Studie: Fracking ist kontrollierbar
Die Risikostudie Fracking steht. Experten geben Empfehlungen für eine sichere Schiefergasgewinnung. Der Auftraggeber – das Energieunternehmen ExxonMobil – will sich daran halten. Doch Wasserwerke und Anwohner hinterfragen die Technik weiterhin.
„Es gibt keinen sachlichen Grund, Fracking generell zu verbieten.“ So fasste Dietrich Borchardt vom Leipziger Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) die Risikostudie, die ein Expertenkreis in einem Jahr erstellt hat, auf der Abschlusskonferenz in Osnabrück vor 300 Teilnehmern zusammen.
Auftraggeber war ExxonMobil. Doch das Unternehmen erhielt keinen Freifahrtschein, sondern ein Set an Kriterien. „Wir müssen einige Kröten schlucken“, bekannte Gernot Kalkoffen, Vorstandsvorsitzender der ExxonMobil Central Europe Holding GmbH.
Ein Drittel des deutschen Erdgases wird bereits durch Fracking gefördert
In Deutschland wird bereits gefrackt. Mehrere Unternehmen fördern seit 1961 mithilfe dieser Technik Erdgas aus mehr als 3500 m Tiefe meist aus Sandstein. Dabei habe es keine Schwierigkeiten gegeben, betont Kalkoffen. Auf dieses Verfahren geht rund ein Drittel des deutschen Erdgases zurück.
„Mit der Gewinnung von Schiefergas erreichen wir eine neue Dimension“, meint jedoch Borchardt. Die Lagerstätten lägen näher am Grundwasser und die Förderung verändere vor allem während der Bohrphase die Landschaft.
Die Fachleute empfehlen, nur dort nach Erdgas zu suchen, wo Salz- oder mächtige Tonschichten einen Aufstieg von Fracking-Flüssigkeiten ins Grundwasser behindern. „Reines Grundwasser ist wichtiger als Gasgewinnung“, betont Wasser- und Bodenfachmann Borchardt. Gebiete mit kritischen tektonischen Störungen schließen die Experten ebenso aus wie durch Kohlebergbau beeinflusste Regionen und Gebiete, in denen Tiefenwasser unter Druck steht und durch Risse aufsteigen kann. Weder in Trinkwasser- noch in Heilquellenschutzgebieten sollte gefrackt werden. Andererseits darf der „Flowback“, also das Wasser, das nach dem Fracking aus dem Bohrloch zurückgepumpt wird, das Trinkwasser nicht gefährden.
„Eine Bohrung wäre überschaubar“, meint Hans-Joachim Uth, Sachverständiger für Anlagensicherheit, doch ExxonMobil will aus wirtschaftlichen Gründen Schiefergas nicht von einem Bohrplatz aus fördern, sondern von etwa zehn auf einer Fläche von 200 km2. Auf jedem Bohrplatz finden dann bis zu 20 Bohrungen statt. Pro Bohrung werden rund 20 000 m3 Wasser benötigt, Chemikalien werden gelagert und umgefüllt, Behälter gereinigt. Hinzu kommt ein reger Lkw-Verkehr.
Um die Risiken in der Fläche zu erfassen, empfehlen die Experten, die Auswirkungen eines Fördergebietes durch eine strategische Umweltprüfung zu untersuchen. „Zudem sind Risikobewertungen für jeden Bohrplatz notwendig, eventuell sogar Umweltverträglichkeitsprüfungen“, sagt Wirtschaftsrechtler Alexander Roßnagel von der Uni Kassel. Ohne Zustimmung der Wasserbehörden könne keine Bohrung genehmigt werden. Um die Akzeptanz zu erhöhen, sollte jede Bohrung durch öffentliche Debatten vorbereitet und begleitet werden.
Fracking nicht ohne Umweltprüfungen
Auch bei den Fracking-Flüssigkeiten setzen die Experten Standards. „Es geht um die Gefahren für die Umwelt“, sagt Mechthild Schmitt-Jansen vom UFZ. Wie gefährlich die eingesetzten Substanzen für die Mitarbeiter sind, weiß ExxonMobil. Doch die Gefahren für die Umwelt standen bislang weniger im Fokus. Verbleiben Stoffe aber über lange Zeiträume tief in der Erde, „sollte etwas über deren Langzeitwirkungen bekannt sein“. Schmitt-Jansen hält Tests auf Kurzzeitwirkungen an Wasserflöhen, einer Algen- und einer Fischart für sinnvoll – stellvertretend für wässrige Lebensräume – wie auch Tests auf chronische Wirkungen an einem dieser Organismen. „Jede Fracking-Flüssigkeit sollte auch als Mischung auf ihre Wirkung auf die Umwelt geprüft werden, bevor sie unter die Erde gepumpt wird“, ergänzt die Öktotoxikologin. Chemikalien wirkten ja gemeinsam auf Organismen ein.
Die Experten gehen damit über Vorgaben der Chemikalienverordnung Reach hinaus. Das Gesetz sieht keine Untersuchungen von Stoffmischungen vor und verlangt umfangreiche Tierversuche nur bei Industriechemikalien, von denen eine Firma mehr als 1000 t jährlich vermarktet, die Krebs auslösen oder unfruchtbar machen können.
Trotz Fracking-Studie bleiben noch viele Fragen offen
Borchardt betonte auch, dass viele Fragen offen blieben. Niemand wisse, in welchem Maß sich etwa Ton- oder Steinschichten in der Tiefe verschieben, wenn auf engem Raum viele Bohrungen stattfinden. Unklar sei auch, wie viel Erdgas – also Methan – entweichen kann. Im ärgsten Fall wird so viel des Klimagases Methan frei, dass Schiefergas eine Treibhausbilanz von Braunkohle aufweist, betont Energieberater Werner Zittel.
Um diese und andere Fragen zu klären, empfehlen die Fachleute zwei Demonstrationsprojekte: das eine im Niedersächsischen Becken für die Förderung von Schiefergas, das andere im Münsterländer Becken in Nordrhein-Westfalen für die Förderung von Kohleflözgas. Bei den Projekten sollte vorsorglich tiefer als 1000 m und mit mehr als 600 m Abstand zu genutztem Grundwasser gefrackt werden. Je nachdem, wie schnell sich Standorte für die Projekte finden lassen, kann die großflächige Ausbeute von Schiefergas also noch einige Jahre auf sich warten lassen. Die Fachleute betonten aber auch, dass vor solchen Forschungsprojekten etwa Probebohrungen notwendig sind.
„Wir werden die Empfehlungen studieren“, so Kalkoffen. ExxonMobil will 2012 wieder bohren und prüfen, ob Schiefergas in Niedersachsen oder Kohleflözgas in Nordrhein-Westfalen in wirtschaftlich ausbeutbaren Mengen vorliegt. „Wir werden die Kriterien einhalten und Projekte, die ihnen nicht standhalten, erst mal aussortieren.“
Mit der Risikostudie beginnt die öffentliche Debatte mit neuem Sachstand. In Osnabrück bemängelte Ralph Griesinger von der Bürgerinitiative Frac-freies Bissendorf im Landkreis Osnabrück weiterhin, „Gefährdungen können nicht ausgeschlossen werden“. Und Anna Kebschull von der Bürgerinitiative Bad Rothenfelde ergänzt, Energiekonzerne sollten besser in erneuerbare Energien investieren.
Auch Wasserwerke bleiben bei einer skeptischen Haltung. Nach wie vor sei die sichere Entsorgung der mit Chemikalien belasteten Fracking-Abwässer ungeklärt, betont Gelsenwasser aus dem Ruhrgebiet. Ohne belastbare Daten sollte es keine Entscheidung über die Genehmigung von Fracking-Bohrungen geben.
Ein Beitrag von: