Trennkanalisation ökologisch nicht immer sinnvoll
Nach dem neuen Wasserhaushaltsgesetz soll die Mischkanalisation für Abwasser abgelöst werden. Bisher gelangen in vielen Städten und Kommunen Schmutz- und Regenwasser immer noch gemeinsam zur Kläranlage. Die Einführung von Trennsystemen ist aber mit hohen Kosten verbunden – und unter Umweltaspekten nicht immer der bessere Weg.
„Im Sinne der Umweltfreundlichkeit muss Regenwasser auf seine Beschaffenheit hin untersucht werden“, fordert Theo Schmitt von der TU Kaiserslautern. „Die Frage nach Misch- oder Trennkanalisation bedarf jeweils einer fachlichen Abwägung“, sagte der Abwasserexperte den VDI nachrichten.
Im Auftrag der Deutschen Bundesstiftung Umwelt hatte Schmitt mehrere Prüfverfahren für Anlagen zur dezentralen Niederschlagswasserbehandlung im Trennverfahren entwickelt. Sein Abschlussbericht, der den aktuellen Kenntnisstand über Regenwasserbelastung und -behandlung dokumentiert, wird in der Wasserwirtschaft zurzeit diskutiert.
Die Entsorger orientierten sich bislang an den Empfehlungen der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA): Gering belastetes Niederschlagswasser von Gründächern, Terrassenflächen oder wenig befahrenen Verkehrswegen bedarf keiner Behandlung. Für Niederschlagswasser von mäßig belasteten Flächen, z. B. von Rollbahnen oder stark genutzten Zufahrten zu Einkaufszentren, ist eine Reinigung notwendig – etwa über die Passage durch eine belebte Bodenzone mit anschließender Versickerung. Hoch belastetes Niederschlagswasser etwa von Lkw-Abstellflächen muss grundsätzlich in einer mechanisch-biologischen Kläranlage behandelt werden.
Baden-Württemberg: 71 % Mischkanalisation
Die Mischkanalisation hatte die Aufgabe, das Niederschlagswasser auf versiegelten Flächen zusammen mit dem Abwasser aus der Hauskanalisation möglichst schnell zu entsorgen. Rechtlich betrachtet ist abfließendes Niederschlagswasser zu entsorgendes Abwasser nach der Abwasserverordnung.
Vor allen in historisch gewachsenen Stadtkernen und alten Wohnsiedlungen mit hoher Flächenversiegelung herrscht auch heute noch die Mischkanalisation vor. So sind in Baden-Württemberg von den rund 70 000 km öffentlicher Kanäle etwa 71 % Mischwasserkanäle, in Nordrhein-Westfalen bestehen 63 % des Kanalnetzes aus Mischwasserrohren.
Probleme entstehen bei Starkregen, wenn das System plötzlich große Wassermassen ableiten muss. Wenn ein Regenüberlaufbecken fehlt, fließt die trübe Brühe ungereinigt in die Gewässer.
Im NRW-Umweltministerium kennt man die bösen Folgen: von einer gesteigerten Sauerstoffzehrung im Gewässer wegen der erhöhten Schadstofffracht über die Stoffakkumulation im Sediment bis hin zu Fischsterben und einer hygienischen Belastung zum Beispiel durch Krankheitserreger.
Ökologisch ist die Mischkanalisation bedenklich, weil Regenwasser für die Grundwasserneubildung nicht mehr zur Verfügung steht und damit der Grundwasserspiegel sinkt, mahnen die Abwasserexperten im Umweltministerium an.
Das Trennsystem mit der Ableitung des unverschmutzten Regenwassers über einen kurzen Regenwasserkanal in das nächstgelegene aufnahmefähige Gewässer kommt dem Kreislaufgedanken der Wasserwirtschaft am nächsten, wenn die Versickerung auf dem Grundstück selbst nicht möglich ist.
Aber auch Regenwasser ist durch atmosphärische Verunreinigungen belastet und nimmt auf dem Weg über Dach-, Hof- oder Straßenflächen Schadstoffe auf. So kann es zu erhöhten Schwermetallbelastungen, z. B. Kupfer und Zink, im Oberflächengewässer kommen.
Neues Wasserhaushaltsgesetz: Trennkanalisation bedeutet hohe Kosten für kommunale Unternehmen
Mit den gesetzlichen Vorgaben, bei künftigen Investitionen in Abwasserkanäle Trennsysteme einzuführen, kommen auf die arg gebeutelten kommunalen Unternehmen hohe Kosten zu.
„Das Mischsystem verursacht 70 % der Investitionskosten im Kanalnetz, davon rund 60 % für Ersatzinvestitionen“, erklärte Volkmar Müller, Geschäftsführer der Kommunalen Wasserwerke Leipzig GmbH (KWL). Allein für die regelgerechte abwasserseitige Erschließung von Wohngebieten wird die KWL im nächsten Jahr voraussichtlich ca. 3,78 Mio. € und im Jahr 2013 mehr als 5,62 Mio. € investieren müssen.
Die uneingeschränkte Pflicht zur Einführung der strikten Trennkanalisation hat der Verband der kommunalen Unternehmen VKU schon vor dem Inkrafttreten des neuen Wasserhaushaltsgesetzes im März 2010 abgelehnt. Die Ableitung in Mischwasserleitungen dürfe nicht ausgeschlossen werden. Denn dies hätte für die kommunale Abwasserwirtschaft, vor allem in gewachsenen urbanen Gebieten, einen unangemessenen Investitionsbedarf zur Folge. Für bestehende Systeme gilt nun der Bestandsschutz.
Die Zunahme extremer Wetterereignisse durch den Klimawandel zwingt die kommunalen Entsorgungsunternehmen, sich auf immer höhere Spitzenlasten einzustellen. Auch auf die Einnahmen aus Gebühren für die Schmutzwasser- und Regenwasserentsorgung von Privatgrundstücken sowie auf Umsätze aus der Straßenoberflächenentwässerung wollen Kommunen weder in Leipzig noch anderswo verzichten.
Trennkanalisation: Entlastung der Kläranlagen kann Energie und damit Kosten sparen
„Langfristig ist es der richtige Weg, Regenwasser da versickern zu lassen, wo es anfällt“, meint Bernd Kirschbaum, Wasserexperte im Umweltbundesamt. In die Kläranlage gehöre hoch verseuchtes Wasser. Regenwasser aber sei Teil des natürlichen Wasserkreislaufes, der zur Neubildung von Grundwasser beitrage.
Die Entlastung der Kläranlagen durch die Trennkanalisation rechne sich zwar heute noch nicht immer für die Kommunen, so Kirschbaum, „aber letztlich ist die Entlastung der Kläranlagen auch ein Weg, Energie und damit letztlich Kosten zu sparen“.
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