Wie kann die Umrüstung auf H2-Ready-Kraftwerke gelingen?
Gaskraftwerke, die mit grünem Wasserstoff emissionsfreien Strom erzeugen: Bei Flaute und wenig Sonne sollen sie künftig unsere Versorgung sichern. Eine aktuelle Studie des Reiner Lemoine Instituts in Berlin macht deutlich: Trivial ist die Umrüstung auf H2-Ready nicht.
Als größte Herausforderung auf dem Weg zur Klimaneutralität gilt auf lange Sicht der Abschied vom Erdgas – nicht nur als Heizenergie, sondern auch in der Stromerzeugung. Erneuerbarer Wasserstoff soll fossile Brennstoffe nach und nach ersetzen. Dazu müssen bestehende Gaskraftwerke „H2-Ready“ umgerüstet und neue gebaut werden, die mit 100 Prozent Wasserstoff betrieben werden können. Aber: Was bedeutet das konkret? Ein Team von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des Reiner Lemoine Instituts in Berlin hat jetzt untersucht, welche Herausforderungen die Umstellung von Gaskraftwerken auf Wasserstoff mit sich bringt. In ihrer Studie stellen sie dar, wie die Kraftwerke technisch umgerüstet werden müssen, welchen Investitionsbedarf die Maßnahmen mit sich bringen und nicht zuletzt: wie rechtliche Vorschriften dafür angepasst werden müssen.
Schmutziges Meerwasser wird zu sauberem Wasserstoff
Mit Hilfe von Wasserstoff sollen Kraftwerke künftig vor allem dann Strom bereitstellen, wenn erneuerbare Energie gerade knapp ist: etwa weil kein Wind weht und zugleich die Sonneneinstrahlung spärlich ist. Allerdings sind derzeit noch keine Gasturbinen verfügbar, die in größeren Kraftwerken ausschließlich mit Wasserstoff betrieben werden können. Möglich ist deshalb derzeit nur der Ausbau von H2-Ready-Kraftwerken. Genau diesen Ausbau hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) angekündigt zu fördern – bis 2026 in einer Größenordnung von zehn Gigawatt (GW), danach mit weiteren fünf GW für neue oder bestehende Gaskraftwerke. Diese sollen zunächst mit Erdgas und später mit grünem Wasserstoff laufen und müssen spätestens 2035 komplett auf den Betrieb mit Wasserstoff umgerüstet werden.
Eine rechtlich eindeutige Definition von H2-Ready gibt es nicht
Doch wie die wasserstoffbereiten Kraftwerke genau konzipiert sein müssen, ist noch nicht klar. Wie die Studienergebnisse des Berliner Forschungsteams zeigen, gibt es aktuell keine rechtsverbindliche Definition von „H2-Ready“. Schließlich könnte jedes Gaskraftwerk theoretisch irgendwann während seiner Lebensdauer auf einen Betrieb mit 100 Prozent Wasserstoff umgerüstet werden. Laut der Studie erschwert das Fehlen eines eindeutigen Konzeptes von H2-Readyness die Planung solcher Anlagen. In Deutschland steht eine implizite Bestimmung nur im Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz (KWKG). Sie bezieht sich auf die Kosten: Danach ist ein Kraftwerk dann H2-Ready, wenn der Übergang auf 100 Prozent Wasserstoff für weniger als zehn Prozent der ursprünglichen Investitionskosten des Kraftwerks möglich ist.
Eine solche pauschale, kostenanteilsbezogene Definition würde allerdings die Investition in Gas-und-Dampf-Kombikraftwerke (GuD) begünstigen, meint Andreas Christidis, Projektleiter der Studie. Denn diese seien effizienter, liefen aber als KWK-Anlagen oft viele Stunden im Jahr und verbräuchten dann große Mengen an Wasserstoff. „Das ist problematisch, da erneuerbarer Wasserstoff knapp sein wird“, gibt Andreas Christidis zu bedenken. „Typische Spitzenlastkraftwerke mit nur wenigen Volllaststunden sind meist Gasturbinenkraftwerke (GT). Mit dem kostenbezogenen Kriterium von zehn Prozent in der H2-Ready-Definition wären diese voraussichtlich kaum förderfähig.“
Hohe Aufwände für den Übergang zu 100 Prozent Wasserstoff
Sein Team kommt zu dem Ergebnis, dass vor allem die Umrüstung des Brenngas- sowie des Gasturbinensystems große Aufwände verursachen werden. Diese Kosten lägen bei größeren GuD-Kombikraftwerken voraussichtlich unter zehn Prozent der Ausgangsinvestition, bei Gasturbinen-Kraftwerken (GT) wahrscheinlich deutlich höher, so die Forschenden. Sie empfehlen daher, bei einer kostenbezogenen Definition von H2-Ready die jeweilige Technologie zu berücksichtigen, um für beide Gaskraftwerk-Typen einen Förderanreiz zu schaffen.
Zudem weisen sie darauf hin, der Umrüstbedarf von H2-Ready-Kraftwerken auf Wasserstoffbetrieb werde in einem kurzen Zeitfenster vergleichsweise hoch sein, die Kapazitäten bei Herstellenden aber begrenzt. Daher sollten Kraftwerksbetreibende bereits heute die Umrüstung einplanen und beispielsweise den Platzbedarf für neue Komponenten berücksichtigen. Eine ausdrückliche Forderung der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler richtet sich an die Bundesregierung: Sie müsse die Umrüstung verbindlich terminieren, um weitere Emissionen zu vermeiden.
Nur mit grünem Wasserstoff sinkt der CO2-Ausstoß
Für die Dekarbonisierung der Stromerzeugung ist der Einsatz von erneuerbarem Wasserstoff entscheidend. „Wird fossiler Wasserstoff eingesetzt, wie zum Beispiel blauer Wasserstoff aus Erdgas, sind Emissionen von H2-Kraftwerken ähnlich hoch wie bei heutigen Erdgaskraftwerken“, betont Anne Wasike-Schalling, wissenschaftliche Mitarbeiterin am RLI.
Laut der Wissenschaftlerin benötigt ein 400 Megawatt-Kraftwerk pro Stunde über 700 Megawattstunden Wasserstoff. Das entspreche zwölf großen Wasserstoff-Lkw-Trailern. „Für den Erfolg der Dekarbonisierung brauchen wir deshalb die erforderlichen Mengen an grünem Wasserstoff. Das ist notwendige Bedingung und Herausforderung zugleich“, so Wasike-Schalling. „Ein Anschluss der H2-Kraftwerke ans Wasserstoffkernnetz sowie dessen Belieferung mit grünem Wasserstoff sind essenziell.“
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