Wasserstoff aus Gras – ganz neuer Weg in der Forschung
Am Campus Jülich der FH Aachen gehen Forschende einen ungewöhnlichen Weg, um Wasserstoff dezentral herstellen zu können. Organisches Material soll dabei als Grundlage dienen. Das würde eine flächendeckende Nutzung ermöglichen.
Über Wasserstoff wird aktuell viel geredet. Denn bekanntermaßen wird dafür über eine Elektrolyse zunächst Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff aufgespalten und schließlich durch Brennstoffzellen wieder in Strom umgewandelt. Dabei gelangt lediglich Wasserdampf in die Atmosphäre, weswegen diese Energieform als besonders umweltfreundlich gilt. All diese Vorgänge laufen jedoch noch nicht effizient genug ab. Außerdem wird weitere Energie benötigt, um den Wasserstoff zu speichern und zu transportieren. Das ließe sich durch eine dezentrale Produktion vermeiden. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am Campus Jülich der FH Aachen weichen von der üblichen Vorgehensweise ab, um eine wirkliche Innovation auf den Markt zu bringen: Sie wollen Wasserstoff aus organischem Material erzeugen.
Von Wasserstoffinseln über Wasserstoffcluster zum Wasserstoffverbund
Wasserstoff-Produktion durch Fermentierungsprozess
Das interdisziplinäre Projekt heißt „Elektrisch verstärkte mikrobielle Wasserstoffproduktion“ (eBioH2). Beteiligt sind die drei Jülicher Fachbereiche Chemie und Biotechnologie, Medizintechnik und Technomathematik sowie Energietechnik. Basis ist ein Verfahren, das prinzipiell mit der Herstellung von Biogas vergleichbar ist. Dabei startet in einem Bioreaktor der Prozess der Fermentierung. Ingenieurinnen und Ingenieure wissen: Normalerweise entsteht dabei als Ergebnis Biogas. Das ist in Jülich anders: „Wir setzen Mikroorganismen ein, die bei 70 bis 80 Grad Celsius biogene Reststoffe direkt in Wasserstoff konvertieren können“, sagt Nils Tippkötter, der als Professor für Bioverfahrenstechnik das Projekt federführend verantwortet.
Wichtige Faktoren für einen funktionierenden Fermentierungsprozess müssen im Labor optimiert werden. Für die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler geht es darum, herauszufinden, wie beispielsweise pH-Wert, Temperatur und Druck die Ergebnisse beeinflussen. „Wir müssen die Apparate umrüsten, weil eine höhere Temperatur als in herkömmlichen Reaktoren anliegt“, sagt Berit Rothkranz, die als Doktorandin an dem Projekt beteiligt ist und mit einem sogenannten Chromatographen die Zusammensetzung des entstehenden Gasgemischs untersucht. Das wiederum lässt auf die Prozessqualität schließen.
Energiespeicherung: Bei Energieeinspeisung steigt die Wasserstoff-Produktion
Entscheidend ist, dass in dem interdisziplinären Team verschiedene Kompetenzen zusammenfließen. Am Institut NOWUM-Energy beispielsweise arbeiten Spezialistinnen und Spezialisten für die Analyse von Biogasprozessen. „Wir können die Ergebnisse unserer bisherigen Arbeit auf das neue Verfahren übertragen“, sagt Institutsleiterin Isabel Kuperjans. Anders gesagt: Ihre Mitarbeitenden wissen bereits, welche Eigenschaften die organischen Rohstoffe mitbringen müssen, um einen stabilen Fermentationsprozess gewährleisten zu können. Das Institut für Nano- und Biotechnologien (INB) wiederum ist für die Themen Messtechnik und Steuerung zuständig.
Doch worauf soll das Ganze in der Praxis eigentlich hinauslaufen? Das eBioH2-Forschungsteam hat festgestellt, dass die Wasserstoffproduktion ansteigt, wenn sie zusätzlich elektrische Energie über Elektroden in den Fermentationsprozess einspeisen. Gerade in Kombination mit erneuerbaren Energien sehen sie daher eine interessante Option. „Wir können bedarfsgerecht elektrische Überschussenergie aufnehmen und in Form von Wasserstoff speichern“, sagt Tippkötter. Der Wasserstoff könnte dann dezentral die Funktion erfüllen, auf der aktuell die meisten Hoffnungen liegen – er könnte als Energiespeicher dienen.
Nutzung des Wasserstoffs dezentral am Produktionsort
Aktuell suchen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nach Partnerunternehmen aus der Wirtschaft, die bereit wären, das Verfahren einzusetzen. Gerade für die Landwirtschaft könnte es interessant sein, wo organisches Material von vornherein vorhanden ist. Der Wasserstoff müssen auch nicht weit transportiert werden, da er als Energiereservoir für Fahrzeuge und Maschinen dienen könnte. Tippkötter ist davon überzeugt, dass dieses neue Verfahren der Wasserstoffproduktion auch für Industriezweige mit hohem Energiebedarf wie der Chemiebranche und bei der Stahl- und Zementproduktion interessant sein könnte.
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