Husum WindEnergy 2012 21.09.2012, 11:52 Uhr

Windkraft in luftigen Höhen ertragreicher

Bei der Windkraft gilt eine Faustformel – mit jedem Meter mehr in den ertragreicheren Luftschichten steigt die Windernte ab einer Nabenhöhe von 100 m um 1 %. Dass es in der Branche durchaus Bedarf an innovativen Turmkonzepten gibt, zeigen mehrere Hersteller und Konsortien auf der in dieser Woche laufenden Branchenleitmesse Husum WindEnergy (18. bis 22. 9. 2012) in Schleswig-Holstein.

In der Windkraft-Branche gibt es Bedarf an innovativen Turmkonzepten

In der Windkraft-Branche gibt es Bedarf an innovativen Turmkonzepten

Foto: Werkfoto

Sechs Jahre lang haben Geschäftsführer Detlef Bengs und ein fünfköpfiges Team des Stahlbauers Butzkies an der Entwicklung eines neuen Gitterturmkonzeptes getüftelt. Die größte Herausforderung war die Suche nach einer neuen Schraube, mit der das Problem intensiver Wartung behoben wird.

„Wir haben deshalb eine neuartige Schließringbolzenverbindung in Kaltformniet in Kooperation mit der Alcoa Fastening Systems und dem Rostocker Anwendungszentrum Großstrukturen in der Produktionstechnik der Fraunhofer-Gesellschaft entwickelt“, erklärt Bengs. Damit soll dieses neue Produkt, für das seit April 2012 eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung des Deutschen Instituts für Bautechnik vorliegt, wartungsfrei sein.

Wartungsfreie Windkraft-Anlagen als Ziel

Nicht nur deswegen ist Bengs voller Zuversicht. „Bei 20 000 Bolzen pro Turm bringt deren Wartungsfreiheit für den Windmüller im Vergleich zum herkömmlichen Gittermast eine jährliche Einsparung von bis zu 20 000 €“, rechnet der Diplom-Ingenieur vor, „bei unserer Lösung kommt es zudem nicht mehr zu Betriebsstörungen, die durch Schraubenausfälle verursacht werden.“

Er sieht vor allem für Anlagen ab einer Nabenhöhe von 100 m und mehr gute Chancen, sich im global wachsenden Markt etablieren zu können. So sei das verwendete mehrteilige Hohlprofil wesentlich knicksteifer als gängige Winkelkonstruktionen. Zudem sei der Rückbau günstiger und die Transportfähigkeit der Gitterelemente gegenüber Rohrtürmen besser, so die Argumente, die der Neuling im Windsektor anführt. Auf jeden Fall fällt der geringere Materialaufwand bei steigenden Rohstoffpreisen ins Gewicht.

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Der erste Butzkies-Prototyp ist Ende Juli in der Nähe von Krempe in Schleswig-Holstein errichtet worden. Auf dem Gittermast mit einer Nabenhöhe von 61,5 m – mehr ließen die Genehmigungsbehörden nicht zu – hat der Windturbinenhersteller Vensys eine seiner V77-Gondeln mit einer Leistung von 1,5 MW montiert.

Hält die Testphase tatsächlich, was Butzkies verspricht, will die Windschmiede aus dem saarländischen Neunkirchen den Gittermastturm zukünftig ins Portfolio aufnehmen und seinen Kunden weltweit anbieten. „Wir wollen uns bei den Türmen breit aufstellen, um für jeden Standort eine technologische, logistische und preisliche Alternative anbieten zu können, und zwar für möglichst große Höhen“, sagt Vensys-Vertriebsleiter Theodor Peters.

 Als nächste Turmvariante testet Vensys demnächst – wiederum mit einer V77 – als erster Windturbinenhersteller einen Holzturm, mit dem Höhen von 160 m durchaus möglich sein sollen. Entwickelt hat diese Technik das Hannoveraner Startup Timbertower. Nach vielen Verzögerungen wird der erste Turm derzeit auf dem Forschungsgelände der Leibniz-Universität in Hannover vom Holzbauer Cordes errichtet, erst einmal mit 100 m Höhe. Die 75-m-Marke ist mittlerweile erreicht. „Bis spätestens Ende September hoffen wir, die noch fehlenden 25 m auf den Turm gesetzt zu haben“, sagt für Marketing- und Vertriebsleiter Holger Giebel.

Dass der Holzturm „Jahrzehnte“ einen sicheren Stand bietet, daran haben die Entwickler keine Zweifel. Eine Kunststoffschicht soll das spezielle Baumaterial „Brettsperrholz“ mit kreuzweise übereinander gestapelten und miteinander verleimten Fichtenbrettern gegen Wind und Wetter wappnen. Mit Salzluft komme, so Giebel, das natürliche Baumaterial Holz im Offshorebereich ohnehin besser klar als Stahl, was beispielsweise das biblische Alter mancher Seebrücken erkläre.

Windkraft-Anlagen aus Holz: Bis zu 20 % günstiger

Zudem sei Holz gegenüber Stahl als Werkstoff 10 % bis 20 % preisgünstiger und einfacher zu transportieren. Während Stahlrohrturmsegmente aufwendig mit Schwertransporten zur Baustelle gekarrt werden müssen, spricht Timbertower von „einer logistischen Revolution“: Die Bausätze werden in Containern an den Standort geliefert, was auch zur Kosteneinsparung beiträgt.

Ein weiteres Beispiel kommt von der niederländischen Advanced Tower Systems (ATS) aus Enschede. Bei deren Hybridbautechnik wird der Betonsockel nicht am Stück gegossen, sondern aus vorgefertigten Einzelteilen zusammengesetzt. „Auf diese Weise lassen sich Türme einfach und kostengünstig zu ihrem Bestimmungsort bringen“, erklärt Frans Brughuis, der Erfinder des ATS-Baukastenprinzips.

Bis Jahresende werden rund 30 der ATS-Türme errichtet sein, alle in Windparks der Juwi Holding AG, die an ATS beteiligt ist. „Mit dem ATS-System sind Nabenhöhen von 145 m locker drin, was sehr wichtig für die Wirtschaftlichkeit unserer Binnenland-Projekte ist“, sagt Unternehmenssprecher Christian Hinsch.

Weitere Innovation: Windkraft-Anlagen aus Beton-Fertigteilen

Unlängst hat ATS die eigene Konstruktion optimiert. Die Turmsegmente bestehen aus acht Betonfertigteilen und erreichen eine Höhe von 16 m. Je fünf dieser Segmente werden komplett am Boden zu sogenannten Vollringen vormontiert.

„Früher wurden diese Ringe beim Bau des Turms in luftiger Höhe zusammengestellt und die Fugen vermörtelt. Wir brauchten damals vier Hübe mit dem Kran, um einen Vollring fertigzustellen. Bei stärkerem Wind hatten wir deshalb oft längere Wartezeiten zwischen den Einzelhüben“, erklärt Hinsch, warum das neue Vorgehen Zeit spart und eine verbesserte Qualität ermöglicht. Nach seinen Worten steigt das Interesse an den ATS-Türmen, auch im Ausland.

So weit ist Detlef Bengs aus Krempe mit seinem neuen Gitterturm längst noch nicht. Die Husum WindEnergy nutzt er für einen ersten Werbeauftritt. Da sich der Mittelständler für das internationale Geschäft nicht überheben will, ist das Familienunternehmen eine strategische Partnerschaft mit dem weltweit tätigen Stahlkonzern Voestalpine eingegangen. Neben der eigenen Produktion ist beabsichtigt, in anderen Ländern Lizenznehmer zu finden, die die jeweiligen regionalen Märkte bedienen.

Ein Beitrag von:

  • Dierk Jensen

  • Ralf Köpke

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