Windkraftingenieure arbeiten an den Kosten
Die Europäische Windenergiekonferenz EWEA ist traditionell die erste Standortbestimmung der Branche im Jahr. Diesmal zu Gast in Wien, wurde deutlich, dass die Branche zunehmend gereift ist. In der Anlagenentwicklung standen die Effizienz von Maschinen und Fertigung im Vordergrund. Im Fokus stehen wieder mehr die Onshore-Anlagen.
Jürgen Zeschky wirkte aufgeräumt: „Ich hätte nichts dagegen, wenn wir erneut zum Trendsetter werden.“ Der Chef des Windturbinenherstellers Nordex SE aus Hamburg hat allen Grund zur Zufriedenheit. Vor gut zwei Jahren preschte die norddeutsche Windschmiede mit einer neu entwickelten Schwachwindturbine auf den Markt, der N117/2400. Der noch junge Windpropeller hat sich mittlerweile zum Benchmark in dieser Windklasse entwickelt, was Nor-
dex eine Reihe neuer Kunden verschafft hat.
Zeschky nutzte die Europäische Windenergiekonferenz EWEA, die in der ersten Februarwoche in Wien stattfand, um gleich zwei Neuheiten anzukündigen – und zwar für die höheren Windklassen. Dabei ist die N117/3000 mit einer Generatorleistung von 3 MW für Standorte mit mittleren Windgeschwindigkeiten gedacht. Für die Regionen, in denen der Wind richtig kräftig bläst, haben die Norddeutschen die N100/3300 mit 3,3 MW Leistung entwickelt.
Die beiden neuen Turbinen mit größerer Nennleistung und erweiterter Rotorfläche bietet Nordex zudem auf höheren Türmen an. „Damit können beide Maschinen über 30 % mehr Strom erzeugen als ihre Vorgängermodelle“, betonte Jörg Scholle, der bei Nordex die Entwicklungsabteilung leitet.
Das sei vor allem in den beiden Windklassen IEC II und IEC I (s. Kasten) mit den höheren Windgeschwindigkeiten evident: „Genau in diesen Klassen verdienen die Windmüller wirklich gutes Geld, weshalb es einfach Sinn macht, effizientere Windturbinen zu entwickeln“, sagte Scholle. Dass der Diplomingenieur die Weiterentwicklungen auch genutzt hat, um eine Reihe von Kleinigkeiten, wie den Zugang für Servicekräfte in die Gondel, zu verbessern, versteht sich fast von selbst.
Wenn es in den zurückliegenden Jahren neue Anlagen in der Windbranche gab, dann waren es meist Multi-Megawatt-Anlagen für den Einsatz auf See. Mittlerweile stehen bei fast allen Herstellern die On-
shore-Maschinen wieder im Fokus: „Das Ziel dabei ist, die Kosten pro produzierter Kilowattstunde weiter zu senken“, beschrieb Andreas Reuter, Co-Leiter des Fraunhofer-Instituts für Windenergie und Energiesystemtechnik (IWES) in Bremerhaven, den Trend
Die Rezepte, so Reuter, der auch das Institut für Windenergiesysteme an der Universität Hannover leitet, gleichen sich: „Höhere Türme, größere Rotoren und Hybridversionen bei Getriebeanlagen, bei denen unter Verzicht auf die dritte Getriebestufe das Getriebe an den Generator geflanscht wird.“ Technologische Neuigkeiten hat Reuter deshalb auf der EWEA-Konferenz auch nicht entdeckt.
Wenn Friedrich Klinger, Emeritus der Forschungsgruppe Windenergie an der Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes, einen Trend ausgemacht hat, dann den von der Abkehr immer größerer Windturbinen: „Die spezifischen Massen steigen mit jedem installierten Megawatt an, was die Anlagen unwirtschaftlicher macht.“
Der 75-jährige Klinger gilt als Nestor der Gilde deutscher Windkraftanlagenentwickler. Er sieht ein „Back to the roots“: „Bewährte Technologien werden optimiert, es gibt keine Revolution mehr in der Windtechnik, allenfalls Evolutionen.“ Für weitere Kostensenkungen sorge eine industrielle Fertigung: „Es kommt nicht von ungefähr, dass der GE-Konzern mit seiner 1,5-MW-Anlage die wohl wirtschaftlichste Anlage anbietet. Die Turbine ist tausendfach gefertigt worden.“
Solche Stückzahlen kann Kenersys Europe, das 2007 gegründete Tochterunternehmen der indischen Kalyani-Gruppe, längst noch nicht vorweisen. Der noch junge Windanlagenhersteller mit Sitz in Münster verfolgt für seine Anlagenentwicklung die auch bei anderen Windunternehmen gängige Plattformstrategie.
Die Westfalen nehmen aber für sich in Anspruch, mit ihrem „One-World-Turbine“-Konzept die Plattformstrategie so konsequent wie kein anderer Hersteller umzusetzen. Was das konkret heißt, beschrieb Technik-Leiter Markus Becker: „Die Elektrotechnik ist beispielsweise in allen unseren Anlagen identisch. Egal ob eine Kenersys-Anlage in Deutschland, in den USA oder in Indien ans Netz geht, der Investor kann sich darauf verlassen, dass sie einwandfrei funktioniert.“ Was schon ein Kunststück ist: Auf der einen Seite gibt es das sichere, ausgefeilte Netz in Deutschland, wo es kaum Netzausfälle gibt. Auf der anderen Seite müssen die Kenersys-Anlagen zum Beispiel mit dem überforderten Stromnetz in Indien zurechtkommen.
Becker und sein Team arbeiten mit Hochdruck daran, ihr „One-World-Turbine“-Konzept technologisch weiter zu optimieren: „Uns kommt natürlich entgegen, dass wir bei der Entwicklung unserer neuen Anlagenserien vom weißen Blatt starten und so eine Anlagenplattform konzipieren konnten, die den weltweit verschiedenen Anforderungen beim Netz, beim Klima, den Windverhältnissen, aber auch bei einer nachhaltigen Produktion gerecht wird“, so der Technik-Leiter. All das helfe, um die Kosten für die erzeugte Kilowattstunde Windstrom zu senken.
Dass sich auch Plattformen für Offshore-Windturbinen weiterentwickeln lassen, bewies der Siemens-Konzern in Wien. Dessen Wind Power Division präsentierte an der Donau eine neue Offshore-Maschine mit 4 MW Leistung, eine Weiterentwicklung der weltweit am häufigsten verkauften 3,6-MW-Anlage.
15 % soll die SWT-4,0 bringen, auch dank des um 10 m auf dann 130 m vergrößerten Rotordurchmesser. Selbst mit diesen Leistungsparametern ist Siemens neueste Windturbine klein im Vergleich zu den geplanten großen Brummern von Vestas, Samsung oder Mitsu-
bishi. „Größe ist nicht alles. Wenn es keinen Bedarf für diese Maschine gäbe, würden wir sie nicht bauen“, heißt es bei Siemens. Einen ersten Kunden in den Niederlanden konnte Siemens für die neue Anlage bereits begeistern.
Was ganz auf der Linie von Nordex-Chef Zeschky liegt: „Wir brauchen ständig Innovationen, damit die ‚costs of energy‘ der Windenergie weiter sinken. Das ist der Motor, um die Windkraftindustrie zu stärken.“ RALF KÖPKE
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