Stromspitzen vermeiden
VDI nachrichten, Düsseldorf, 25. 7. 08, mg- Strom wird immer teurer. Sind offensichtliche Effizienzpotenziale ausgereizt, kann ein gezieltes Management der Stromverbraucher dazu beitragen, den wachsenden Kostendruck etwas zu verringern. So können z. B. Gießereien mit einem Energiemanagementsystem den Spitzenlastbedarf reduzieren. Eine Parallel-Differenzstrom-Regelung hilft darüber hinaus, den Lastgang und damit den Leistungsbezug zu optimieren.
Die Entwicklung der Strompreise in Deutschland bleibt ein Dauerärgernis. Stromsparen ist angesagt. Doch was ist, wenn die Potentiale zur effizienten Energienutzung ausgeschöpft sind? Gewisse Produktionsprozesse (z. B. in Gießereien) benötigen nun mal eine bestimmte Menge Energie. Hier sollten mit dem Stromversorger alle vertraglichen Möglichkeiten des Strombezugs ausgeschöpft werden. Außerdem sollte der Spitzenlastbedarf reduziert werden. Denn die unter Umständen nur einmalig auftretende kurzzeitige Stromspitze bestimmt die Höhe des über das ganze Jahr fälligen Leistungspreises. Und dieser kann sich im Einzelfall mit bis zu 50 % auf dem Gesamtstrompreis niederschlagen.
Durch die Vermeidung von Stromspitzen kann man also Einfluss auf die Gesamtstromkosten nehmen. Hierbei ist es wichtig, jederzeit einen Überblick sowohl über den Gesamtstromverbrauch als auch über die einzelnen Verbraucher zu haben, um bei Erreichen vorgegebener Grenzwerte entsprechende Maßnahmen ergreifen zu können, erklärt Dr. Ralf Tanneberger, Geschäftsführer des gleichnamigen Elektronikunternehmens in Radebeul bei Dresden. Bislang eingesetzte Systeme der Energiekontrolle arbeiteten nach dem Begrenzungsprinzip: „Wird tendenziell ein Leistungsmaximum erreicht, werden kurzzeitig große elektrische Verbraucher zu 100 % vom Netz genommen. Diese spontane Abschaltung hält zwar vorgegebene Leistungsmaxima ein – sie verursacht aber einen deutlichen Produktionsabbruch.“
Eine Alternative sei der Einsatz eines Energiemanagementsystems mit integrierter Parallel-Differenzstrom-Regelung, so Tanneberger. Dabei fände kein serielles Abschalten mehr statt, sondern es würden parallel alle Verbraucher gleichzeitig und stufenlos geregelt. Durch diese Synchronisation werde der Gesamtstrombezug optimiert, das Stromnetz stabilisiert.
Ob Glasindustrie, Galvanik, Härtereien oder Großküchen (etwa in Hotels und Krankenhäusern) – es gebe vielfältige Anwendungsbereiche, jedoch seien Gießereien mit Induktionsschmelzöfen geradezu prädestiniert, unterstreicht Tanneberger. Stellten Induktionsöfen doch einen trägen thermischen Prozess dar, den man problemlos regeln kann. Eine ideale Voraussetzung, um einen konstanten Strombezug ohne Lastspitzen für die gesamte Gießerei zu realisieren. So erfasse z. B. bei dem System Padicon (Parallel-Difference-Power-Control) ein Prozessrechner sekundengenau Informationen über die angeschlossenen Prozesse. Der Leistungsverlauf und Energieverbrauch jedes Schmelzofens werde aufgezeichnet und hinterlegt. So entstehe ein charakteristischer Schmelzkurvenverlauf.
Hieraus könnten Zeitzonen definiert werden, in denen ein hoher Leistungsbezug unkritisch reduziert werden kann. Mit der gespeicherten Kennlinie im Hintergrund synchronisiere der Prozessrechner die einzelnen Taktzeiten aufeinander und sorge für einen optimalen, ausgeglichenen Lastgang. „Das System kann sich selbst harmonisieren. D.h., Stromspitzen werden vermieden und es finden keine Schalthandlungen mehr statt“, betont Tanneberger. „Der Schmelzprozess wird nicht mehr gestört und die Induktionsöfen unterliegen einer geringeren thermischen und elektrischen Belastung, was die Haltbarkeit erhöht und den Verschleiß verringert.“ Durch den gleichmäßigeren Strombezug würden auch die Transformatoren und Kabel geschont. Letztendlich könne das aus dem Netz abgefragte Leistungsmaximum um 10 % bis 20 %, in Einzelfällen auch schon über ein Drittel reduziert werden.
So konnte sich das System bereits bewähren, z. B. bei der Gießerei und Glasformenbau Radeberg, der Klaus Kuhn Edelstahlgießerei in Radevormwald oder bei Affilips im belgischen Tienen. Bei letzterer produziert man Vorlegierungen für die metallverarbeitende Industrie. Zum Schmelzen kämen Induktionsöfen mit zusammen etwa 13 MW zum Einsatz, bei einer gesamten installierten Leistung von rund 15 MW, berichtet Guido Janssens, Leiter technischer Einkauf bei Affilips. Schon Mitte der 90er-Jahre habe man ein System zur Spitzenlastüberwachung eingeführt, das die Stromspitze auf rund 6 MW begrenzte.
Seit Mitte 2006 kommt nun das Padicon-System zum Einsatz. Durch die Optimierung des Gesamtprozesses habe man die Spitzenlast noch weiter senken können, auf knapp unter 5 MW. „Die Gießer bemerken das neue System in ihrem Arbeitsalltag nicht“, bestätigt Luc Van Oostveldt, Leiter EDV/Finanzen bei Affilips. Die Leistungsabsenkungen seien meist so gering, dass der Schmelzprozess kaum beeinflusst werde. Nebenbei liefere das neue Energiemanagementsystem durch seine Dokumentation einen besseren Überblick über Prozess und Prozesskosten.
ROBERT DONNERBAUER
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