Tuning für Hochspannungsleitungen
Mit intelligenten Sensoren oder Hochtemperaturseilen lassen sich größere Energiemengen transportieren. 30 % oder mehr sind drin. Der Umfang des Netzausbaus könnte so reduziert werden.
Die Strommenge, die durch Hochspannungsleitungen fließt, ist streng begrenzt, damit sie nicht zu heiß werden. Denn dann dehnen sie sich aus und hängen tiefer durch. Im Extremfall kämen sie der Erde gefährlich nahe. Die Obergrenze ist so gewählt, dass selbst an heißen Sommertagen nichts passieren kann. Wäre die Grenze wetterabhängig, könnte an kühlen und windigen Tagen viel mehr Strom transportiert werden, ohne dass eine Gefahr bestünde. Wenn sich das realisieren ließe müssten die Netze, die durch immer mehr wetterabhängig schwankenden Strommengen aus Wind- und Solarenergieanlagen oft an den Rand der Überlast geraten, nicht so üppig ausgebaut werden wie es jetzt geplant ist.
Forscher am Institut für Technik der Informationsverarbeitung (ITIV) des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) entwickeln derzeit ein System, das die Strommenge, die über Freileitungen transportiert werden, wetterabhängig anpasst. „PrognoNetz“ heißt das Projekt. Vorgesehen ist die Installation von Temperatur- und Windsensoren entlang der Hochspannungsleitungen. Signalisieren sie kühlende Wirkung, kann die jeweilige Leitung bis zu 30 % mehr Strom aufnehmen und eine andere entlasten.
Erfolgreiche Tests mit wetterabhängiger Übertragung
Schon vor Jahren hat es erfolgreiche Tests gegeben. Jetzt soll die wetterabhängige Stromübertragung auf der Basis von künstlicher Intelligenz perfektioniert werden. Mit von der Partie sind mehrere Partner, darunter der baden-württembergische Übertragungsnetzbetreiber TransnetBW in Stuttgart und der Karlsruher Wetterdienst Ubimet.
Die Sensoren sind mit Sendern ausgestattet, die die aktuellen Daten in eine Zentrale von TransnetBW übertragen. Auf dieser Basis werden die Strommengen auf die unterschiedlichen Leitungen verteilt. Als Windmesser wollen die Forscher laserbasierte Systeme einsetzen, die genauer sind als klassische Geräte. Entscheidend ist, dass diese Sensoren auch untereinander vernetzt werden und selbstlernend sind. Das ermöglicht Vorhersagen der Wetterdaten für Stunden oder gar Tage, sodass die Disponenten genügend Zeit haben, die Leitungen zu schalten.
Sensoren entscheiden selbstständig über Strommengen
Das Verbundvorhaben hat das Ziel, die Sensoren so schlau zu machen, dass sie selbstständig entscheiden, wie viel Strom zu einer bestimmten Zeit durch eine bestimmte Leitung fließen kann. „Mit diesem auf Künstlicher Intelligenz basierenden Netzwerk lassen sich vorhandene Stromnetze durch Anpassen des Betriebs an die Witterungsbedingungen jederzeit optimal ausnutzen und Engpässe überbrücken“, sagt ITIV-Leiter Professor Wilhelm Stork.
Eine andere Möglichkeit, bestehende Stromleitungen leistungsfähiger zu machen, ist der Einsatz von Leiterseilen, die höhere Temperaturen vertragen, ohne sich nennenswert auszudehnen. American Electric Power beispielsweise hat eine rund 390 Kilometer lange 345.000-Volt-Hochspannungsleitung im Süden von Texas auf Kabel des US-Herstellers Composite Technology Corporation umgerüstet. Sie erhitzen sich auf bis zu 175 Grad Celsius und hängen dennoch nicht durch. Zugvögel, die sich vor dem Flug gen Süden hierzulande gern auf Hochspannungsleitungen versammeln, dürften das allerdings weniger schätzen. Die so genannten ACCC-Seile (SCCC=Aluminium Conductor Composite Core) übertragen doppelt so viel Strom wie herkömmliche Stahl-Aluminiumseile.
Hohe Kosten bremsen die Hochtemperaturseile
ACCC ist eins von verschiedenen Hochtemperaturseilen. Durchgesetzt haben sie sich noch nicht, weil sie fünf- bis elfmal teurer sind als konventionelle Leiter. In Deutschland gibt es allerdings einige Testinstallationen. So hat RWE eine 110.000-Volt-Leitung seines Verteilnetzes zwischen Simmern und Rheinböllen auf ACCC umgerüstet, allerdings auf einer Länge von nur 12 Kilometern.
Die Netzbetreiber Amprion, TransnetBW und E.on Netz haben dagegen auf ACCR-Seile (ACCR=Aluminium Conductor Composite Reinforced) gesetzt, die der Technologiekonzern 3M aus Minneapolis im US-Bundesstaat Minnesota herstellt. Sie vertragen noch höhere Temperaturen. Allerdings sind die Versuchsstrecken alle kürzer als die von RWE.
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