auslegung für das System in Boxberg erfolgte in Abstimmung mit Betreiber Vattenfall Europe Generation und der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus, die das Vorhaben wissenschaftlich begleitete.
Der Strombegrenzer ist für 800 A Nennstrom ausgelegt. Doch müsse er kurzfristig, das heißt beim Einschalten eines Motors, auch für 0,05 s Anlaufströme bis 4150 A und anschließend über 15 s bis zu 1800 A verkraften können, ohne die Begrenzerfunktion auszulösen.
Im Transport- und Verteilnetz eröffneten supraleitende Strombegrenzer neue Möglichkeiten, so Bock. Dies gelte auch bei der Integration erneuerbarer Energien, vor allem von Windkraft. Netze könnten gekoppelt werden, ohne dass sich die Kurzschlussströme addieren. Potenzielle Kunden seien neben den Energieversorgern auch Betreiber lokaler Netze in Industrie- oder Chemieparks. ROBERT DONNERBAUER
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