Wie Natronlauge Sommerwärme für den Winter speichert
Dampflokomotiven, die keinen Rauch ausstoßen: Diese spektakuläre Erfindung, die der Aachener Ingenieur Moritz Honigmann 1883 zum Patent anmeldete, könnte heute als Energiespeicher für Furore sorgen. Schweizer Ingenieure haben einen Speicher gebaut, der die Wärme des Sommers bis zum Winter speichern kann. Er funktioniert mit Natronlauge.
Sie fuhren in den 1880-er Jahren in Aachen und in Leipzig, eine weitere feuerlose Dampflok war in Berlin-Charlottenburg unterwegs. Doch durchsetzen konnte sich die neuartige Bahn des Ingenieurs Moritz Honigmann nicht. Aber die Technik, die Honigmann nutzte, um die Fahrenergie in einem Kessel voller Natronlauge zu speichern und bei Wikipedia gut beschrieben wird, die haben nun Schweizer Ingenieure des Forschungsinstituts Empa in Zürich weiter entwickelt, um einen Wärmespeicher zu bauen.
Vier Jahre lang haben die Schweizer im Rahmen des europäischen Forschungsprojektes Comtes geforscht und nun einen Speicher im Labor gebaut, der seit einigen Monaten zuverlässig arbeitet. Und wie funktioniert die Technik?
Den Schweizern geht es nicht darum, Strom zu speichern, sondern um Wärme. Sie wollen die Wärme, die im Sommer zu Genüge anfällt, so aufsparen, dass diese im Winter zum Heizen oder für die Erzeugung von Warmwasser zur Verfügung steht.
Technik von Honigmann weiter entwickelt
Ähnlich wie Honigmann vor 130 Jahren nutzen die Schweizer Ingenieure eine chemische Reaktion. Die Idee: Gießt man in ein Becherglas mit festem Natriumhydroxid (NaOH) Wasser, dann wird die Mischung heiß. Die Verdünnungsreaktion ist also exotherm: Chemische Energie wird in Form von Wärme frei.
Zugleich ist Natronlauge stark hygroskopisch und kann Wasserdampf aufnehmen. Die so gewonnene Kondensationsenergie heizt die Natronlauge weiter auf. Diese Wärme lässt sich also nutzen. Es ist die gleiche Wärme, mit der Honigmann seine feuerloses Dampfloks betrieben hat.
Sommerwärme im Speichertank
Auch der umgekehrte Weg ist möglich. Führt man verdünnter Natronlauge Energie in Form von Wärme zu, verdampft das Wasser, die Natronlauge wird konzentriert und speichert auf diese Weise die ihr zugeführte Energie. Diese konzentrierte Natronlauge lässt sich über Monate und sogar Jahre aufbewahren. Die Energie geht nicht verloren. Wird der Natronlauge später wieder Wasser zugeführt, wird wieder Wärme frei.
Besonders interessant ist, dass sich die Natronlauge in Tanks transportieren lässt. Genau dies hatte ja Honigmann in seinen Lokomotiven genutzt: Diese mussten keine Kohle hinter sich herziehen, sondern die Lokomotive ließ sich einfach mit konzentrierter Lauge wieder aufladen.
Die Empa-Forscher Robert Weber und Benjamin Fumey hatten sich nun das Ziel gesetzt eine Anlage zu entwickeln, mit der sich ein Einfamilienhaus mit Wärme versorgen lässt. Der erste Prototyp funktionierte zunächst nicht richtig. Die Wissenschaftler hatten auf einen so genannten Fallfilmverdampfer gesetzt. Diese werden in der Lebensmittelindustrie verwendet, um Orangensaft zu Konzentrat einzudicken. Doch die zähflüssige Natronlauge umfloss den Wärmetauscher nicht richtig, sondern bildete dicke Tropfen. Die Natronlauge nahm zu wenig Wasserdampf auf, die übertragene Wärmemenge blieb zu gering.
Fumey hatte dann die rettende Idee: Das zähflüssige Speichermedium Natronlauge müsste langsam und spiralförmig entlang eines Rohrs hinabfließen, auf dem Weg Wasserdampf aufnehmen und die entstehende Hitze an das Rohr abgeben. Der umgekehrte Weg – das Aufladen des Mediums – sollte mit der gleichen Technik funktionieren, nur andersherum. Diese Idee funktionierte. Das Beste: Die Ingenieure konnten spiralförmige Wärmetauscher aus handelsüblichen Durchlauferhitzern nutzen.
Ideal für eine Fußbodenheizung
Allerdings mussten die Ingenieure erst einmal herausfinden, wie Lauge und Wasserdampf optimal arbeiten. Welche Konzentrationsschwankungen sind für den Wirkungsgrad optimal? Welche Temperaturen soll das zu- und das ablaufende Wasser haben? Für das Entladen des Speichers ist Wasserdampf mit einer Temperatur von 5 bis 10 °C optimal. Diese Temperatur erreichen die Schweizer mit Wärme aus einer Erdsonde.
Dabei läuft 50-prozentige Natronlauge außen über das Spiralrohr des Wärmetauschers nach unten und wird in der Wasserdampfatmosphäre auf 30 % verdünnt. Dabei erhitzt sich das Heizungswasser im Inneren des Rohrs auf rund 50 °C. Das wäre zum Beispiel ideal für eine Fußbodenheizung.
Wärmeenergie lässt sich über lange Zeit speichern
Beim Wiederaufladen des Speichers sickert die 30-prozentige, „entladene“ Natronlauge um das Spiralrohr herum nach unten. Im Inneren des Rohrs strömt 60 °C heißes Wasser, das zum Beispiel aus einem Solarkollektor stammen kann. Das Wasser aus der Natronlauge verdunstet. Der Wasserdampf wird abgezogen und kondensiert. Die Natronlauge, die den Wärmetauscher nach dem Aufladen verlässt, ist wieder auf 50 % aufkonzentriert, also mit Wärmeenergie „geladen“.
„Auf diese Weise lässt sich Solarenergie in Form chemischer Energie vom Sommer bis in den Winter speichern“, sagt Empa-Forscher Fumey. Jetzt suchen die Schweizer Forscher nach Industriepartnern, die aus dem Labormodell eine kompakte Hausanlage bauen.
Eine ebenfalls ungewöhnliche Idee für einen Energiespeicher hatten Ingenieure der Universitäten in Frankfurt und Saarbrücken. Sie wollen Betonkugeln im Meer versenken, um den hohen Druck für die Speicherung von Offshore-Strom zu nutzen. Die ersten Kugeln werden derzeit auf dem Grund des Bodensees getestet.
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