Wasserdruck am Meeresgrund soll Turbinen antreiben
Turbinenhallen am Meeresgrund sollen künftig dazu dienen, das schwankende Stromangebot von Wind und Sonne auszugleichen. Der gewaltige Wasserdruck am Ozeanboden soll die nötige Energie liefern, um solche Speicherbatterien im kühlen Nass rentabel zu machen.
Der Luftfahrt-Ingenieur Rainer Schramm hat ein plastisches Bild im Angebot: „Stellen Sie sich vor, Sie öffnen eine Luke in einem getauchten U-Boot. Das Wasser wird mit enormer Wucht ins Innere schießen – genau das ist die Energie, die wir nutzen wollen.“ Es ist der Druckunterschied zwischen dem Wasser am Meeresgrund und dem Innenraum einer Turbinenhalle, mit dem Schramm Energie erzeugen möchte.
Eine Batterie am Meeresgrund entsteht
So entsteht im Prinzip eine Batterie im Meer. Ganz ähnlich wie bei den Pumpspeicherkraftwerken, die an Land oft als künstliche Seen zu beobachten sind, soll der Stromspeicher am Meeresgrund Stromschwankungen ausgleichen helfen. An Land funktioniert das so: Wird mehr Strom in das Netz eingespeist, als verbraucht wird, so nutzt das Pumpspeicherkraftwerk genau diese überschüssige Energie. Es pumpt damit Wasser aus einem in einem Tal gelegenen Reservoir in ein höher gelegenes. Eine temporäre Batterie aus einem See ist damit entstanden, die überschüssige elektrische Energie ist in potentielle Energie von Wasser gespeichert. Denn wenn wieder mehr Strom nachgefragt wird, öffnet der Betreiber des Pumpspeicherkraftwerks die Schleusen: Das Wasser aus dem höher gelegenen See schießt durch Turbinen ins Talreservoir und speist den gewonnenen Strom ins Netz. Ein Regelkreislauf ist so entstanden, der optimal die Schwankungen der Energienachfrage abfedern kann.
Soweit, so bekannt, könnte man sagen. Aber die unterseeischen Turbinenhallen können genau dort installiert werden, wo sie benötigt werden: Dort, wo zum Beispiel all die Offshore-Windanlagen stehen werden, die für die politisch in Deutschland gewollte Energiewende ziemlich nötig sind. Schramm sagt, dass es ideal für den Wirkungsgrad seiner Turbinenhallen sei, wenn sie in einer Tiefe von 400 bis 800 Metern stehen. Wenn es mal wieder besonders heftig weht vor den Küsten, kann der Strom unten am Meeresgrund in der gefluteten Turbinenhalle zwischengespeichert werden, indem die Halle mit genau diesem überschüssigen Strom leer gepumpt wird. Herrscht Flaute vor der Küste, öffnen sich die Schleusen und das Wasser schießt in 800 Metern Meerestiefe mit 80 bar Wasserdruck durch die Turbinen ins Innere der Halle am Meeresgrund. Die Energie wird so gespeichert.
Strom für 200.000 Haushalte
Das Potential dieser gewaltigen Wassersäule, die auf der unterseeischen Turbinenhalle lastet, scheint enorm. Rainer Schramm hat errechnet, dass ein solches Speicherkraftwerk mit mehreren hintereinander geschalteten Turbinentanks rund 300 Megawatt Strom in acht Stunden liefern kann. Das ist viel, das reicht um 200.000 Haushalte zu versorgen. Der Forscher und Tüftler gibt die Speichereffizienz seines Kraftwerks am Meeresgrund mit 80 Prozent an. Das ist in etwa so gut, wie die herkömmlichen Pumpspeicherkraftwerke auf dem Land mit der Energieumwandlung und -speicherung zurechtkommen. An Land gibt es nur ein Problem und zwar ein ziemlich großes: Es gibt kaum noch Platz für Tal- und Bergseen, zwischen denen das Wasser wahlweise nach oben gepumpt wird oder nach unten rauscht.
Der Meeresgrund kann aber energietechnisch durchaus noch als weites Feld bezeichnet werden. Weil weite Teile der Nordsee, wo die vielen Offshore-Windparks entstehen sollen, viel zu flach sind, strebt Schramm mit seinen Turbinenhallen Richtung Norwegen. Dort im tieferen Meer will er seinen Prototypen bauen. „Schon viele haben die Idee gehabt, den Druck am Meeresboden zur Energiespeicherung zu nutzen“, sagt Schramm. „Aber wir sind weltweit die ersten, die eine patentreife Technologie entwickeln, um dieses auch tatsächlich möglich zu machen.“ Der Luftfahrt-Ingenieur hat für die Verwirklichung seiner Vision eigens eine Firma gegründet, die Subhydro AS mit Sitz in Oslo in Norwegen.
Es geht um den optimalen Beton
Nun geht es darum, die Idee voranzubringen. Deshalb hat Schramm eine Zusammenarbeit mit der norwegischen Forschungsorganisation SINTEF gestartet. Ziel dieser Kooperation ist es, einen speziellen Beton zu entwickeln, mit dem die Wände des Turbinentanks dünn aber trotzdem ausreichend stabil gebaut werden können. „Die Herausforderung ist es, die optimale Balance zwischen Stabilität und Kosten zu finden“, erklärt Arne Martius-Hammer von SINTEF. Er plant, den verwendeten Beton statt mit Stahlträgern mit dünnen Stahlfasern zu verstärken. Das dient zwei Zielen: Zum einen vereinfacht es den Herstellungsprozess und zum zweiten senkt es die Kosten. Denn, so Arne Martius-Hammer: „Wir müssen Bau- und Installationskosten für das Kraftwerk erreichen, die diese Form der Energiespeicherung rentabel macht.“ Und so bleibt abzuwarten, ob Stromspeicher auf dem Meeresgrund zu einer wahren Erfolgsgeschichte werden.
Ein Beitrag von: