Williams-Rennstall entwickelt stationären Energiespeicher mit Schwungradtechnik
Das aus dem Motoren- und Fahrzeugbau bekannte Schwungrad hat alle Chancen, in Zukunft als stationärer Energiespeicher eingesetzt zu werden. Der Formel 1-Rennstall Williams arbeitet an einer Technik, die die Energie mit Hilfe eines Schwungrades speichert. In zwei Jahren soll die Technik marktreif sein.
Schwungräder wurden schon vor mehr als tausend Jahren im maurischen Spanien in der Bewässerung eingesetzt. Später entwickelte sich aus ihnen die Töpferscheibe. Wissenschaftliche Experimente mit Schwungrädern unternahm auch Leonardo da Vinci. Große Bedeutung bekam das Schwungrad Anfang des 19. Jahrhunderts mit der Entwicklung der Dampfmaschine, bei der das Schwungrad für einen gleichmäßigen Lauf der Maschine zu sorgen hatte.
Bewirkt wird der gleichmäßige Maschinenlauf dadurch, dass das Schwungrad Energie aufnimmt, wenn die Kolben der Dampfmaschine oder des Verbrennungsmotors auf das Rad antreibend einwirken. So bald dieser Anstoß aber aufhört, gibt das Schwungrad wieder Energie ab. Um diesen Effekt zu nutzen, sind lange Zeit Schwungräder in Fahrzeugmotoren – vom Personenwagen bis hin zum landwirtshaftlichen Traktor – verwandt worden. Je weiter die Motoren allerdings entwickelt wurden, desto häufiger wurde zunächst auf das Schwungrad verzichtet.
Anstoß durch die Formel 1
Je mehr allerdings der Zwang zum wirtschaftlicheren Umgang mit Energie selbst den Formel 1-Rennsport erfasste, desto ausgeprägter wurde auch das Come Back des Schwungrads. Die britische Formel 1-Rennstall Williams Grand Prix Holdings Ltd., der an der Frankfurter Börse notiert ist, begann mittels des Schwungrads in Formel 1-Boliden sowohl Energie einzusparen, als auch den CO2-Ausstoß zu verringern. Williams entwickelte das Schwungrad-System weiter für den Einsatz in sportlichen Personenwagen und für Nutzfahrzeuge.
Bewährt hat es sich unter anderem in der neuen Generation der Londoner Doppeldecker-Busse. Gemeinsam mit dem französischen Alsthom-Konzern wird die Schwungrad-Technik seit kurzem auch für Straßenbahnen genutzt, die mit dieser Technik 15 Prozent Energie einsparen können. Das so genannte MLC Flywheel-System nutzt auch die beim Bremsen entstehende Hitze als Energie für den Fahrzeugantrieb.
Stationäre Stromspeicher mit 60 000 Umdrehungen
Schwungräder sind in konventioneller Bauart aus Stahl und rotieren auf herkömmlichen Kugellagern mit Geschwindigkeiten bis zu mehreren tausend Umdrehungen in der Minute. Inzwischen werden Schwungräder für einzelne Anwendungsgebiete allerdings auch aus Kohlenstofffasern hergestellt. Sie rotieren auf magnetischen Lagern mit Geschwindigkeiten von bis zu 60 000 Umdrehungen in der Minute. Da das Schwungrad mit der höchsten Zugfestigkeit zugleich auch der wirkungsvollste Energiespeicher ist, wächst das Interesse an den Kohlenstofffaser-Schwungrädern immer mehr.
Ziel der Williams-Forscher ist es, stationäre Schwungräder zur Stabilisierung der Stromnetze verwendbar zu machen. Wird in das Netz beispielsweise zu viel Wind- oder Solarstrom eingespeist, nehmen Schwungräder diese Energie auf. Sinken die Strommengen oder steigt der Stromverbrauch, geben die Schwungräder die Energie wieder ab.
Als besondere Vorteile betont Williams die außerordentlich schnelle Reaktion der Schwungräder auf Lastveränderungen im Netz. Das spare vor allem Kosten und teilweise auch CO2–Emissionen. „Es ist unser Ziel, Energiespeichersysteme, die zunächst für die Formel 1 entwickelt wurden, in den nächsten zwei Jahren auch in einem Stromnetz installieren zu können“, sagte der CEO der Williams Group, Mike O’Driscoll, bei der Vorstellung des Forschungsprojektes. Die britische Regierung fördert die Entwicklung von Energiespeichern mit Schwungradtechnik mit insgesamt 16 Millionen Pfund.
Wie groß das Interesse an der Technik ist, unterstrich Prinz Charles, als er das Williams-Entwicklungszentrum in Quatar besuchte, wo die Ingenieure an den neuen Speichern arbeiten.
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