Windparkentwickler Windreich versucht die Sanierung durch Insolvenz
Windreich, ein Pionier bei der Entwicklung von Offshore-Windparks in der Nordsee, hat Insolvenz in Eigenverantwortung beim Amtsgericht Esslingen gestellt. Geschäftsführer Willi Balz hat das Unternehmen verlassen.
Der 9. September 2013 war ein schwarzer Tag für den Windreich-Geschäftsführer Willi Balz. An diesem Tag hat sich der Windenergie-Pionier aus der Geschäftsführung seines Windreiches mit sofortiger Wirkung zurückgezogen. „Ich trage es mit Anstand. Ich habe alles gegeben“, sagte Balz. Der neue alleinige Geschäftsführer ist Werner Heer. Heer war bisher Berater des schon länger strauchelnden Windkraftbetreibers und hat zuletzt den Windradbauer Fuhrländer durch eine Insolvenz in Eigenverwaltung geführt.
Genau eine solche hat Ex-Geschäftsführer Willi Balz Ende vergangener Woche beim zuständigen Amtsgericht Esslingen beantragt und auch bewilligt bekommen. „Mit dem Antrag auf eine Sanierung in Eigenverantwortung sichern wir die Fortführung des operativen Geschäfts, um das MEG 1-Projekt zu einem erfolgreichen Abschluss zu führen“, erklärte der neue Geschäftsführer Werner Heer. Balz hatte mit einem Teilverkauf des Offshore-Windparks MEG 1 in der deutschen Bucht in einer Entfernung von 45 Kilometer nördlich von Borkum gehofft, sich aus der engen Umklammerung von Banken befreien zu können. 120 Millionen Euro hätte dieser Teilerfolg erlösen können. Ende August schickte Balz eine Brief an die Anleihegläubiger, den er überschrieb: „Das Blatt wendet sic h zum Guten – technisch, politisch und wirtschaftlich.“
1200 Aktenordner beschlagnahmt
Das muss wohl unter Zweckoptimismus verbucht werden. Denn schon seit dem Frühjahr ermittelt die Staatsanwaltschaft Stuttgart bei Windreich mit Sitz in der 6000-Seelen-Gemeinde Wolfschlugen wegen Insolvenzverschleppung. Geschönte Jahres- und Konzernabschlüsse lautet der Vorwurf gegen fünf aktive und ehemalige Windreich-Manager, unter ihnen auch Willi Balz und der FDP-Politiker und frühere baden-württembergische Wirtschaftsminister Walter Döring. Döring hatte bei Windreich verschiedene Funktionen inne, vom Vorstand über den Aufsichtsrat. Weiter ermittelt die Staatsanwaltschaft Stuttgart wegen Kapitalbetrug, Marktpreismanipulation und Kreditbetrug. Anfang März hatten 35 Einsatzkräfte des Landeskriminalamtes Baden-Württemberg in Büros und Privaträumen 1200 Aktenordner mit Unterlagen beschlagnahmt.
Windreich-Anleihen vom Handel ausgesetzt
Die angeschlagene Windreich GmbH zahlte unter Balz schon des Öfteren die Gehälter seiner 90 Mitarbeiter verspätet oder sogar die Zinsen der Anleihegläubiger – bis dieser aus seinem Privatvermögen Geld in das Unternehmen lenkte. Zudem setzte die Stuttgarter Börse den Handel der Windreich-Anleihen im Mittelstands-Segment BondM aus Anlegerschutzgründen vorübergehend aus. Windreich hatte sich geweigert, ein aktuelles Rating der Bewertungsagentur Creditreform zu veröffentlichen. So etwas geht nicht auf Dauer gut.
Schon vor gut einer Woche hatte jetzt ein Windreich-Gläubiger mit Millionenforderungen einen Insolvenzantrag gestellt. Das Amtsgericht eröffnete das Verfahren jedoch nicht, weil Balz offenbar glaubhaft machen konnte, seine Zahlungsprobleme lösen zu können. Die Mittel aus dem Teilverkauf des Offshore-Windparks hätten ausgereicht, um einen 70-Millionen-Euro-Kredit an die Schweizer Privatbank Safra Sarasin zurückzuzahlen.
Drei Monate Zeit zur Sanierung
Im jetzt bewilligten Insolvenzverfahren in Eigenregie ist Windreich vor dem Zugriff seiner Gläubiger geschützt und muss die Geschäfte nicht einem Insolvenzverwalter übergeben. Zum vorläufigen Sachwalter des Verfahrens ist Holger Blümle von der Kanzlei Schultze & Braun bestellt worden. Das Verfahren in Eigenregie kann drei Monate lang aufrechterhalten werden. Hat es bis dahin nicht mit der Sanierung der Firma geklappt, folgt die endgültige Insolvenz.
Windreich hat unter Willi Balz bis Ende 2012 einen Berg von gut 300 Millionen Schulden angehäuft. „In den Gesprächen mit unseren Investoren wurde deutlich, dass ein Managementwechsel Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Fortsetzung unserer Gespräche ist“, sagte Sanierer Heer.
Windreich ist Marktführer in der deutschen Nordsee
Die 1999 von Willi Balz als FC Windkraft GmbH gegründete Windreich GmbH baut, finanziert und vertreibt Windkraftanlagen an Land und auf offener See. Vor allem vor der deutschen Ost- und Nordseeküste hat sich Balz mit Windreich Flächen für Windparks gesichert. Laut dem Marktforschungsinstitut Wind Research ist Windreich mit 35 Prozent der gesicherten Flächen für Offshore-Windparks der Markführer in der deutschen Nordsee. Doch gerade diese Offshore-Geschäfte bergen einen Menge Risiken. Windreich geht für jedes Projekt mit 20 bis 40 Millionen Euro in Vorleistung, ohne sicher sein zu können, dass am Ende eine Genehmigung vorliegt.
Die Branche staunte schon seit längerem, dass die Firma die Finanzierung der Riesen-Offshore-Projekte trotz der bestehenden Unsicherheiten wie etwa die fehlende Netzanbindung stets stemmen konnte. Ganz anders die großen Konzerne, die in der Vergangenheit ihre Windparkprojekte auf dem Meer ruhen gelassen haben, weil ihnen die Unsicherheiten zu groß erschienen.
MEG 1 hat Netzzusage und Baugenehmigung
Das ist beim Windpark MEG 1 anders. „Für dieses Projekt liegt eine unbedingte Netzzusage und Baugenehmigung vor. Das Umspannwerk ist durch die Tennet bereits errichtet worden“, schreibt Windreich in seiner aktuellen Pressemitteilung zur Insolvenz. Ein Konsortium, bestehend aus Areva Wind und Hochtief, führt das Projekt im Rahmen eines Generalunternehmervertrags schlüsselfertig durch. Der Windpark soll 2015 fertiggestellt sein. „Wir bewegen uns auf der Zielgeraden dieses für die Energiewende und die Sicherung der Arbeitsplätze an der Küste wichtigen Projekts. Wir werden nun sicherstellen, dass die Projektgesellschaft MEG 1 von der Windreich-Sanierung unberührt bleibt“, so Sanierer Heer.
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