„Turbine mit der Sonne vermählen“
„Turmanlagen sollen mit Gas- und Dampfkraftwerken vermählt werden, um den Markteintritt zu erleichtern.“
Eisenbeiß: Recht gut. Denn mehrere Länder haben günstige Rahmenbedingungen geschaffen. So etwa Spanien: Seit Anfang dieses Jahres erhalten dort thermische Solarkraftwerke bis 50 MW eine Einspeisevergütung von 43 Pf/kWh. Und Ägypten plant, den Kraftwerkszubau zum Teil auf Anlagen dieses Typs abzustützen.
VDI nachrichten: Können die Öffnung der Grenzen für Stromexporte und -importe sowie der Netzzugang für private Erzeuger der Solarthermie den Weg bereiten?
Eisenbeiß: Thermische Solarkraftwerke wird es in Deutschland nicht geben. Gleichwohl stellen wir die Frage: Wie können diese Kraftwerke eines Tages zur Stromversorgung in Mitteleuropa beitragen? Ich kann mir vorstellen, daß die EU für den gemeinsamen Markt Durchleitungsregeln schafft – so wie wir sie derzeit in Deutschland einführen. Ein Kraftwerksbetreiber in Südeuropa könnte dann in deutsche grüne Tarife hineinliefern und so einen höheren Erlös erzielen als in seinem Land. Umgekehrt könnten deutsche Naturstromanbieter feststellen, daß Solarstrom aus Kraftwerken im Süden billiger angeboten wird als in Deutschland, etwa aus Photovoltaik vom Dach.
VDI nachrichten: Worin bestehen bei Sonnenkraftwerken die Forschungsziele?
Eisenbeiß: Kosten senken und nochmals Kosten senken. Denn thermische Solarkraftwerke sind – wie alle anderen Techniken zur Nutzung erneuerbarer Energien – betriebswirtschaftlich noch nicht wettbewerbsfähig. Bei den Rinnenkraftwerken kommt es darauf an, die Komponenten einfacher zu gestalten sowie den Öl-Kreislauf einzusparen. Das senkt die Investitionskosten und ermöglicht zudem höhere Wirkungsgrade als jetzt. Deshalb testen wir derzeit in Almería die Direktverdampfung des Wassers im Solarfeld.
VDI nachrichten: Und worauf kommt es bei Turmkraftwerken an?
Eisenbeiß: Bei ihnen besteht das Ziel darin, die Sonnenwärme in die Brennkammer von Gasturbinen hineinzubringen. Denn dann können wir auch für die Sonnenenergie die hohen Wirkungsgrade von Gas- und Dampfturbinen-Kraftwerken nutzen.
VDI nachrichten: Sie verfolgen das Refos-Konzept, um dies zu erreichen.
Eisenbeiß: Richtig. Um die Sonne mit der Gasturbine zu vermählen, soll die Verbrennungsluft solar vorgeheizt werden. Dadurch benötigt die Brennkammer weniger Brennstoff. Wir hoffen jetzt, in Almería daran weiterarbeiten zu dürfen. Zugleich testen wir in einem EU-Projekt die solare Reformierung von Erdgas. Dessen so erhöhter Energieinhalt wird ebenfalls in einer Brennkammer genutzt. Wir können übrigens auch für die kleinen Dish-Stirling-Anlagen zeigen, daß Gaszufeuerung möglich ist.
VDI nachrichten: Sie setzen also bei allen solarthermischen Technologien auf eine Hybrid-Strategie.
Eisenbeiß: Ja. Denn thermische Solarkraftwerke bieten den Vorteil, daß die gleichen Wandlungsaggregate, also Turbinen und Generatoren, verwendet werden können wie bei fossil befeuerten Anlagen. Das spart Investitionskosten, ebenso teure Speicher und ermöglicht es, Strom zu liefern, wenn er gebraucht wird – also nicht nur dann, wenn die Sonne scheint. Überdies erleichtert die Hybrid-Strategie den Markteintritt der Solarkraftwerke, weil die Spiegelfelder zunächst klein sein können. Das erleichtert die Finanzierung der Projekte.
VDI nachrichten: Der Erzeugerpreis für 1 kWh Strom aus Kohle, Öl oder Gas bewegt sich derzeit zwischen 6 Pf und 10 Pf. Und bei thermischen Solarkraftwerken?
Eisenbeiß: Bei idealer Sonneneinstrahlung können diese Anlagen 1 kWh für weniger als 20 Pf produzieren. Die Kosten lassen sich durch industrielle Reifung und weitere Forschung und Entwicklung senken. Die Branche traut sich zu, an idealen Standorten einen Erzeugerpreis von wenig mehr als 10 Pf/kWh zu erreichen, sofern dort neue Solarkraftwerke gebaut werden. Als Hybrid-Kraftwerk ausgelegt, erhöht sich dann der Misch-Strompreis nur noch marginal.
VDI nachrichten: Solch ein Erzeugerpreis liegt für die Photovoltaik noch in weiter Ferne. Trotzdem erfährt die Solarthermie noch zuwenig Aufmerksamkeit. Was sind die Gründe dafür?
Eisenbeiß: Thermische Solarkraftwerke können in Deutschland nicht errichtet werden deshalb bleiben sie für die Öffentlichkeit unsichtbar – anders als Wind- und Photovoltaik-Anlagen. Das mag die Motivation der Förderer neuer Energietechniken hierzulande dämpfen. Aber diese Anlagen sind unverzichtbar für eine glaubwürdige Energie- und Klimaschutzpolitik, die ja weltweit auszurichten ist und gute Chancen für den Export bieten sollte. Wir arbeiten deshalb daran, diesen Mangel an Aufmerksamkeit zu beseitigen.
GÜNTER EINHAUS
Gerd Eisenbeiß: „Kosten senken und nochmals Kosten senken.“
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