Wärme für Malmö aus 7.000 Metern Tiefe
E.ON bereitet den Bau der ersten von 5 Anlagen vor. Sie sollen dazu beitragen, das Ziel einer emissionsfreien Stadt bis 2030 zu erreichen. In Deutschland rangiert die Energie aus dem Untergrund eher unter „ferner liefen“.
Auf dem Weg zur Großstadt ohne Emissionen – ein Ziel, das spätestens 2030 erreicht werden soll, zapft Malmö jetzt den Untergrund an. Tiefe Geothermie soll in das Fernwärmenetz eingespeist werden. Die Anlage, die der deutsche Energiekonzern E.ON baut, wird Erdwärme in einer Tiefe von 5 bis 7 Kilometern nutzen. Dort erwarten die Experten des Münchner Unternehmens eine Temperatur von 160 Grad Celsius. In Bohrloch eins wird Wasser gepumpt, das sich in der Tiefe erhitzt und durch ein zweites Bohrloch wider austritt. Über einen Wärmetauscher wird die Energie ins Fernwärmesetz eingespeist.
Vorbild ist eine Geothermieanlage in Finnland
E.ON investiert in der südwestschwedischen Metropole 5,4 Millionen Euro. Das schwedische Energieministerium unterstützt den Bau mit 1,2 Millionen Euro. Für die Bohrung ist das finnische Unternehmen ST1 zuständig, das bereits einschlägige Erfahrungen hat. Es ließ im finnischen Espoo eine 6,4 Kilometer tiefe Bohrung niederbringen. Das Kunststück gelang dem Brunnenbauunternehmen H. Angers Söhne aus Hessisch-Lichtenau. Es ist weltweit die tiefste Bohrung zur Nutzung geothermischer Energie.
In Espoo wurden genau gesagt zwei Bohrungen niedergebracht. In die eine wird Wasser eingepresst, das in der Tiefe erhitzt wird und aus dem zweiten Bohrloch wieder austritt. Die Wärmeenergie wird per Wärmetauscher ins Fernwärmenetz eingespeist. Mit der 40-Megawatt-Anlage lassen sich 10 % des Bedarfs der 280.000-Einwohner-Stadt decken.
Temperatur von 160 Grad soll genutzt werden
Ob die Hessen auch in Malmö zu Zug kommen ist noch offen. Die Herausforderung ist dort möglicherweise noch größer als in Finnland. Geplant ist, auf eine Tiefe von bis zu 7.000 Metern zu kommen. Dort, so hofft E.ON, liegt die Temperatur bei 160 Grad Celsius. Die Leistung soll 50 Megawatt erreichen. Bis 2028 will der Konzern dort 4 weitere Geothermieanlage mit der gleichen Leistung bauen. Tiefengeothermie ist ressourcenschonend, emissions- und lärmfrei sowie raumsparend und damit eine der besten Lösungen für städtische Energiesysteme der Zukunft“, sagt Marc Hoffmann, CEO von E.ON Schweden.
In Deutschland geht es um weit geringere Tiefen
„Von den Erkenntnissen können wir auch in Deutschland sehr profitieren, wenn es darum geht, mit Tiefen von mehr als 5.000 Metern noch höhere Temperaturen nutzen zu können“, sagte Erwin Knapek, Präsident des Bundesverbandes Geothermie. Tatsächlich gibt es einige Anlagen, die Erdwärme nutzen. Vor allem mit Süddeutschland dürfte Knapek zufrieden sein. Allein die Stadtwerke München betreiben 5 Anlagen für die Fernwärmeerzeugung, eine sechste wird gerade mit Probebohrungen vorbereitet. Die Bohrtiefen sind allerdings weit geringer als bei den Projekten in Skandinavien.
Gleich jenseits der Stadtgrenze betreibt die GEOVOL Unterföhring GmbH ebenfalls eine Geothermieanlage. Hier wird heißes Thermalwasser an die Oberfläche gepumpt. Nachdem es seine Wärmeenergie abgegeben hat fließt es wieder in den Untergrund. Die Bohrtiefe beträgt hier bis zu 2.500 Meter – insgesamt sind 4 Bohrungen in Betrieb. Gut 2800 Haushalte werden mit der Wärme aus dem Untergrund versorgt, dazu 45 gewerbliche Kunden. Bis Ende 2019 hat die Anlage Laut Geovol 90.000 Tonnen Kohlendioxid eingespart.
Unterirdischer Wärmespeicher
In Neubrandenburg in Mecklenburg-Vorpommern entstand noch zu DDR-Zeiten eine Geothermieanlage zur Versorgung von Haushalten mit Wärme. Bis 2001 war sie nach umfassender Sanierung in Betrieb. Dann wurde die Anlage zu einem Tiefenspeicher für Wärmeenergie umgebaut. Überschüssige Abwärme des örtlichen Gas- und Dampfturbinenkraftwerks, die normalerweise über Kühltürme an die Atmosphäre abgegeben wird, wird im Sommer im Untergrund gespeichert, um im Winter als Heizenergie zurückgewonnen zu werden.
Seit 1995 wird in Neustadt-Glewe geothermische Energie aus einer Tiefe von 2.450 Metern genutzt. Zeitweise wurde die Wärme auch zur Stromerzeugung genutzt, ein bei den erreichten niedrigen Temperaturen jedoch unwirtschaftliches Verfahren.
In Staufen ist Geothermie verpönt
Auf Geothermie weniger gut zu sprechen sind die Bürger von Staufen in Baden-Württemberg. Probebohrungen führten 2007 zu massiven Bodenabsenkungen. 270 teilweise historisch wertvolle Häuser wurden beschädigt und mussten teilweise abgerissen werden. Damit es in Espoo keinen ähnlichen Ärger gibt – dort ist der Untergrund allerdings ein völlig anderer – hat der finnische Energiekonzern ST1 in den Bohrlöchern Sensoren installiert, die Mikrobeben registrieren, die bei geothermischen Projekten unvermeidlich sind. Sie dürfen jedoch einen bestimmten Grenzwert nicht überschreiten.
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