Windgenerator für den Balkon soll Stadtwind ernten
Zwei britische Studenten haben die O-Wind-Turbine entwickelt. Sie rotiert, wo auch immer der Wind herkommt, ohne nachgeführt werden zu müssen. Jetzt gründen sie ein Unternehmen, um die Anlage zur Marktreife zu bringen.
In Städten sind konventionelle Windgeneratoren, die sich nur träge der Windrichtung anpassen, weitgehend wirkungslos. Die vielen Hindernisse, vor allem Häuser, verändern die Strömungsrichtungen so schnell, dass die Generatoren selten optimal ausgerichtet sind. In der Folge erreichen sie nur einen Bruchteil ihrer Nennleistung.
Bisher gibt es lediglich Modelle für die O-Wind-Turbine
Nicolas Orellana und Yaseen Noorani haben während ihrer Zeit an der University of Lancaster im Vereinigten Königreich einen Windgenerator entwickelt, dem es ganz gleich ist, woher der Wind weht. Er dreht sich immer und erzeugt maximal Strom. Jedenfalls dann, wenn der erste Prototyp fertig wäre. Bisher gibt es lediglich Modelle, mit denen der 36-jährige Chilene und der 24-jährige Kenianer zwar beweisen können, dass es funktioniert. Die Kopplung mit einem Generator steht allerdings noch aus. O-Wind-Turbine nennen sie ihre Entwicklung. Sie soll in einem neuen Unternehmen, dessen Gründung kurz bevorsteht, zur Marktreife gebracht werden, so Orellana.
„Unsere Turbine ermöglicht es sogar Menschen in Mietshäusern, die einen Balkon haben, ihren eigenen Strom zu erzeugen“, sagt Orellana. Viel Strom wird es allerdings nicht sein, den Privatleute auf ihren Balkonen erzeugen können. Aber 200 Watt sind auch schon was. Pro Monat können damit immerhin 60 Kilowattstunden zusammenkommen. Die kosten, wenn man sie aus dem Netz bezieht, immerhin 18 Euro. Entscheidend wird also sein, wie schnell sich eine eigene O-Wind-Turbine für den Nutzer amortisieren lässt.
Wind verfängt sich in zahlreichen Ventilen
Städte seien „windige Plätze“, sagt Orellana, „aber wir ernten diese Energie noch nicht. Wir glauben, wenn es für jeden ganz einfach ist, grünen Strom zu produzieren, werden die Menschen ermutigt, eine größere Rolle bei der Bewahrung unseres Planeten zu spielen.“ Die Oberfläche der O-Wind Turbine ist von zahlreichen Ventilen mit großem Ein- und kleinem Auslass übersät. Durch sie soll der Wind fegen. Weil die Ventile einen großen Einlass, aber nur einen kleinen Auslass haben, staut sich die Luft. Es gibt einen Rückstoß, der die Turbine in Rotation versetzt.
Außer auf Balkonen, in Gärten oder auf Flachdächern könnte die O-Wind-Turbine für Boote, Ferienhäuser und Wohnmobile interessant werden, weil sie unabhängiger macht von der stationären Energieversorgung. Vor allem in Verbindung mit Photovoltaikanlagen und Akkus könnte der Windgenerator zur Dezentralisierung der Stromerzeugung beitragen.
„Als die damaligen Studenten mit der Entwicklung begannen dachten wir, es sei der 23. Aufguss einer bekannten Technik“, erinnert sich Harry Hoster, Direktor von Energy Lancaster, einer Institution, die das Know-how der Universität in die Wirtschaft trägt. „Dann sahen wir das Video und wir waren restlos begeistert.“ Auch die Juroren des James Dyson Award 2018 zeigten sich beeindruckt und zeichneten die Innovation aus.
Briten treffen auf eine Reihe von Konkurrenten
Die jungen Briten müssen sich jedoch gegen einige Konkurrenten durchsetzen, die ebenfalls Anlagen anbieten, die unabhängig von der Windrichtung arbeiten. Sie alle haben senkrechte Drehachsen. Wie der Darrieus-Generator, der anfangs ein ernsthafter Konkurrent für Generatoren mit horizontaler Achse war. Doch Letztere setzten sich durch, weil pro Standort weitaus größere Leistungen zu erzielen waren. Bei wechselnden Windrichtungen sind die Anlagen mit vertikaler Achse jedoch unschlagbar.
Ein ernstzunehmender Wettbewerber für die O-Wind-Turbine etwa ist ElvWiS III Aluminium. Die Turbine hat eine Leistung von 280 Watt und kostet gerade einmal 100 Euro. Die Anlage läuft nach dem Savonius-Prinzip. Derartige Rotoren kennt jeder, wenn auch nicht als Stromerzeuger. Sie rotieren vom Fahrtwind angetrieben auf den Dächern von Lastwagen, um Luft in den Laderaum zu transportieren und ihn damit zu kühlen.
Darrieus-Rotoren waren zeitweise weiter verbreitet. 1925 meldete der französische Ingenieur Georges Jean Marie Darrieus das Prinzip zum Patent an. Heute werden Generatoren dieser Art von mehreren Herstellern angeboten. Der italienische Hersteller Makemu Green Energy etwa bietet Anlagen mit Leistungen von 300 Watt bis 3 Kilowatt an. Der kleinste Typ kann sogar auf dem Balkon installiert werden.
Mehr ungewöhnliche Windkraftanlagen:
In den Niederlanden wurden Deiche als mögliche Standorte getestet
In Island entwickelte ein junge Unternehmen Deiche als mögliche Standorte
In Paris wurde 2015 ein Windbaum als Stromlieferant getestet. Er war mit 72 Mini-Turbinen versehen.
Ein Beitrag von: