Negative CO2-Bilanz 31.01.2024, 14:21 Uhr

Windkraft in Fertigbauweise: Schweden errichten höchstes Holzwindrad der Welt

In Schweden entsteht derzeit die höchste Holzwindenergieanlage der Welt. Der Holzturm wird 105 Meter hoch sein, mit Rotorblättern erreicht die Anlage eine Höhe von 150 Metern. Der Strom wird von einer 2-Megawatt-Windturbine erzeugt.

Holzturm

Der Turm wird aus vorgefertigten Modulen aus Furnierschichtholz zusammengesetzt.

Foto: Modvion

Das schwedische Start-up-Unternehmen Modvion hat eine innovative Windkraftanlage mit einem Turm aus Holzmodulen entwickelt. Derzeit errichtet das Unternehmen rund 130 Kilometer östlich von Göteborg für das Energieunternehmen Varberg Energi sein erstes kommerzielles Holzwindrad. Es wird mit einer Gesamthöhe von 150 Metern das höchste seiner Art werden.  Das Fundament für die Anlage wurde bereits Anfang 2023 gelegt. Derzeit befindet sich die Anlage in der Montagephase der Holzmodule. Varberg Energi geht davon aus, dass die Anlage noch in diesem Jahr mit der Stromerzeugung beginnen wird. Mit einer Leistung von zwei Megawatt kann sie rund 500 schwedische Haushalte mit Strom versorgen.

Montage der Module

Wie bei einem Fertighaus kann der Holzturm weitgehend in der Fabrik vorgefertigt werden. Dies geschieht bei Modvion in Göteborg, wo derzeit die letzten Holzmodule aus Furnierschichtholz (LVL) hergestellt werden. LVL steht hierbei für Laminated Veneer Lumber. Die gebogenen Module sind 16 bis 24 Meter lang und werden auf der Baustelle zu Zylindern zusammengesetzt und dann mit einem Kran übereinandergestapelt. Für die Rekord-Holzwindenergieanlage werden mehrere solcher Zylinder benötigt, um auf eine Turmhöhe von 105 Metern zu kommen.

Auf dem Turm wird eine 2-Megawatt-Turbine des dänischen Herstellers Vestas installiert, der seit 2021 auch an Modvion beteiligt ist. Mit den Rotorblättern erreicht die Anlage die bereits erwähnte Gesamthöhe von 150 Metern. Es ist das erste Mal, dass die Turmtechnologie von Modvion mit einer Turbine von Vestas kombiniert wird. Der Turm soll noch in diesem Jahr in Betrieb genommen werden.

Der Turm der aktuell gebauten Windkraftanlage wird 105 Meter hoch sein. In Zukunft sollen Holzwindräder aber auch bis zu 200 Meter hoch werden, so der Hersteller. Ob noch wesentlich mehr möglich ist, wird sich zeigen. Manche Quellen schreiben, dass eine Höhe von 1500 Metern realistisch sei. Das scheint uns jedoch etwas zu hoch gegriffen.

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Module

Die Module werden per Kran vom LKW abgeladen und auf der Baustelle zusammengesetzt.

Foto: Modvion

Was macht ein Holzwindrad so besonders?

Im Vergleich zu einem Turm aus Stahl oder Beton ist ein Holzturm wesentlich umweltfreundlicher. Der Turm einer Windkraftanlage ist in der Regel das Teil, bei dessen Herstellung am meisten CO2 freigesetzt wird. Durch den Wechsel auf einen Holzturm werden die CO2-Emissionen nach Angaben des Herstellers drastisch gesenkt. Die Holzkonstruktion soll sogar mehr Kohlenstoffdioxid speichern, als bei der Produktion ausgestoßen wird.

Das für die Module verwendete Schichtholz zeichnet sich zudem durch ein günstigeres Festigkeits-Gewichts-Verhältnis aus als die für Windkrafttürme üblichen Stahlsorten, wodurch leichtere Türme realisiert werden können. Durch die patentierte Modulbauweise können diese einfach auf normalen Straßen transportiert werden, ohne dass aufwändige Genehmigungsverfahren durchlaufen werden müssen. Im Vergleich zu herkömmlichen Stahltürmen bietet diese Technologie eine kostengünstige Lösung für hohe Türme.

„Holz ermöglicht den Bau höherer Türme zu geringeren Kosten, was die Windenergie effizienter macht, da die Winde in höheren Lagen stärker und stabiler sind. So kann man mit jeder Genehmigung für den Bau von Windturbinen mehr Strom erzeugen“, erklärt der CEO von Modvion, Otto Lundman. Seine Vorstandskollegin Maria-Lina Hedlund ergänzt: “Unsere Technologie kann der Windindustrie helfen, die Emissionen drastisch zu reduzieren und gleichzeitig höhere Türme zu ermöglichen, um stärkere Winde zu erreichen“.

Wie sieht es mit Witterungsschutz und Brandgefahr aus?

Holzturm – bedeutet das nicht schnelle Verwitterung und erhöhte Brandgefahr? Modvion verneint das. Die Holztürme seien mit einer dicken Farbe beschichtet, die sie wasserdicht macht. Im Inneren würde dadurch ein kontrolliertes Luftvolumen entstehen, das mit dem massiven Holzvolumen interagiert. Schäden durch Feuchtigkeit seien dadurch nicht zu befürchten, da es einen gesunden Spielraum für Feuchteprobleme gebe. Die Türme könnten sogar Offshore gebaut werden, wie das Unternehmen mitteilt.

Auch in Sachen Brandschutz sehen die Verantwortlichen ihren Holzturm im grünen Bereich. Zwar brenne Holz bei entsprechenden Bedingungen leicht, aber Vollholz sei schwer zu entzünden. Sie sehen in ihrer Holzbauweise sogar Vorteile gegenüber der Stahlbauweise. Massives Holz würde nur dort verkohlen, wo es dem Feuer direkt ausgesetzt ist. Eine Stahlkonstruktion hingegen verflüssigt sich bei großer Hitze und versagt.

Holzröhre

Aus Modulen werden Zylinder, diese werden zu einem Turm gestapelt.

Foto: Modvion

Wie sieht es mit der Recyclingfähigkeit aus?

Da die Rotorblätter keine anderen sind als bei sonstigen Windkraftanlagen, wird die Holzwindradanlage am Ende seiner Lebensdauer die gleichen Recycling-Probleme haben. Anders sieht es beim Holzturm aus. Dieser kann nach Auskunft von Modvion am Ende seines ersten Lebens einfach abgebaut werden. Danach lassen sich die Wandelemente in einem zweiten Leben als hochfeste Träger in der Bauindustrie nutzen. Das Unternehmen geht sogar so weit, seine Holztürme als vertikale Kohlenstoffspeicher zu betrachten.

Apropos Kohlenstoffspeicher: Laut Modvion hat ein Holzturm eine Kohlenstoffspeicherkapazität zwischen 240 und 950 Tonnen CO2. Insgesamt würde ein 110 Meter hoher Turm aus Holz 125 Tonnen CO2 emittieren, er besitzt daher eine negative Netto-Klimabilanz. Ein gleichhoher Turm aus Stahl hätte hingegen Lebenszyklusemissionen von 1250 Tonnen Kohlendioxid.

Wie sieht es mit der Verankerung im Boden aus?

Für eine effiziente Windenergieanlage ist eine stabile Verankerung des Holzturms im Boden unerlässlich, da die Anlage bei hohen Windgeschwindigkeiten starken Kräften ausgesetzt ist. Hier kommt Proplate in Spiel, ein Unternehmen, das sich auf komplexe Stahlkonstruktionen spezialisiert hat. Die Herausforderung liegt in der sicheren Verbindung des Holzturms mit dem Stahlbetonfundament sowie der Gondel am Turmknoten, um Stabilität und Sicherheit über die gesamte Lebensdauer zu gewährleisten.

Stahllamellen zur Verbindung mit den Holzelementen

Stahllamellen zur Verbindung mit den Holzelementen.

Foto: Proplate

Die Verbindung von Holz und Stahl erfordert eine spezielle Technik. Proplate liefert dazu Stahlkomponenten, die den Turm mit dem Fundament und der Gondel verbinden. Diese bestehen aus 110 plus 60 Stahlpaneelen mit je vier geschweißten Stahllamellen, die fest mit dem Betonfundament verbunden sind. Die Stahllamellen sind perforiert und beidseitig mit einem Kleber beschichtet, der in Schlitze im Holz des Turms eingesetzt und ausgehärtet wird. Dies schafft eine ultradichte Holz-Stahl-Verbindung, die auch an der Verbindung zwischen Turm und Stahlgondel funktioniert.

Das Ergebnis ist eine robuste Kombination aus Holz und Stahl. Die Bodenverankerung ist starr, sodass der Turm sich nicht bewegt. In der Höhe ermöglicht die verleimte Struktur, dass sich der Turm bei starken Windlasten bewegen kann, ohne die Holz-Stahl-Verbindung zu beeinträchtigen.

Gibt es künftig häufiger Windkraftanlagen aus Holz?

Noch stecken Holzwindräder in den Kinderschuhen, doch zumindest besteht bereits ein erhöhtes Interesse daran. Laut einer von Modvion durchgeführten Sifo-Umfrage stehen fast vier von zehn Schweden der Windenergie positiver gegenüber, wenn die Türme aus Holz gebaut sind. Ob das in Deutschland ähnlich wäre? Schwer zu sagen. Generell sehen viele Deutsche Windkraft skeptisch – sei es wegen des hohen Flächenverbrauchs, des Schattenwurfs oder wegen des Infraschalls. Daran würde auch ein Holzturm nichts ändern.

Der schwedische Ableger von RWE ist jedenfalls sehr an den modularen Türmen aus Holz interessiert und ist eine Partnerschaft eingegangen. Mit Holztürmen will das Unternehmen seine Produktionskapazitäten erhöhen und gleichzeitig seinen ökologischen Fußabdruck verringern.

So sagt Lars Borisson, Leiter der Abteilung Onshore Origination & Development Nordics bei RWE Renewables: „Wir sehen, dass modulare Türme aus laminiertem Holz ein erhebliches Marktpotenzial haben und dazu beitragen können, die Kosten für neue erneuerbare Stromerzeugung zu senken, indem Stahl und Beton durch umweltfreundliches und klimafreundliches Holz ersetzt werden. RWE wird den Holzturm von Modvion auf seinen möglichen Einsatz in zukünftigen Windparks prüfen.“

Ein Beitrag von:

  • Dominik Hochwarth

    Redakteur beim VDI Verlag. Nach dem Studium absolvierte er eine Ausbildung zum Online-Redakteur, es folgten ein Volontariat und jeweils 10 Jahre als Webtexter für eine Internetagentur und einen Onlineshop. Seit September 2022 schreibt er für ingenieur.de.

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