Vanillin und KI sollen Stromspeicher umweltfreundlich und effizient machen
Im Jahr 2020 hat ein Forschungsteam der TU Graz einen Stromspeicher auf Basis von Vanillin vorgestellt. Aktuell entsteht ein mit Künstlicher Intelligenz optimierter Prototyp, der äußerst umweltverträglich und zudem sehr effizient sein soll.
Im Jahr 2020 erzielte Stefan Spirk vom Institut für Biobasierte Produkte und Papiertechnik der TU Graz einen Durchbruch im Bereich nachhaltiger Energiespeichertechnologien. Gemeinsam mit seinem Team gelang es ihm, Redox-Flow-Batterien umweltfreundlicher zu machen, indem er die redoxaktiven Elemente durch herkömmliches Vanillin ersetzte. Durch diesen Ansatz konnte auf kritische oder umweltschädliche Rohstoffe verzichtet werden. Doch mit der Einführung des neuen Speichermediums ist die Arbeit nicht beendet. Stefan Spirk forscht weiter mit dem Ziel, einen nachhaltigen und effizienten Stromspeicher auf Vanillinbasis zu entwickeln. Die primären Einsatzgebiete dieses fortschrittlichen Speichers sind der industrielle Bereich und die Speicherung von überschüssigem Strom aus erneuerbaren Energiequellen.
Blick zurück ins Jahr 2020
Es ist ein „bahnbrechender Erfolg im Bereich nachhaltiger Energiespeicher-Technologien“, formulierte es Stefan Spirk vom Institut für Biobasierte Produkte und Papiertechnik der TU Graz im Jahr 2020. Mit seinem Team ist es Spirk gelungen, Redox-Flow-Batterien nachhaltiger zu machen. Sie ersetzten die flüssigen Elektrolyte, die oft aus ökologisch bedenklichen Schwermetallen oder Seltenen Erden bestehen, durch herkömmliches Vanillin – dieselbe Substanz, die auch in Vanillekipferln enthalten ist.
Vanillin, bekannt als weit verbreiteter Aromastoff, gehört zu den seltenen Feinchemikalien, die aus Lignin gewonnen werden. Spirk und seine Kolleginnen und Kollegen haben Vanillin mit sanften und umweltfreundlichen chemischen Verfahren ohne giftige und teure Metallkatalysatoren in ein redoxaktives Material umgewandelt. Dieses kann in Flow-Batterien eingesetzt werden. Der Prozess läuft bei Raumtemperatur ab und kann mit alltäglichen Chemikalien durchgeführt werden. Außerdem ist Vanillin in großen Mengen verfügbar.
Spirk erklärt: „Einerseits können wir es im Supermarkt kaufen, andererseits aber auch mithilfe einer simplen Reaktion von Lignin abspalten, das wiederum in großen Mengen in der Papierproduktion als Abfall anfällt.“ Es folgt nun das Forschungsprojekt „VanillaFlow“, bei dem es darum geht, die Technik zu optimieren und die Stromspeicher effizient und umweltfreundlich zu machen. Am Projekt beteiligt sind neben weiteren Instituten der TU Graz auch das im Science Park Graz beheimatete Start-up Ecolyte von Stefan Spirk sowie viele andere Projektpartner.
So sollen die Prozesse und Komponenten besser werden
Im Rahmen des Projekts „VanillaFlow“ steht die Optimierung sämtlicher Speicherkomponenten und -prozesse im Fokus. Hierzu zählen nicht nur die Vanillin-Verbindungen als Speichermedium, sondern auch Membran, Elektrode und Steuerung. Künstliche Intelligenz und Machine Learning kommen zum Einsatz, um in deutlich kürzerer Zeit Modelle für potenzielle Vanillin-Verbindungen zu prognostizieren. Nach dieser Vorauswahl werden die vielversprechendsten Modelle im Labor entwickelt und geprüft, um die optimale Speicherflüssigkeitszusammensetzung zu ermitteln.
Bei der Weiterentwicklung von Membran und Elektrode liegt der Schwerpunkt darauf, bisherige umweltschädliche Materialien durch nachhaltige Alternativen zu ersetzen. Während bislang für Membranen die Teflon-Modifikation Nafion genutzt wurde, gibt es jetzt eine auf Papier basierende Membran, die stetig verbessert wird und für die bereits ein Patent beantragt wurde. In Bezug auf die Elektrode fokussiert das Team auf ein Kohlenstoff-Vlies, welches dank Komprimierung einen reduzierten Widerstand aufweist und weniger Ablagerungen bildet. Ziel ist es, durch innovative Beschichtungen und Behandlungen die Leistungsfähigkeit weiter zu steigern.
Digitaler Zwilling hilft beim Feintuning
Anstatt alle möglichen Variationen von Speichermedium, Membran und Elektrode physisch herzustellen, werden digitale Technologien zur Vorabprüfung eingesetzt. Ein digitaler Zwilling ermöglicht es, das Zusammenspiel der einzelnen Komponenten vorab virtuell zu testen. Parallel dazu wird die Speichersteuerung weiterentwickelt, um den Betrieb zu optimieren.
Die so gewonnenen virtuellen Ergebnisse werden mittels künstlicher Intelligenz mit den Daten aus dem VanillaFlow-Projekt verknüpft. Zusätzlich werden techno-ökonomische und ökologische Bewertungen durchgeführt, um sicherzustellen, dass der Speicher sicher und gesetzeskonform ist und das Endprodukt für Mensch und Umwelt unbedenklich ist.
Speicherleistung vorerst auf 10 kW beschränkt
Sobald der erste KI-Prototyp fertiggestellt ist, soll er in das Netzwerk der TU Graz integriert werden. Die Speicherleistung ist vorerst auf maximal 10 kW beschränkt, kann aber für zukünftige Nutzer je nach Bedarf skaliert werden. „Als wir vor rund drei Jahren Vanillin für die Nutzung in Redox-Flow-Batterien nutzbar gemacht haben, war uns klar, dass dies erst der Anfang auf dem Weg zu einem umweltfreundlichen und effizienten Stromspeicher für Anwender*innen aus Industrie und Energieerzeugung war“, sagt Stefan Spirk.
„Indem wir jetzt auf Basis dieses Speichermediums mit Hilfe von KI einen nachhaltigen Stromspeicher von A bis Z designen, testen und letztendlich auch fertigen, setzen wir den nächsten wichtigen Schritt. Wenn wir dann einen Speicher ohne schädliche Materialien, ohne seltene Rohstoffe, aber mit hoher Effizienz und Sicherheit für Mensch und Umwelt entwickelt haben, ist das ein wichtiges Puzzlestück für die weitere Dekarbonisierung des Energiesystems und der Industrie.“
Das Team von VanillaFlow
Ulrich Hirn, Leiter des Instituts für Biobasierte Produkte und Papiertechnik, übernimmt die Projektleitung von VanillaFlow an der TU Graz. In Kooperation mit der TU Darmstadt treibt er die Entwicklung von papierbasierten, protonenleitenden Membranen voran und unterstützt das Ecolyte-Team. Für die Expertise im Bereich des maschinellen Lernens sind die Informatiker der TU Graz verantwortlich: Roman Kern vom Institut für Interaktive Systeme und Datenwissenschaft und Robert Peharz vom Institut für Grundlagen der Informationsverarbeitung.
Das Institut für Molekulare Biotechnologie der TU Graz unter der Leitung von Harald Pichler beschäftigt sich mit der Erforschung nachhaltiger Synthesemethoden von Vanillinverbindungen. Das Kohlenstoffvlies für die Elektrode wird in einer Kooperation zwischen Ecolyte und der Montanuniversität Leoben weiterentwickelt. Die techno-ökonomische und ökologische Bewertung liegt in den Händen eines Teams um Günter Getzinger, Leiter des Departments für Wissenschaft, Technologie und Gesellschaft der TU Graz, und der spanischen Firma Biobide.
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