Energiewende vorantreiben 15.02.2023, 12:28 Uhr

Sind gebäudeintegrierte Solaranlagen eine echte Alternative zur Dachmontage?

Bis 2045 soll Deutschland klimaneutral werden, so will es das Gesetz. Noch sind wir weit davon entfernt, gebäudeintegrierte Solaranlagen sollen dabei helfen, die Produktion von Treibhausgasen zu reduzieren. Doch wie sinnvoll ist das und welche Potenziale gibt es?

Solarfassade

Wie groß ist das Potenzial für gebäudeintegrierte Solaranlagen?

Foto: Panthermedia.net/Daniel Schoenen

Die Energiewende kommt nur langsam voran, bis 2045 und der geplanten Klimaneutralität ist es noch ein weiter Weg. Photovoltaik ist eine Möglichkeit, unsere Energie künftig klimaneutral zu produzieren. Allerdings benötigen die Module viel Platz. Warum daher nicht bereits sowieso vorhandene oder erforderliche Flächen nutzen? Hier kommen die gebäudeintegrierten Solaranlagen ins Spiel. Doch was bedeutet bauwerksintegrierte Photovoltaik überhaupt? Welches Potenzial und welche Vorteile hat sie? Was ist dabei zu beachten? Hier erfahren Sie es.

Was bedeutet bauwerkintegrierte Photovoltaik?

Meist werden Solaranlagen heute noch auf dem Dach aufgeständert und sind somit nicht Teil des Gebäudes. Das hat seine Vor- aber auch seine Nachteile, auf die wir an dieser Stelle nicht weiter eingehen möchten. Hier geht es um gebäudeintegrierte Solaranlagen. Diese dienen nicht nur der Stromgewinnung, die Bauelemente übernehmen zusätzlich noch klassische Funktionen wie Wärmedämmung, Wind- und Wetterschutz oder auch architektonische Aufgaben. Sie sind somit multifunktional.

Bereits seit den frühen 1980er-Jahren gibt es gebäudeintegrierte Solaranlagen, der Anteil an der gesamten Photovoltaik ist jedoch bislang eher gering. Dabei stehen inzwischen PV-Module in großer Bandbreite und als ausgereifte Produkte zur Verfügung. Sie können zum Beispiel in ein Schrägdach integriert werden, wobei es neben großen Modulen mittlerweile auch eine Reihe von Solardachziegeln gibt, die sich optisch kaum von Keramikziegeln unterscheiden lassen.

Auch eine Integration in ein Flachdach oder in die Fassade ist denkbar. Verschattungselemente wie Markisen, Balkon- und Terrassenüberdachungen oder Sonnenschutzlamellen bieten weitere Möglichkeiten der PV-Integration. Zudem lassen sich Glasanbauten, Balkonbrüstungen, Zäune und diverse Erschließungszonen mit Solarzellen aufwerten. Wichtig ist nur, dass die Flächen genügend Sonne abbekommen, eine genaue Standort- und Gebäudeanalyse ist daher unabdingbar.

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Integration in die Dachfläche

Hier muss zwischen geneigten Dächern und Flachdächern unterschieden werden. Bei geneigten Dächern ersetzen die PV-Module eine Dacheindeckung zum Beispiel mit Ziegeln. Eventuell müssen verstärke Dachlatten mit einer höheren Tragfähigkeit verwendet werden. Darüber hinaus haben die Module eine Schutzfunktion – es muss verhindert werden, dass Regenwasser in den Dachraum gelangt. Als besonders geeignet erweisen sich südgeneigte Pultdächer oder Sheddächer.

Die Montage auf dem Flachdach kann analog der Montage auf der Wiese erfolgen. Es sind unterschiedliche Ausrichtungen möglich, am variabelsten sind unverschattete Flachdächer. Auch eine Kombination mit Dachbegrünung ist möglich. Die PV-Anlagen können aber auch als Vordach oder Terrassendach fungieren oder Teil des Wintergartens sein.

Integration in die Fassade

Fassadenflächen bieten ein vielfältiges Potenzial für die Nutzung von Solarenergie. Es sollte jedoch klar sein, dass auf vertikalen Flächen ein geringerer Ertrag als bei geneigten Flächen möglich ist. Gemeinhin wird er als 20 bis 30 Prozent niedriger als bei einer optimal ausgerichteten Dachanlage beziffert. Dennoch gilt die Fassadenintegration als gute Alternative, wenn das Dach zum Beispiel nicht tragfähig genug ist oder sich schlecht nutzen lässt. Umso wichtiger ist die Himmelsrichtung, in welche die Solarmodule ausgerichtet sind, Süden ist hier optimal. Auch die Verschattung spielt eine noch wichtigere Rolle als bei Dachanlagen.

Die Integration der Photovoltaikanlage in die Fassade kann als Kaltfassade oder Warmfassade erfolgen. Bei der Kaltfassade handelt es sich um eine vorgehängte Fassade. Hier gibt es zwischen den Modulen und der Wand eine Luftschicht, durch die Luft strömt. Ist der Luftstrom nur unzureichend, bilden sich bei starker Sonneneinstrahlung Hitzestaus, die den Ertrag mindern oder im schlimmsten Fall die Modulpaneele beschädigen. Für Kaltfassaden kommen daher nur Module aus Siliziumwafern in Betracht.

Bei Warmfassaden bilden Solarmodule und Wand eine feste Einheit. Die Photovoltaikanlagen schützen hierbei nicht nur vor Regen und anderen Witterungseinflüssen, sondern sind darüber hinaus Teil der Wärmedämmung des Gebäudes. Für solche Fassaden kommen in der Regel Dünnschichtmodule zum Einsatz. Diese haben zwar einen relativ geringen Wirkungsgrad, allerdings wird auch weniger Material benötigt, weshalb sie günstiger sind. Darüber hinaus verursachen hohe Temperaturen sowie ein schwaches und diffuses Licht weniger Leistungsverlust.

Solaranlage als Sonnenschutz

Solaranlagen als Sonnenschutz an der Fassade.

Foto: Panthermedia.net/rusadina

Welche Vorteile haben gebäudeintegrierte Solaranlagen?

Photovoltaikanlagen benötigen viel Platz, doch dieser ist in vielen Gegenden von Deutschland eine stark begrenzte Ressource. In manchen Bundesländern wie Baden-Württemberg gibt es nicht einmal genügend Ackerflächen für Agrarprodukte, um den Bedarf zu decken. Ein Ausbau von Solaranlagen ist daher oft nur möglich, wenn vorhandene Potenziale genutzt werden. Eine Integration ins Gebäude ist hier eine gute Möglichkeit. Folgende positiven Effekte haben bauwerksintegrierte Photovoltaikanlagen (BIPV):

  • Durch Nutzung ohnehin erforderlicher bzw. vorhandener Flächen entstehen hohe Synergieeffekte
  • Durch die Multifunktionalität von BIPV lassen sich Ressourcen für die Herstellung konventioneller Baumaterialien einsparen
  • Die Kosten für konventionelle Baukomponenten sinken, da weniger benötigt werden
  • Durch unmittelbare Energieerzeugung am Gebäude ist ein hohes Maß an Eigenverbrauch möglich
  • Zusätzliche Optimierungsmöglichkeiten bieten sich durch die Einbindung in Gebäudeenergiekonzepte mit strombasierter Wärmeversorgung und Elektromobilität

Welche Herausforderungen sind zu bewältigen?

Die Vorteile von BIPV sind klar, helfen die Anlagen uns doch dabei, die gesteckten Klimaziele zu erreichen. Zugleich werden gebäudeintegrierte Photovoltaikanlagen immer mehr zum Teil des Stadtbilds. Es erfolgt eine Wandlung vom reinen Baustein der Energieerzeugung zu einem Element der Baukultur. Hier sind Planer und Architekten gefordert. Das gilt darüber hinaus für die Auswahl der richtigen Flächen, denn im Schatten lässt sich nur wenig Strom produzieren.

Eine zusätzliche Herausforderung bringt der erhöhte Planungsaufwand aufgrund von Schnittstellen zwischen den Gewerken und unterschiedlichen Vorschriften. Nach Angaben des Fraunhofer ISE sind zudem die mangelnde Standardisierung und der geringe Automatisierungsgrad bei der Produktion ein Problem. Das treibe die Kosten nach oben. Darüber hinaus fehle es noch an funktional und ästhetisch optimierten Produkten.

Insbesondere bei fassadenintegrierten Photovoltaikanlagen besteht stets die Gefahr der Blendung. Das kann soweit führen, dass die Verkehrssicherheit gefährdet ist, wenn Autofahrer und Autofahrerinnen, Radfahrer und Radfahrerinnen geblendet werden. Dies sollte bereits in der Planungsphase berücksichtigt  werden. Die Beseitigung von Reflexionen im Nachgang ist meist recht teuer und führt dazu, dass weniger Solarstrom geerntet werden kann. So wird die Universitätsbibliothek in Freiburg zum Beispiel in den kritischen Jahreszeiten mit einem großen, dunklen Tuch verhüllt, um eine blendende Fassade zu verhindern.

Solaranlage als Balkonbrüstung

Auch das ist möglich: Solaranlage als Balkonbrüstung.

Foto: Panthermedia.net/albertus engbers

Wie wirtschaftlich sind bauwerksintegrierte Photovoltaikanlagen?

Die Wirtschaftlichkeit von gebäudeintegrierten Solaranlagen hängt von zahlreichen Aspekten ab – diese sind technischer, ökonomischer und physikalischer Natur. Am wichtigsten ist sicherlich der Standort und das dort herrschende Klima. Liegt das Gebäude ständig im Schatten, lässt sich dort nur wenig Strom ernten. Dabei ist zu bedenken, dass die Sonne im Winter tiefer steht und die Schatten dadurch länger werden. Doch nicht nur die bebaute und natürliche Umgebung sorgt für Verschattung, diese kann auch durch den eignen Baukörper und eine entsprechend strukturierte Fassade erfolgen. Diese sollten möglichst vermieden werden, damit die Solaranlage wirtschaftlich arbeitet.

Wichtig ist zudem die Betriebstemperatur der Photovoltaik-Module. Diese sollte möglichst niedrig sein, deshalb eignen sich hinterlüftete Konstruktionen in der Regel besser als nicht hinterlüftete Integrationsarten. Der Modulwirkungsgrad hat ebenfalls Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit der Anlage. Dieser hängt von der Solarzellentechnologie und der Bauform der Module ab. Farbige oder teiltransparente Moduloberflächen reduzieren zum Beispiel die Modulleistung, da weniger Sonnenlicht eingefangen werden kann.

Ein weiterer Faktor bei der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung von gebäudeintegrierten Solaranlagen ist die von den Herstellern gegebene Leistungsgarantie. Typische Garantiedauern sind 20 bis 30 Jahre. Oft wird hierbei auch die jährliche Verringerung der Modulleistung bezogen auf die Anfangsleistung berücksichtigt. Diese kann sehr unterschiedlich ausfallen, je niedriger die Leistungsverringerung, desto wirtschaftlicher arbeiten die Solarmodule. Sind zudem zum Beispiel hohe baurechtliche Anforderungen bezüglich der Fassadenintegration notwendig, treibt das häufig die Kosten nach oben, wenn hierfür keine Standardmodule verwendet werden können.

Potenzial von integrierten Photovoltaikanlagen

Gebäudeintegrierte Solaranlagen sind Teil des Themenspektrums „integrierte Photovoltaikanlagen“. Das Fraunhofer ISE sieht hierin große Potenziale für die Zukunft. Neben den in das Gebäude integrierte Photovoltaikanlagen hat das Institut fünf weitere Anwendungsbereiche identifiziert: Eine Integration in Fahrzeugen und Fahrwegen, die Einbindung in Agrar- und Wasserflächen sowie an Plätzen des öffentlichen Lebens des urbanen Raums.

Das Fraunhofer ISE schätzt das technische Potenzial für integrierte Photovoltaikanlagen auf insgesamt etwa 3.200 Gigawatt, dieses teilt sich folgendermaßen auf die sechs Bereiche auf:

  • Gebäudeintegrierte Photovoltaikanlagen: 1.000 Gigawatt
  • PV in Verkehrswegen (Straße, Schiene Lärmschutz): 300 Gigawatt
  • Schwimmende Photovoltaikanlagen: 44 Gigawatt
  • Agri-Photovoltaik: 1.700 Gigawatt
  • Fahrzeugintegrierte PV in PKW und LKW: 55 Gigawatt
  • Urbane PV (Parkplätze): 59 Gigawatt

Laut Bundesnetzagentur waren in Deutschland 2022 Photovoltaik-Anlagen mit einer Nettoleistung von 63 Gigawatt installiert. 2023 sollen 9 Gigawatt an neuer PV-Anlagenleistung ans Netz gehen. Ab 2026 sind 22 Gigawatt neue Anlagen das ambitionierte Ausbauziel. Insgesamt will die Ampelkoalition bis 2030 auf 200 Gigawatt Photovoltaik in Deutschland kommen.

Ein Beitrag von:

  • Dominik Hochwarth

    Redakteur beim VDI Verlag. Nach dem Studium absolvierte er eine Ausbildung zum Online-Redakteur, es folgten ein Volontariat und jeweils 10 Jahre als Webtexter für eine Internetagentur und einen Onlineshop. Seit September 2022 schreibt er für ingenieur.de.

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