Dank Nanokanal und Salzlösung 11.03.2024, 11:09 Uhr

Stromerzeugung aus der Abwärme von Fassaden?

Bislang lässt sich Abwärme, die keine 100 Grad Celsius heiß ist, nicht effizient verwerten. Dank Nanotechnik und Salz könnte sich das künftig ändern, denn damit ist es möglich, auch Abwärme geringerer Temperatur in elektrischen Strom zu verwandeln.

Lässt sich künftig die Abwärme von Fassadenverkleidungen aus Nanomaterialien dazu nutzen, Strom zu erzeugen?

Lässt sich künftig die Abwärme von Fassadenverkleidungen aus Nanomaterialien dazu nutzen, Strom zu erzeugen?

Foto: PantherMedia / VladimirNenezic

In mit Salzlösung gefüllten Nanokanälen lässt sich Wärme in Strom umwandeln. Das haben Forschende aus dem Fachgebiet Nano- und Mikrofluidik der TU Darmstadt entdeckt. Das Besondere daran: Der Mechanismus funktioniert auch bei niedrigen Temperaturen. TU-Professor Steffen Hardt und sein Mitarbeiter Dr. Rajkumar Sarma haben nun im Fachmagazin Physical Review Letters beschrieben, welche Rolle Salze und Nanotechnik dabei spielen. Als Anwendung schwebt den Forschenden zum Beispiel eine Fassadenverkleidung aus Nanomaterialien vor, die Strom aus Abwärme erzeugt.

Nanokanäle und Salzlösung machen es möglich

Die ungenutzte Abwärme von Industrieanlagen, Rechenzentren, Gebäuden und alltäglichen elektronischen Geräten wie Kühlschränken und Smartphones bietet ein großes Potenzial für die Erzeugung von sauberem Strom. Doch die effiziente Nutzung von Abwärme unter 100 Grad Celsius war bisher eine Herausforderung. Das könnte sich jetzt durch eine neue Art der Energieumwandlung ändern.

Das neue Verfahren zur Energieumwandlung nutzt ein Material mit mikroskopisch kleinen Nanokanälen, die eine hochkonzentrierte Salzlösung enthalten. Ist eine Seite dieses Materials wärmer als die andere, entsteht ein thermoelektrischer Effekt. Schon ein minimaler Temperaturunterschied führt in den Nanokanälen zu einer elektrischen Spannung, die deutlich höher ist, als bisherige Theorien vermuten ließen. Hardt erklärt: „Mit unseren jetzt vorgestellten Modellrechnungen können wir die außergewöhnlich hohe elektrische Spannung erklären, die in einigen Experimenten nachgewiesen wurde.“

So funktioniert die Stromerzeugung

Das Forschungsteam beschreibt die Stromerzeugung mittels Nanokanälen und Salzlösung folgendermaßen: In dem engen Kanal, der mit einer hochkonzentrierten Salzlösung gefüllt ist, bewegen sich die positiven und negativen Ionen des Salzes teils frei, teils bilden sie ladungsneutrale Gruppierungen, sogenannte Cluster. Die Bildung dieser Cluster wird durch die Temperatur beeinflusst.

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Dieser Mechanismus kann genutzt werden, um Wärme in elektrische Energie umzuwandeln. Wird ein Bereich des mit Salzlösung gefüllten Nanomaterials erwärmt, zerfallen die Cluster an dieser Stelle und setzen Ladungen frei, die zur kälteren Seite wandern, um das Konzentrationsgefälle auszugleichen. Dieser Ladungstransport durch den Nanokanal erzeugt eine hohe elektrische Spannung.

Kooperation mit experimentell arbeitenden Forschungsteams

In Darmstadt werden die beschriebenen Phänomene rein theoretisch untersucht, im Rahmen des Projekts kooperieren die Forschenden jedoch mit einem Team vom University College Cork. Dort arbeitet das Team experimentell. Konkret wurde der Effekt bei einem Material aus oxidiertem Aluminium und bei einer Substanz auf Basis von Zellulose untersucht.

Beide Materialien verfügen über Nanokanäle, die für die Energieumwandlung wichtig sind. „Am vielversprechendsten waren die Experimente mit Zellulose“, sagt Hardt. Das natürliche Material bietet als nachwachsender und reichlich vorhandener Rohstoff viele Vorteile. Doch seine ungeordnete Struktur stellt Hardt und Sarma vor eine besondere Herausforderung. Derzeit arbeiten die TU-Forscher daran, ihr theoretisches Modell zu erweitern, um es mit den experimentellen Ergebnissen aus Cork in Einklang zu bringen.

Wann wird die Technik marktreif?

Wann die Technologie marktreif sein wird, kann Hardt noch nicht genau sagen. Das Grundprinzip funktioniere zwar bereits, aber der Wirkungsgrad müsse noch verbessert werden, was vor allem von der Entwicklung geeigneter Materialien abhänge. An Ideen für mögliche Anwendungen mangelt es den Forschenden aber nicht. Sie denken zum Beispiel an eine Fassadenverkleidung aus einem speziellen Nanomaterial, das einen Teil der Abwärme eines Gebäudes in Strom umwandeln kann.

Auch wenn diese Idee noch recht ambitioniert ist, halten sie es für wichtig, diese Vision zu verfolgen. Derzeit werden schätzungsweise 70 Prozent der in Kraftwerken erzeugten und von Haushalten und Industrie genutzten Energie als Abwärme in die Atmosphäre abgegeben – ein Luxus, den wir uns angesichts der Energieverschwendung nicht mehr leisten können.

Ein Beitrag von:

  • Dominik Hochwarth

    Redakteur beim VDI Verlag. Nach dem Studium absolvierte er eine Ausbildung zum Online-Redakteur, es folgten ein Volontariat und jeweils 10 Jahre als Webtexter für eine Internetagentur und einen Onlineshop. Seit September 2022 schreibt er für ingenieur.de.

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