Umrichter soll Schaltzentrale im Offshore-Windrad werden
Die Kritiker sind längst verstummt. Der Einsatz von Leistungselektronik in leistungsstarken Windenergie-Anlagen ist Standard. Sie kann Spannungshöhe und Frequenz kontrollieren und dadurch Einfluss auf die Drehgeschwindigkeit nehmen, um so einen optimalen Energieertrag herauszuholen. Die Möglichkeiten der Leistungselektronik sind noch längst nicht ausgeschöpft. Vor allem für Offshore-Windkraftanlagen.
Bei Windrädern auf hoher See dreht sich alles um Sicherheit und Funktionalität. Die Wartung einer Anlage unter solchen Umständen ist eine kostspielige Angelegenheit. Schäden an den Komponenten möglichst frühzeitig zu erkennen, ist das Ziel eines vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit rund 500 000 € geförderten Verbundprojektes namens „Wint-LES“.
„Kleine Fehler können im schlimmsten Fall zum Stillstand der Anlage und damit zu immensen Ertragseinbußen führen“, erklärt Holger Raffel, Geschäftsleiter des Bremer Centrums für Mechatronik, der die Federführung bei Wint-LES hat. Beteiligt sind außerdem die Windrad Engineering GmbH aus Bad Doberan und die Converteam GmbH aus Berlin. Würden Probleme mit Getriebe, Welle oder Lager rechtzeitig erkannt, könnten Zeit und Geld gespart werden.
Die Forscher stehen mit ihrer Arbeit noch am Anfang. Doch die Ziele sind hoch gesteckt. Statt wie bisher einzelne Komponenten über ein Condition Monitoring System (CMS) auf Fehler zu überprüfen, wollen sie durch eine Erweiterung der Leistungselektronik ein komplettes Verbundsystem schaffen, in dessen Zentrum ein intelligenter Frequenz-
umrichter steht. Das Team hat dabei langfristig ein intelligentes Netzwerk vor Augen, das robust und vor allem zuverlässig funktioniert. Raffel: „Wir schauen weit über den Tellerrand hinaus.“
Die Leistungselektronik ist das Teilgebiet der Elektrotechnik, welches die Umformung und die Verteilung elektrischer Energie mit elektronischen Bauelementen und Systemen umfasst. Auf der Hannover Messe gehört die Branche zu den traditionellen Ausstellern.
Ihre Produkte werden als Schlüsseltechnologie zur effizienten Ressourcennutzung gesehen. Leistungselektronik definiert sich über die Aufgabe, nicht über die Leistung und ist eine Querschnittsdisziplin, die heute in fast allen elektronischen Produkten zu finden ist.
Die Schwierigkeit für Raffel besteht darin, einen Blick ins Innere der einzelnen Komponenten zu werfen, um ein Diagnosesystem auf Basis mathematischer Methoden zu entwickeln. „Die Daten sind alle sehr sensibel“, so Raffel. Denn Hersteller geben nur ungern ihr Know-how preis.
Eine uneingeschränkte Transparenz stößt daher nicht auf ungeteilte Begeisterung. Auch können nicht unbegrenzt Daten gesammelt werden. Über die Leistungselektronik werden lediglich Wechselwirkungen zwischen Mechanik und Elektronik ermittelt.
Die Möglichkeiten der Umrichter sind längst nicht ausgeschöpft. Bisher sorgen sie dafür, dass der Strom optimal gewonnen und leistungsgerecht ins Netz eingespeist wird. „Wir erweitern die Funktionalität – das hat bisher niemand gemacht“, erklärt Raffel. Das hat einen Grund: Bisher war der Bedarf einfach nicht vorhanden. Erst mit dem Ausbau der Offshore-Windenergie wächst das Interesse an Zusatzinformationen.
Raffel ist davon überzeugt, dass aus einem Umrichter noch viel mehr herauszuholen ist, wenn die dafür notwendige Software im Mikrocomputer des Umrichters hinterlegt ist. Nach heutigem Stand der Technik sind jedoch weder Hard- noch Software dafür ausgelegt, eine komplexe Zustandsanalyse durchzuführen.
Ein weiterer Aspekt des Wint-LES-Projektes ist, nach dem Erkennen von Fehlern direkt auf den Betrieb einzuwirken. So könnten zum Beispiel durch eine Drosselung der Windkraftanlage die Auswirkungen des Schadens reduziert und damit einem möglichen Ausfall der Anlage vorgebeugt werden.
Die Leistungselektronik, die es der Windenergie erlaubt, bei variabler Drehzahl eine feste Frequenz ins Netz einzuspeisen, beschäftigt auch Reiner Schütt, Professor an der Fachhochschule Westküste in Heide. Er forscht daran, Windenergieanlagen für eine gleichmäßige Spannung im Netz zu nutzen und damit für eine gleichbleibende Qualität zu sorgen. Denn: Steigt der Energiebedarf plötzlich stark an oder fällt er ab, kommt es zu Netzspannungsschwankungen. Durch eine optimale Steuerung der Windkraftanlagen könnten diese nach Ansicht von Schütt ausgeglichen werden.
„Wir wollen die Anlagen dazu nutzen, um die Qualität der Spannung aufrechtzuerhalten.“ Bisher liegt die Steuerung in den Händen der Kraftwerke – die eher langsam reagieren. Über eine intelligente Leistungselektronik in Windanlagen ist dies aus Sicht von Schütt wesentlich schneller zu lösen. Doch auch er steht erst am Anfang des Forschungsprojektes. „Welche Möglichkeiten die Leistungselektronik noch aufzeigt, wissen wir noch nicht.“ ANGELA SCHMID
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