Energieumwandlung 17.04.2024, 08:54 Uhr

Methan als Rohstoff: Supergrüner Wasserstoff entlastet das Klima

Mit synthetischem Methan als Rohstoff für die Wasserstoffherstellung wird der Atmosphäre CO2 dauerhaft entzogen. Kleiner Schönheitsfehler: Der Energieverbrauch ist sehr hoch.

Wasserstoff Empa

Kohlenstoff und Wasserstoff aus Methan: Im Empa-Labor wird an einem Pyrolyseverfahren gearbeitet, das in einer Demonstrationsanlage im Tech Cluster Zug zum Einsatz kommen soll.

Foto: Empa

Was Forscher der renommierten Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa) mit Hauptsitz in Dübendorf vorschlagen klingt ganz schön verrückt. Sie wollen in der Schweiz mit einer Technik für die Produktion von Wasserstoff aus Erdgas Wasserstoff herstellen, der grüner als grün ist. Im Endeffekt wird der Atmosphäre dadurch Kohlenstoffdioxid (CO2) entzogen, das Klima also entlastet.

Alle Technik kommt aus Zürich

Der Trick, der das vermeintliche Wunder möglich macht: Die Empa-Forscher wollen kein Erdgas als Rohstoff nutzen, sondern synthetisches Methan, das in sonnen- und/oder windreichen Ländern produziert wird. Dazu wird in einem Elektrolyseur mit grünem Strom aus Wind- und Solarenergie Wasserstoff erzeugt. Parallel dazu soll CO2 aus der Luft eingefangen werden. Das funktioniert beispielsweise mit einer Technik, die an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH) entwickelt worden ist. Sie ist effizienter als die des Zürcher Unternehmens Climeworks, das ebenfalls aus der ETH hervorgegangen ist, allerdings schon kommerzielle Anwendungen vorzuweisen hat.

Atmosphäre wird dauerhaft entlastet

Wasserstoff und CO2 werden dann vor Ort in synthetisches Methan umgewandelt. Das kann mit etablierten Techniken verflüssigt und per Schiff transportiert werden, sogar bis in die Schweiz. Hier könnte es als umweltneutraler Brennstoff etwa zum Heizen genutzt werden. Doch die Empa-Forscher denken an Pyrolyse, um noch mehr fürs Klima zu tun. Dabei werden die Methanbestandteile Wasserstoff und CO2, die in Nordafrika, Australien oder Chile mit hohem Energieaufwand miteinander verschmolzen worden sind, wieder getrennt.

Es entstehen pulverförmiger Kohlenstoff und Wasserstoff. Der Kohlenstoff kann beispielsweise zur Herstellung von Elektroden für Batterien, in der Landwirtschaft und der Bauindustrie genutzt werden. In allen Fällen würde der Kohlenstoff langfristig gebunden, könnte sich also nicht wieder in CO2 umwandeln. Wenn es nicht genügend Anwendungsmöglichkeiten gibt kann er etwa in ehemaligen Bergwerken gelagert und so dauerhaft aus der Atmosphäre entfernt werden.

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Skizze Empa Wasserstoff

Die Skizze eines Systems, in dem der Kohlestoff aus der Atmosphäre als Ressource für neuartige Materialien dient.

Foto: Empa

Nutzung des Wasserstoffs in der Industrie

Der Wasserstoff lässt sich nutzen, um in stationären und mobilen Brennstoffzellen Strom und Wärme herzustellen. Mindestens ebenso attraktiv ist der Einsatz in Hochtemperatur-Prozessen der Metallverarbeitung und der chemischen Industrie, die ihre Wärme meist durch Verbrennung von Erdgas gewinnen. Gemeinsam mit dem Tech Cluster Zug, dem Kanton Zug und mehr als einem Dutzend weiteren Partnern hatte sich die Empa 2022 zum „Verein zur Dekarbonisierung der Industrie“ (VzDI) zusammengeschlossen. Die ungewöhnliche Idee der Methan-Pyrolyse ist in diesem Zusammenhang entstanden.

Stark verlustbehaftet

Die Herstellung von synthetischem Methan in der Wüste, der Transport nach Europa und die anschließende Pyrolyse sind stark verlustbehaftete Prozesse. Entsprechend müssen die Energie- und Treibhausgasbilanzen des Gesamtprozesses genau unter die Lupe genommen werden. Christian Bach, Christian Bach, Abteilungsleiter Fahrzeugantriebssysteme der Empa, und sein Team haben mit Vertretern des VzDI die ganze Versorgungskette analysiert und mit anderen Verfahren verglichen.

Es beginnt mit der Erdgas-Bilanz

Als Vergleichswert diente eine Megawattstunde (MWh) Hochtemperaturwärme für die Industrie. Nutzt man zu deren Bereitstellung wie bisher Erdgas, sind dazu 1,2 MWh Primärenergie nötig, und es werden 288 Kilogramm CO2 frei. Die Primärenergie beinhaltet auch die Energie, die für die Förderung des Gases – zum Beispiel im Nahen Osten – und den Transport aufgewendet wird und berücksichtigt zudem die Verluste durch Methanschlupf. Etwa ein Fünftel der Emissionen entstehen bei der Bereitstellung des Erdgases, der Rest bei dessen Nutzung.

40 Prozent weniger CO2

Wenn „echtes“ Erdgas vor der energetischen Nutzung durch Pyrolyse dekarbonisiert und nur der dabei entstandene blaue Wasserstoff für die Erzeugung der Hochtemperaturwärme genutzt wird, können die CO2-Emissionen um 40 Prozent auf 178 kg gesenkt werden. Gleichzeitig steigt der Primärenergiebedarf massiv an, weil mehr Erdgas erforderlich wird und weil zusätzlich Strom für die Pyrolyse nötig ist. Eine MWh Hochtemperaturwärme benötigt in diesem Szenario 2,6 MWh Primärenergie.

77 Kilogramm CO2 eingespart

Wird nun anstelle von fossilem Erdgas erneuerbares synthetisches Methan verwendet, ergeben sich ein Primärenergiebedarf von 3,5 MWh und Treibhausgasemissionen von 126 kg CO2. Das sind fast 60 Prozent weniger als bei der direkten Nutzung von Erdgas. Wird dieses Methan pyrolysiert ergibt sich eine negative Bilanz. Bei der Produktion von einer Megawattstunde Hochtemperaturwärme werden 77 Kilogramm CO2 der Atmosphäre entzogen. Dieser Erfolg wird mit einem Primärenergiebedarf von – allerdings grün produzierten – 6,2 MWh erkauft.

Wirtschaftlichkeit in Sicht

„Klar, der Primärenergieaufwand dieses Konzepts ist hoch – rund zweieinhalb bis drei Mal höher als bei der effizientesten Wasserstofferzeugung in der Schweiz“, räumt Bach ein. „Da aber pro Quadratmeter Photovoltaik in Wüstenregionen zwei bis zweieinhalb Mal mehr Strom erzeugt werden kann als bei uns, braucht dieser Ansatz kaum mehr Photovoltaik-Fläche.“ Eine Herausforderung seien allerdings die Kosten. Gelänge es jedoch, den Kohlenstoff als Rohstoff für nicht-energetische Anwendungen zu vermarkten, dann könnte der gesamte Prozess durchaus wirtschaftlich sein, ist Bach überzeugt. Eine Pilotanlage soll innerhalb von zwei Jahren gebaut werden.

Ein Beitrag von:

  • Wolfgang Kempkens

    Wolfgang Kempkens studierte an der RWTH Aachen Elektrotechnik und schloss mit dem Diplom ab. Er arbeitete bei einer Tageszeitung und einem Magazin, ehe er sich als freier Journalist etablierte. Er beschäftigt sich vor allem mit Umwelt-, Energie- und Technikthemen.

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