Treibstoff der Zukunft: Solar-Kerosin gegen den Klimawandel
Mit konzentriertem Sonnenlicht lässt sich Synthesegas herstellen, Rohstoff für die Herstellung von Treibstoffen. In Jülich gelang erstmals ein großtechnischer Test. 2023 beginnt die kommerzielle Produktion.
Sonne macht Strom, weiß schließlich jeder. Sonne macht auch warmes Wasser. Weiß auch jeder. Sonne kann auch Kerosin für Flugzeuge und Sprit für Autos produzieren. Hier dürften die meisten Menschen aufhorchen, vielleicht sogar zweifeln. Doch genau das hat das Schweizer Unternehmen Synhelion jetzt im Multifokus-Solarturm des Deutschen Forschungszentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Jülich bei Aachen bewiesen, genauer dessen Tochter Heliokon, eine Ausgründung aus dem DLR, das die Schweizer im vergangenen Jahr übernommen haben.
2000 Heliostaten konzentrieren das Sonnenlicht
Der Solarturm, den Synhelion nutzte – das DLR betreibt am Standort Jülich gleich zwei dieser Türme – stellt Wärme auf hohem Niveau zur Verfügung. Normalerweise lassen sich 800 bis 900 Grad Celsius erreichen, Synhelion schafft bei Bedarf deutlich mehr. Um die Solartürme herum sind auf einer Fläche von 1500 Quadratmetern 2000 bewegliche Spiegel angeordnet, so genannte Heliostaten, die die Infrarotstrahlen der Sonne in hochkonzentrierter Form auf einen Receiver nahe der Spitze des Solarturms werfen. Er ist mit einem sechs Meter hohen und zwölf Tonnen schweren Reformierungsreaktor gekoppelt.
Rohstoffe aus der Biogasanlage
In dem neu entwickelten Reaktor werden Methan und Kohlenstoffdioxid (CO2), Gase, die aus der Biogasanlage einer nahegelegenen Papierfabrik stammen, mit Wasser in Synthesegas umgesetzt. Es klappt auch allein mit CO2. Der Einsatz von Methan hat produktionstechnische Gründe. Das System hat eine Produktionskapazität von 100 Normkubikmeter pro Stunde. Ein integrierter thermischer Energiespeicher ermöglicht eine Synthesegasproduktion rund um die Uhr. „Der letzte große technische Meilenstein bei der Skalierung unserer Technologie ist damit erreicht, sagt Philipp Good, CTO von Synhelion. „Nun ist der Weg geebnet für die industrielle Herstellung CO2-neutraler Flugzeugtreibstoffe.“
Es könnten 150.000 Liter pro Jahr sein
Die Anlage erhielt den Namen DAWN. Ab 2023 wird sie kommerziell Synthesegas produzieren, das in einer Fischer-Tropsch-Anlage, die vom Projektpartner HyGear im niederländischen Arnheim entwickelt wurde, vor Ort in Kerosin umgewandelt werden soll. Pro Jahr mehrere 1000 Liter Flugtreibstoff produzieren. Stünde die gesamte solarthermische Anlage an einem von der Sonne verwöhnten Standort könnten es 150.000 Liter pro Jahr sein. „Die Transportindustrie emittiert pro Jahr acht Milliarden Tonnen CO2, heißt es auf der Synhelion-Homepage. „Wir arbeiten daran, diese Zahl auf Null zu bringen.
Premiere bei Swiss
„Auch wenn Deutschland keine idealen Bedingungen bietet, um Solarkraftstoffe kommerziell zu produzieren, bietet Jülich ideale logistische Voraussetzungen, um DAWN schnell zu bauen“ verlautet aus dem Unternehmen. „An sonnigen Tagen reicht die Strahlungsintensität aus, um solare Brennstoffe herzustellen.“ Swiss, die Schweizer Fluggesellschaft, die zur Lufthansa Group gehört, wird die erste sein, die mit grünem Kerosin aus Jülich fliegt.
Großanlage startet 2025
Mit DAWN legt Synhelion den Grundstein für die industrielle Produktion von Solarbrennstoffen. Die Demonstrationsanlage wird als Prüfstand und Modell für zukünftige kommerzielle Anlagen dienen, die die Größe von DAWN übertreffen und deutlich höhere Produktionsmengen ermöglichen. Bis 2025 plant Synhelion die Inbetriebnahme der ersten kommerziellen Solarbrennstoffanlage in der Nähe von Madrid, in die die Erfahrungen aus Jülich einfließen.
Tests in Zürich und Móstoles
Bereits 2010 hat Synhelion, eine Ausgründung aus der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH), im ETH-Labor mit einer kleinen Solaranlage Synthesegas hergestellt. Für weitere Tests wurde im spanischen Móstoles am Rand von Madrid für das Projekt mit dem Very High Concentration Solar Tower eigens eine Solaranlage zur Synthesegasproduktion errichtet. In Jülich ist die Skalierung auf den industriellen Maßstab gelungen. Mit der Nutzung von solarem Kerosin können Flugzeuge klimaneutral fliegen. Allerdings emittieren sie Schadstoffe wie Sickoxide, wenn auch weniger als wenn sie mineralisches Kerosin nutzen.
Solartreibstoffe auch für Schiffe
„Diese Technologie könnte große Auswirkung auf den Transportsektor haben, speziell für die Luftfahrt und die Schifffahrt, die auf langen Strecken weiterhin auf flüssige Kraftstoffe angewiesen bleiben“, so Projektkoordinator Dr. Andreas Sizmann von Bauhaus Luftfahrt, einem im November 2005 von den drei Luft- und Raumfahrtunternehmen Airbus Group, Liebherr-Aerospace und MTU Aero Engines sowie dem Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie gegründeter gemeinnütziger Verein.
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