Vor 75 Jahren entdecken drei Forscher die Kernspaltung
Am 17. Dezember 1938 fand am Kaiser-Wilhelm-Institut für Chemie in Berlin das entscheidende Experiment statt, das zur Entdeckung der Kernspaltung führte. Otto Hahn und Fritz Straßmann beschossen damals eine Uranprobe mit abgebremsten Neutronen. Entscheidenden Anteil an der spektakulären Entdeckung hatte die Physikerin Lise Meitner.
Die Entdeckung, die Institutsdirektor Otto Hahn und sein Assistent Fritz Straßmann im Dezember 1938 machten, war für die beiden Wissenschaftler zunächst völlig rätselhaft. Seit Monaten hatten die beiden Chemiker in ihrem Labor Uran-Atomkerne mit Neutronen beschossen und erwartet, dass dabei sogenannte Trans-Urane entstehen würden, die weiter erforscht werden sollten. Man ging damals davon aus, dass durch die Bestrahlung mit Neutronen nur Elemente entstehen könnten, die sich wenig vom Ausgangselement unterschieden und dass die Spaltung eines Atomkernes generell unmöglich sei.
Erklärung für die Teilung des Atomkerns lieferte Lise Meitner
Statt des schweren Trans-Uran finden Hahn und Straßmann jedoch ein viel leichteres Isotop. Sie halten es für Radium. Aber auch diese Erklärung hält der Überprüfung nicht stand. Zwei Tage nach dem Experiment schreibt Otto Hahn an die befreundete Physikerin Lise Meitner, mit der er in regelmäßigem Briefkontakt steht. „Es könnte noch ein höchst merkwürdiger Zufall vorliegen. Aber immer mehr kommen wir zu dem schrecklichen Schluß: Unsere Radium-Isotope verhalten sich nicht wie Radium, sondern wie Barium. … Vielleicht kannst Du irgendeine phantastische Erklärung vorschlagen.“
Nicht umsonst wandte sich Hahn an Lise Meitner, denn sie hatte entscheidenden Anteil an den Experimenten und überhaupt erst den Anstoß dazu gegeben. 1926 war die in Wien geborene Meitner mit einer außerordentlichen Professur für Kernphysik Deutschlands erste Physikprofessorin geworden. Mit Otto Hahn forschte sie über viele Jahre hinweg in Berlin. Wegen ihrer jüdischen Vorfahren entzogen die Nationalsozialisten ihr jedoch 1933 die Lehrerlaubnis. 1938 floh sie ins Exil nach Schweden, wo sie am Stockholmer Nobel-Institut für Physik weiterforschte.
Der Brief mit der Bitte um eine „phantastische Erklärung“ erreicht Lise Meitner also in Stockholm. Die Kollegen in Berlin hatten nicht Radium, sondern Barium, das nur halb so schwer ist wie Uran, erhalten. Die offenbar durch den Neutronenbeschuss ausgelöste Teilung des Atomkerns war nach damaligem Wissensstand unmöglich. „Wir wissen dabei selbst, dass es eigentlich nicht in Ba zerplatzen kann“, hatte Hahn in seinem Brief geschrieben. Dass aber genau das passiert und der Kern gespalten worden war, konnte Meitner über die Weihnachtsfeiertage mit ihrem Neffen Otto Robert Frisch in Schweden klären.
Nobelpreis für Otto Hahn, die anderen Forscher gehen leer aus
Grundlage für die Erklärung bildete eine damals neue Theorie, die den Atomkern mit einem elektrisch geladenen Tröpfchen vergleicht. Demnach bleibt der Atomkern stabil, weil die anziehende Kernkraft zwischen den Protonen und Neutronen stärker ist als die abstoßende elektrische Kraft zwischen den Protonen.
Bei den Kernen schwerer Elemente wie dem Uran ist dieser Zusammenhalt allerdings nur schwach. Eine kleine Störung wie der Beschuss eines Neutrons in Hahns Experimenten genügt, um ihn zum Schwingen zu bringen. Durch diese Schwingung wird der Tropfen eingeschnürt und der Kern zerreißt an der engsten Stelle in zwei Bruchstücke, die einander heftig abstoßen und eine enorme Bindungsenergie freigeben. Die Erklärung von Meitner und Frisch wird am 11. Februar 1939 in der Zeitschrift „Nature“ veröffentlicht. 1944 erhält Otto Hahn für seine Entdeckung des Nobelpreis für Chemie, Straßmann, Meitner und Frisch gehen leer aus.
Bereits kurze Zeit später macht sich die Industrie und das Militär die Entdeckung, dass bei der Spaltung neue Neutronen entstehen, die in einer Kettenreaktion wiederum Atomkerne spalten können, zunutze. 1942 geht der erste Kernreaktor in Chicago in Betrieb, im August 1945 zerstört die US-Luftwaffe mit der Atombombe die japanischen Städte Hiroshima und Nagasaki.
Otto Hahn bedauert später immer wieder öffentlich, dass seine Entdeckung als Waffe missbraucht wird und bezeichnete die Nutzung der Kernspaltung für militärische Zwecke als „Schweinerei“. Er und Straßmann gehörten zu den Unterzeichnern des Göttinger Manifests von 1957 gegen strategische Atomwaffen und auch Lise Meitner war immer gegen die Atombombe und für die friedliche Nutzung der Atomenergie.
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