USA auf dem Weg zur Energieautonomie
Der weltweite Energieverbrauch kennt nur eine Richtung – nach oben. Der Energiebedarf werde von 12,38 Mrd. Tonnen Öläquivalent (toe) im Jahr 2010 auf 16,73 Mrd. toe 2035 steigen. Haupttreiber dabei ist China, gefolgt von Indien und dem Nahen Osten. Der Energiebedarf der Industrieländer werde in der gleichen Zeit nur um insgesamt 3 % zunehmen. So das Ergebnis des World Energy Outlook 2012 der Internationalen Energieagentur.
Dramatische Veränderungen der globalen Energielandschaft zeichnen sich ab: Schon im Jahr 2020 könnten die USA Saudi Arabien als größten Erdölproduzenten ablösen, so der zu Beginn dieser Woche in London vorgestellte World Energy Outlook (WEO) 2012 der Internationalen Energieagentur IEA.
Bis 2030 könnten sich die USA sogar zu einem Nettoexporteur von Öl entwickeln. Die USA, die derzeit nach dem WEO gut 20 % ihres Bedarfs an Energie importieren, wären so auf dem Wege zu einer Energieautonomie. Das spielt auch US-Präsident Barack Obama in die Hände, der im Wahlkampf die Unabhängigkeit von Ölimporten als politisches Ziel formuliert hatte.
Diese Entwicklung hätte zugleich erhebliche geopolitische Konsequenzen: Die USA wäre politisch weniger an die Öl produzierenden Länder gebunden, der Ölhandel würde sich stärker in Richtung der asiatischen Märkte entwickeln: Fast 90 % aller Ölexporte aus dem Nahen und Mittleren Osten dürften bis 2035 nach Asien gehen.
Die allmähliche Energieautonomie der USA würde aber die Rolle der Opec-Staaten nicht schwächen: Ihr Anteil an der globalen Ölproduktion, so der WEO, soll von derzeit 42 % auf 50 % nach 2020 steigen.
World Energy Outlook (WEO) 2012: Bedeutung neuer Energiequellen wird zunehmen
In Zukunft werden bei der globalen Energieversorgung neue Energiequellen wie Ölsande und Schiefergas eine wesentliche Rolle spielen. Ein weiterer Faktor wird die zunehmende Energieeffizienz sein, betonte IEA-Exekutivdirektorin Maria van der Hoeven bei der Vorstellung des fast 700 Seiten umfassenden WEO.
Laut IEA bremsen hohe Energiepreise das Wirtschaftswachstum stark ab. Die Unterschiede in den Gaspreisen zu Nordamerika träfen sowohl Europa, wo Gas fünfmal so viel kostet wie in den USA, wie auch Asien, wo die Gaspreise beim Achtfachen des US-Niveaus liegen.
Schiefergas könnte hier Abhilfe schaffen, habe aber – politisch bedingt – neben Nordamerika hauptsächlich in Australien und China Chancen, kaum in Europa. Die USA könnten sich schon 2020 zum Nettoexporteur von Gas wandeln.
Die wachsende Rolle, die sowohl Gas aus unkonventionellen Quellen als auch verflüssigtes Erdgas, Liquefied Natural Gas (LNG), künftig spielen, übe auch Druck auf die herkömmlichen Lieferanten wie Russland aus. Die einst übliche Bindung der Gas- an die Ölpreise ließe sich angesichts der steigenden LNG-Mengen kaum noch durchhalten.
WEO 2012 beurteilt nachhaltige Energien mit Skepsis
Pessimistische Töne schlägt die IEA für die Entwicklung einer nachhaltigen Energiepolitik an: „Selbst wenn man alle neuen Entwicklungen und politischen Strategien einbezieht, schafft die Welt es bisher nicht, das globale Energiesystem auf einen nachhaltigeren Weg zu bringen“, so der WEO.
So dominieren weltweit nach wie vor fossile Energieträger – was nicht zuletzt seinen Grund darin hat, dass es für diese noch immer die meisten Subventionen gibt: Sie sind, so der WEO, von 2010 auf 2011 sogar noch einmal um 30 % auf 523 Mrd. $ gestiegen, was nach WEO-Angabe das Sechsfache dessen ist, was an Subventionen in erneuerbare Energien floss. Trotz mancher Anstrengungen in westlichen Industrieländern erreichten so die CO2-Emissionen Rekordhöhen, während in vielen Ländern erneuerbare Energien unter den Druck leerer Staatskassen gerieten.
Wenn die regenerativen Energieträger bis 2035 wirklich neben Kohle zur wichtigsten Energiequelle aufsteigen sollten, müssten deshalb viel mehr Subventionen fließen als bisher. Die 2011 gezahlten Subventionen von weltweit 88 Mrd. $ sollen bis 2035 auf 240 Mrd. $ steigen. Der WEO erwartet aber, dass diese Ausgaben über die Jahre an die Kostenstrukturen der erneuerbaren Energien angepasst werden, um übermäßige Belastungen für die Regierungen und die Verbraucher zu vermeiden.
WEO 2012: Zurückhaltung in puncto Kernkraft
Der globale Strombedarf wird bis 2035 um 70 % auf fast 32 000 TWh steigen, so die Studie. China und Indien sind allein für die Hälfte dieses Wachstums verantwortlich.
Kohle wird weltweit die Hauptquelle für die Stromgewinnung sein. Nach der Reaktorkatastrophe in Japan geht die IEA von einem langsameren Wachstum der Kernkraft aus, ist aber zurückhaltend mit detaillierten Prognosen. Weltweit werde die installierte Kapazität 580 GW erreichen. Der WEO 2011 ging allerdings noch von 630 GW aus. Neue Kernkraftwerke entstünden vor allem in China, Korea, Indien und Russland. Der Anteil der Kernkraft an der globalen Stromgewinnung soll langfristig jedoch fallen.
Ein Beitrag von: