Windkraft in Deutschland: Diskussion um die (nicht-) Auslastung?
Wie sind die deutschen Windanlagen ausgelastet? Mit dieser Frage hat sich die Neue Züricher Zeitung (NZZ) beschäftigt und diese Werte selbst berechnet – mit ernüchternden Ergebnissen. Doch diese Zahlen sind nur bedingt entscheidend. Deshalb weist der Bundesverband Wind Energie die Kritik zurück.
Wie die NZZ schreibt, seien die deutschen Windkraftanlagen schlecht ausgelastet. Das hatte die Zeitung anhand eigener Berechnungen ermittelt. Diese Analyse wurde jedoch im Netz stark kritisiert. Die Stimmungslage variierte dabei von „stark von den Ergebnissen enttäuscht“ und Forderungen nach dem sofortigen Baustopp bis „die Berechnungen sind totaler Humbug“.
Ja, es gab viele Kritikpunkte und Diskussionen im Netz und den sozialen Netzwerken wie Twitter und Linkedin rund um die Analyse zur Auslastung der deutschen Windkraftanlagen. In diesem Beitrag versuchen wir aufgrund der Kritikpunkte der Sache auf den Grund zu gehen. Doch alles der Reihe nach.
Auslastung von weniger als 20 Prozent?
Dem Zeitungsbericht zufolge sind in Deutschland etwa 28 000 größere Windkraftanlagen in Betrieb. Wie viele davon sind rentabel? Laut NZZ-Analyse haben knapp ein Viertel der untersuchten Windräder eine Auslastung von weniger als 20 Prozent. Diese Zahl lässt den Laien erstmal schlucken. Dabei seien die nicht ausgelasteten Anlagen (die vorwiegend im Süden stehen) nur überlebensfähig, weil schlechte Standorte systematisch gefördert würden. Die Anlagen, die gut ausgelastet sind, stehen vorwiegend im Norden. So liege in Schleswig-Holstein die Auslastung im Durchschnitt bei 31 Prozent, und im windarmen Baden-Württemberg bei nur 17 Prozent. So weit so gut.
In diesem Zusammenhang sprechen viele schnell vom Versagen der Windkraft in Deutschland. Einige erinnern sich sofort an die stillstehenden Anlagen, die man am Rande von Autobahnen sieht, wenn man vorbeifährt.
Doch es gibt schlüssige Erklärungen, warum die Windkraftanlagen ab und an stillstehen, die nicht mit dem Standort oder den Windverhältnissen zusammenhängen.
Ja, es ist klar: Die Wetterlage ist ein wesentlicher Faktor. Zu verschiedenen Jahreszeiten (z.B. Sommer und auch teilweise Winter) ist nur eine begrenzte Nutzung möglich. Im Herbst und im Frühling kann man hingegen Spitzenwerte bei der Auslastung erreichen.
Einige gehen in ihrer Kritik noch weiter und haben einen Vergleich gezogen, um die falsche Berechnungsgrundlage zu verdeutlichen. Die Sinnhaftigkeit der Windenergie an der Auslastung festzumachen sei so überzeugend, wie Autoverkehr nur noch dann zuzulassen, wenn alle sehr schnell fahren.
Der Kapazitätsfaktor einer Windkraftanlage ist nicht nur vom Standort abhängig
Kapazitätsfaktor ist das Verhältnis einer tatsächlichen elektrischen Energieabgabe über einen definierten Zeitraum zur maximal möglichen elektrischen Leistungsabgabe über diesen Zeitraum und ist damit ein Maß für die Auslastung einer Windkraftanlage.
Zu berücksichtigen ist dabei u.a. die Tatsache, dass der Kapazitätsfaktor einer Windturbine neben dem Standort sehr von deren Alter abhängt. Der Kapazitätsfaktor für Windkraftanlagen, die in der Vergangenheit gebaut worden sind, variiert in Deutschland für Anlagen an Land in der Regel zwischen 15 und 30 Prozent. Im Offshore-Bereich hingegen werden höhere Kapazitätsfaktoren erreicht.
Auch die Auslegung der Anlage ist dabei wichtig. So wird der Kapazitätsfaktor sowohl von der Länge der Rotorblätter als auch von der Größe und Auslegung des Generators und der weiteren elektrischen Bauteile beeinflusst.
Auch Abschaltungen wegen Netzüberlastung sind zu berücksichtigen
Die Anlagen stehen nicht nur dann still, wenn kein Wind weht oder gerade Wartungsarbeiten laufen. Man muss auch Abschaltungen wegen einer Netzüberlastung berücksichtigen. Und das ist der springende Punkt. Sind einzelne Abschnitte eines Verteil- oder Übertragungsnetzes überlastet, werden gezielt Anlagen in dem betreffenden Netzgebiet abgeschaltet. Daher ist es wichtig, dass man den erzeugten Strom auch tatsächlich nutzen kann.
Die Windkraft ist unschlagbar günstig
Der Preis und die Kosten sind auch ausschlaggebend: Wenn man den Windstrom vom Norden bis nach Bayern durchleitet, soll er genauso teuer sein wie von einer Windkraftanlage in Bayern.
Allerdings ist eine Kilowattstunde trotz der schlechteren Auslastung nur halb so teuer wie die durch Atomstrom hergestellte Kilowattstunde.
Um noch mehr über diese Fragen aufzuklären, haben wir uns an den Bundesverband Wind Energie e.V. (BWE) gewandt und darum gebeten, die Berechnung der NZZ zu bewerten und die Ergebnisse einzuordnen. Und die Antwort war mehr als deutlich: Die Darstellungen der NZZ sind unzutreffend.
Ist die Berechnung fehlerhaft?
„Windenergie leistet bereits heute einen starken Beitrag zum deutschen Strommix. Unter allen beitragenden Energiequellen ist die Windenergie der stärkste individuelle Energielieferant“, kommentierte Frank Grüneisen, Pressereferent des Verbandes unsere Anfrage.
So habe Deutschland bereits jetzt einen größeren Stromexportüberschuss als im gesamten Jahr 2021. Ein Großteil dieser Exporte gehe nach Frankreich, wo rund die Hälfte der Kernkraftwerke aktuell außer Betrieb ist. Wie Grüneisen mitteilte, liegt die Erneuerbaren-Quote an der gesamten deutschen Stromerzeugung aktuell für das Jahr 2022 bei 45,6 Prozent.
„Wenn wir keine Ausbaubremse ab 2011/12 gehabt hätten, könnten wir heute – wie am 7. September der langjährige Chef des Freiburger Fraunhofer Instituts Prof. Eicke Weber im Handelsblatt schrieb – leicht etwa 80 Prozent unseres Stroms aus Erneuerbaren Energien erzeugen. Unsere Stromkosten wären niedriger und unsere Versorgungssicherheit höher“, sagte Grüneisen und resümierte: „All dies unterstreicht: Die Berechnung der NZZ ist falsch“.
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