Unter dem Ruhrgebiet entsteht ein riesiger Energiespeicher in der Erde
Noch fahren die Bergleute in der Zeche in Bottrop in die Tiefe, um Steinkohle zu fördern. Schon bald könnten die Stollen zu Energiespeichern werden. Denn die Zeche Prosper-Haniel ist ein optimaler Standort für ein Pumpspeicherkraftwerk. Direkt unter dem Ruhrgebiet. In 600 m Tiefe.
Hohe Berge, eigentlich unabdingbare Voraussetzung für den Bau von Pumpspeicherkraftwerken, sucht man in Bottrop vergebens. Trotzdem soll dort ein riesiges Kraftwerk gebaut werden – in der Erde. Und wo? Im Bergwerk Prosper-Haniel. Dort wird noch bis 2018 Steinkohle gefördert – dann kommt das Wasser.
Grünes Licht für die Pläne gab es jetzt von den Ingenieuren und Geologen der Universitätsallianz Ruhr, zu der sich Forscher an den Universitäten Duisburg-Essen und Bochum zusammengeschlossen haben. Seit 2012 untersuchen die Wissenschaftler die Zeche. Das Ergebnis: Sie ist geeignet.
Strom für 450.000 Haushalte
Mehr als 1.100 m tief ist das Bergwerk. Dort unten ist viel Platz für Wasser. Das wird, wenn die Anlage fertig ist, mit überschüssigem Wind- und Solarstrom hochgepumpt und in einem See gelagert, der noch gebaut werden muss.
Bei Strommangel schießt das Wasser in die Tiefe. Dabei treibt es einen Turbogenerator an. „Wir gehen von einem Speichervolumen von 600.000 Kubikmetern aus. Das heißt, bei voller Ladung bekäme man vier Stunden lang eine Leistung von ca. 200 Megawatt“, sagt Professor André Niemann, Leiter des Instituts für Wasserbau und Wasserwirtschaft an der Universität Duisburg-Essen, der die Untersuchungen leitet. Er rechnet damit, dass in den vier Stunden 800.000 kWh Strom erzeugt werden können.
Prosper-Haniel wäre das Pumpspeicherkraftwerk mit der größten Höhendifferenz der Welt. Die Fallhöhe des Wassers zwischen See und Turbinen soll rund 600 m betragen. Das mögliche Leistungspotenzial schätzt die RAG, die das Bergwerk betreibt, auf rund 360 MW. Daraus ergäbe sich eine mögliche Gesamtleistung des Speicherkraftwerks von etwa 900 Gigawattstunden (GWh) im Jahr, so die RAG.
Die weltweit leistungsstärkste Anlage ist das Pumpspeicherkraftwerk Bath County in den USA mit rund 3000 MW Leistung und einer Fallhöhe von über 380 m. Als größte deutsche Anlage mit 1060 MW Leistung und einer Fallhöhe von rund 350 m arbeitet seit 2003 das Pumpspeicherwerk Goldisthal in Thüringen. Für den Bau seines Oberbeckens wurde eine ganze Bergspitze abgetragen: Der künstliche See hat eine Fläche von 55 Hektar und kann zwölf Millionen Kubikmeter Wasser speichern.
Wie sich Überschussstrom speichern lässt
Pumpspeicherkraftwerke, bislang vor allem in bergigen Regionen gebaut, erreichen derzeit eine Leistung von rund 7.000 MW. Dazu kommen Großbatterien wie in Feldheim in Brandenburg oder in Schwerin sowie Power-to-Gas-Anlagen, in denen mit Überschussstrom synthetisches Erdgas erzeugt wird.
Ab 2020 wird zudem norwegische Wasserkraft Lücken in Deutschland stopfen. Dann geht das Seekabel Nordlink in Betrieb, das 1400 Megawatt übertragen kann. Bei Stromüberschuss in Deutschland fließt Strom in die andere Richtung, sodass Norwegen seine Wasservorräte schonen kann. All das dient der Sicherung der Stromversorgung. Denn das Netz kann sowohl bei Stromüberschuss als auch bei Strommangel zusammenbrechen.
Speicherpotenzial auch in Harz, Siegerland und Erzgebirge
Im Ruhrgebiet gab es in Spitzenzeiten 180 Zechen. Bis auf zwei sind alle geschlossen, viele abgesoffen, wie es bergmännisch heißt. Sie sind voll Wasser gelaufen, was sie für eine Nutzung als Pumpspeicherkraftwerk allerdings nicht prädestiniert. Nur Bergwerke, deren Geologie genau bekannt ist, lassen sich für diesen Zweck nutzen.
2011 hat das Energie-Forschungszentrum Niedersachsen, das der Technischen Universität Clausthal-Zellerfeld angeschlossen ist, andere Ex-Bergwerke auf ihre Eignung als Pumpspeicherkraftwerke untersucht. Der damalige Projektleiter Marko Schmidt hat allein im Harz, in dem hunderte Jahre lang Bergbau betrieben wurde, 100 mögliche Standorte gefunden. Weitere entdeckte er im Siegerland und im Erzgebirge. Diese Bergwerke sind nicht abgesoffen, weil sie geologisch anders strukturiert sind, sodass sie nicht absaufen konnten.
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