Biogas: Forscher bauen Anlage um – die Folgen sind bahnbrechend
Im Anschluss an eine Studie baute das Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme (IKTS) eine bestehende Biogasanlage so um, dass dort je nach Bedarf Biogas, Strom, Kraftstoff oder Wachse produziert werden können. Die Testphase ging nun erfolgreich zu Ende.
Schon 2017 beschäftigten sich Forschende des Fraunhofer IKTS damit, Biogasanlagen so umzubauen, dass deren Betreiber besser auf Marktschwankungen und Einspeisevergütungen reagieren können. Deshalb forschten sie daran, eine zusätzliche Wachs-Produktion in die Biogasanlage zu integrieren. So hat der Betreiber die Wahl, ob er das erzeugte Biogas in Strom umwandelt oder lieber biogene Wachse produziert. Da die Vergütungen für Strom, der ins Netz eingespeist wird, seit Jahren sinken und schwanken, biete diese Alternative eine größere Wirtschaftlichkeit für die Anlage. Die biogenen Wachse werden zum Beispiel in der Kosmetik- und Schmiermittelindustrie benötigt. Während die Forschenden an dieser Entwicklung arbeiteten, ergaben sich weitere Ideen, die nun in einer weltweit ersten Pilotanlage getestet wurden.
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Unterstützung für die Erprobung in der Praxis erhielt das Fraunhofer IKTS von der TU Bergakademie Freiberg, der TU Dresden, den Unternehmen Ökotec-Anlagenbau GmbH, Sunfire GmbH und DBI Gas- und Umwelttechnik GmbH. Sie schlossen sich zu einem Entwicklungsbund zusammen und Ökotec-Anlagenbau stellte eine bereits existente Biogasanlage zur Verfügung. Sie steht in Thallwitz bei Leipzig. Dort integrierten die Partner zusätzliche Technologien: einen Reformer, einen Fischer-Tropen-Reaktor und einen Elektrolyseur. Gewonnen wird das Biogas in der Anlage aus alten Fetten der Gastronomie und Lebensmittelproduktion.
Biogas, Strom und Kraftstoffe – aus Essensresten
Der Reformer ist dazu da, aus Biogas und Wasserdampf ein Synthesegas zu erzeugen, das aus Wasserstoff und Kohlenmonoxid besteht. Anschließend gelangt es durch den Fischer-Tropsch-Reaktor, in dem das Synthesegas in Methan, flüssige Kohlenwasserstoffe und Wachs umgewandelt wird. Das entstandene Methan bleibt innerhalb des Prozesses und kann den Anlagenpark heizen. Dabei kommen jeweils zur Hälfte Wachs und die Flüssigprodukte heraus. Leitet man die Flüssigprodukte in Raffinerien weiter, können sie dort aufbereitet werden – zum Beispiel zu synthetischem Diesel oder Kerosin.
Der Elektrolyseur ist als alternative und zusätzliche Quelle für das Synthesegas gedacht. Er kann zugeschaltet werden, zum Beispiel wenn es nur wenig Biogas gibt oder extrem viel Strom angeboten wird, weil Solar- oder Windkraftwerke sich gerade auf Leistungsspitzen befinden. Im Elektrolyseur entsteht aus Wasserdampf und Kohlendioxid ebenfalls Synthesegas. Das ist auch dazu gedacht, die Fischer-Tropsch-Anlage kontinuierlich mit diesem Gas zu versorgen. Sie ist nämlich nur dann besonders effizient, wenn ihr immer ausreichend davon zugeführt wird.
Betreiber können flexibler agieren
Die Praxiserprobung hat gezeigt, dass eine Biogasanlage mit dieser zusätzlichen Technik den Betreibern mehr Möglichkeiten bietet, auf Marktschwankungen zu reagieren und die Anlage damit wirtschaftlicher zu nutzen. Sie können Strom produzieren, wenn sie ihn zu einem guten Preis verkauft bekommen, oder synthetische Kraftstoffe und biogenen Wachs herstellen, wenn die Einspeisevergütung eher unattraktiv ist. Den Elektrolyseur schalten sie vor allem dann zu, wenn viel Strom aus Wind und Sonne zur Verfügung steht. In Deutschland gibt es mehr als 9.000 Biogasanlagen. Deshalb sehen die Forschenden ein erhebliches Marktpotenzial. „Solche erweiterten Biogasanlagen eröffnen erhebliche Chancen, um schon jetzt für die Zeit nach dem Kohleausstieg neue Wertschöpfung und Arbeitsplätze im mitteldeutschen Revier aufzubauen“, sagt Erik Reichelt, Leiter der IKTS-Arbeitsgruppe Systemverfahrenstechnik.
Auch wenn erneuerbare Energien einen großen Teil innerhalb des Herstellungsprozesses beisteuern, die biogenen Kraftstoffe und Wachse sind trotzdem noch teurer als solche, die auf herkömmliche Art und Weise unter Einsatz fossiler Brennstoffe produziert werden. Man müsse mit etwa 2,50 Euro Herstellungskosten pro Kilogramm rechnen. Zwar nähern sich die Kostenunterschiede aufgrund der aktuell stetig steigenden Energiepreise weiter an, doch ein Unterschied wird wohl bleiben. Gleichzeitig gibt es in vielen Industrien einen Bedarf, mehr nachhaltig produzierte Energieträger einzusetzen. Beispiel: Luftfahrt. Immer schärfere Umweltschutzgesetze machen biogene Kraftstoffe für Fluggesellschaften interessant. Und ab 2026 plant die Bundesregierung wahrscheinlich eine Pflichtquote für die Beimischung von elektrisch erzeugtem Kerosin, dem sogenannten E-Kerosin. Darüber hinaus können biogene Wachse auch für Farben- und Lackhersteller, die Kosmetik- und Schmierstoffindustrie interessant sein. Der Vorteil der neuen Technik: Sie lasse sich rasch in bestehende Biogasanlagen einbauen. Als nächstes haben die Projektpartner vor, die Pilotanlage für den industriellen Maßstab auszubauen.
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