Wärme im U-Bahn-Tunnel als Energie einsetzen
Beim Bau von U-Bahn-Tunneln könnten auch in Deutschland künftig direkt Geothermieanlagen mitinstalliert werden, um die nähere Umgebung mit Energie aus Erdwärme zu versorgen. Wissenschaftler der Uni Stuttgart haben die U-Bahn-Linie 6 in Fasanenhof als Testanlage gestartet und umfangreiche Messungen vorgenommen.
Durch ihre großen, erdberührenden Flächen haben Tunnelbauwerke ein hohes geothermisches Potenzial. Das Befahren der Tunnel erwärmt das Erdreich in der direkten Umgebung, stellten Wissenschaftler der Universität Stuttgart in ihrem Forschungsprojekt fest. Mit geringen Zusatzkosten von etwa zwei Prozent kann nach ersten Schätzungen beim Neubau einer U-Bahn eine geothermische Anlage installiert werden, die als unterirdische erneuerbare Energiequelle für die Klimatisierung umliegender Gebäude genutzt werden kann. Büros, Wohnungen und Betriebe können im Winter beheizt und im Sommer gekühlt werden.
Die Stuttgarter Forscher haben beim Neubau eines Stadtbahntunnels in Stuttgart-Fasanenhof erstmals gleichzeitig eine Geothermieanlage installiert und als Testanlage gestartet. Ihre Untersuchungen zeigen, dass die Temperatur um den Tunnel herum in einer Entfernung von bis zu acht Metern beeinflusst wird.
Tunnelluft und Grundwasser beeinflussen Energiegewinnung positiv
Für die optimale Nutzung einer geothermischen Anlage müssen die Lufttemperaturen im Tunnel bekannt sein. Denn die Energiegewinnung wird besonders von der Tunnelluft sowie dem Grundwasser beeinflusst. Die Temperatur im Tunnel hängt stark ab von der Außenluft, der Strömungsgeschwindigkeit und anderen Wärmequellen wie der U-Bahn. Da die Temperatur der Luft im Tunnel infolgedessen stark schwankt, variiert auch die thermische Leistung.
Besonders im Frühling wirkt die Tunnelluft positiv, wenn das Erdreich noch kalt ist, sich die Luft dagegen schnell aufheizt. Dann kann an einem kalten Tag auf die Anlage mit größerer Heizleistung zurückgegriffen werden. Bei ansteigenden Temperaturen im Sommer kommt es hingegen zu einem Abfall der Kühlleistung eines Gebäudes.
Messungen an Baugrund, Bauwerk und Tunnelluft
Die Stuttgarter Wissenschaftler haben umfangreiche Messungen an Baugrund, Bauwerk und Tunnelluft durchgeführt. Untersucht wurden die Vor- und Rücklauftemperatur der Absorberkreise und der Massenströme im Tunnel. Weiterhin haben sie die Strömungsgeschwindigkeit der Tunnelluft gemessen, die thermischen Eigenschaften des Gesteins, Wärmeleitfähigkeit und die spezifische Wärmekapazität. Die Luftgeschwindigkeit im Tunnel informiert über den Wärmeübergang an der Innenseite der Tunnelschale.
Zweidimensionale numerische Wärmetransportberechnungen zeigen den Einfluss der Temperatur auf die Tunnelluft und die Leistungsfähigkeit der Anlage. Anhand der gewonnen Daten wählten die Forscher das Absorbersystem aus.
Technik der Absorberrohre von Rehau und Züblin
Die spezielle Technik zur Anbringung der Absorberrohre haben die Firmen Rehau und Züblin gemeinsam entwickelt. Die Absorberrohre wurden dabei in vorgefertigte Betonsegmente eingebracht. Ist ein vollständiger Segmentring installiert, werden die Absorberrohre an den Aussparungen verbunden. Diese auch „Energietübbing“ genannte Technik haben sich die Firmen patentieren lassen. Sie kann auch für den Bau von Tunneln für Straßenbahnen und Abwasser eingesetzt werden. In der Testanlage der U 6 in Stuttgart wurden die Absorberrohre zwischen den Spritzbetonschichten und der inneren Betontragschale platziert.
Die Tunnelröhren der Stuttgarter Stadtbahn wurden auf einer Länge von je zehn Metern mit Absorberleitungen ausgestattet. Die beiden Tunnelabschnitte liegen in Schichten von Sandstein und Tonstein und haben jeweils zwei Absorberkreisläufe. Sie sind über Anschlussleitungen mit einer Wärmepumpe im Betriebsraum der Haltestelle Europaplatz verbunden. Die Wärmetauscherrohre werden von einer Absorberflüssigkeit – einem Wasser-Mono-Ethylenglykol-Gemisch – durchströmt. Diese nimmt die im Baugrund gespeicherte und in der Tunnelluft enthaltene Wärme auf beziehungsweise gibt diese ab.
Im österreichischen Jenbach wird bereits ein Gebäude erfolgreich durch einen geothermisch aktivierten Tunnel beheizt. Dafür wurde ein 3,5 Kilometer langer Eisenbahntunnel auf 54 Metern mit Absorberleitungen ausgestattet. Der Eigenbedarf für die Heizung des Bauhofes der Gemeinde Jenbach konnte im ersten Winter komplett aus der Anlage gedeckt werden.
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