Windkraft 13.04.2012, 11:58 Uhr

Winergy präsentiert neues Antriebssystem für Windturbinen

Erneuerbare Energien sind auch 2012 auf der Hannover Messe (23. bis 27. April) wieder Ausstellungsschwerpunkt der Leitmesse „Energy“. Das Augenmerk liegt hier auf der Windkraft. Techno-logisch spannend ist ein dritter Weg zwischen klassischem Getriebe und getriebelosem Antriebsstrang. Auf der Hannover Messe 2011 als Konzept vorgestellt, können die Entwickler jetzt mit ersten Daten aus dem Betrieb aufwarten. Die Technik ist marktreif.

Die Wochen vor Ostern hat Matthias Deicke mit Hochdruck gearbeitet. Dem Elektrotechniker, der seit zweieinhalb Jahren die Abteilung Elektrische Systeme bei der Winergy AG leitet, saß die Mitte April in Kopenhagen stattgefundene Europäische Windenergie-Konferenz (EWEA) in Kopenhagen im Nacken. Nach Dänemark wollte er unbedingt erste Messreihen vom Prüfstand mitnehmen. „Das ist einer der wichtigsten Branchentreffs, um unser neuestes Baby vor einem Fachpublikum zu präsentieren.“

Das Baby trägt den Namen Hybrid-
Drive, hinter dem sich eine neue Antriebsvariante für Windturbinen verbirgt. Was schon für Aufmerksamkeit sorgt. Denn, wenn ein Thema die Windbranche in den vergangenen zwei, drei Jahren technologisch bewegt hat, war es die Frage nach dem Antrieb, mit Getriebe oder getriebelos.

Winergy HybridDrive: Getriebe und Generator bilden eine Einheit

Als dritten Weg bringt Winergy, mit weit über 60 000 ausgelieferten Getrieben weltweit Nummer eins in der Windbranche, nun die HybridDrive-Variante auf den Markt. Genau genommen basiert HybridDrive auch auf einem Getriebeantrieb, dennoch hat das Konzept so viele Neuerungen, dass es für reichlich Wirbel in der Gondel sorgen dürfte.

Winergy hat sich bei dieser Variante von der klassischen Anordnung bei Antriebssträngen – einem meist dreistufigen Getriebe folgen Kupplung, Generator und Umrichter – verabschiedet. Stattdessen haben die Entwicklungsingenieure auf die dritte Getriebestufe, die Stirnradstufe, verzichtet und haben mehr oder weniger das Getriebe an den Generator geflanscht, der je nach Kundenwunsch permanent oder elektrisch erregt wird. Getriebe und Generator bilden so eine Einheit.

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Die Idee, erzählt Matthias Deicke, ist nicht einmal neu. Bereits in den 1980er-Jahren des vorigen Jahrhunderts gab es entsprechende Überlegungen am National Renewable Energy Laboratory, dem wichtigsten Forschungslabor für erneuerbare Energien in den USA. „Nur wirklich umgesetzt hat es niemand“, betont Deicke den Unterschied.

Er sieht gleich mehrere Vorteile in dem HybridDrive-Konzept: Mit der fehlenden Stirnradstufe sinkt die Generatorendrehzahl von etwa 1600/min auf 430/min bis 470/min. „Dadurch bekommt der Generator mehr Drehmoment und wird höher, aber wesentlich kürzer. Im Vergleich zu konventionellen Triebsträngen reduziert sich die Länge um 35 %“, erklärt der Winergy-Mann. „Beim Gewicht kommen wir auf eine Reduktion bis zu 10 %.“ Für eine Maschine der 3-MW-Klasse liegt das Gewicht des HybridDrive zwischen 25 t und 31 t.

Masse kostet Geld, gerade bei Windkraftanlagen. Ein niedrigeres Gondelgewicht bedeutet einen einfacheren Transport, vereinfachten Aufbau sowie kostengünstigere Fundamente. Was auf See noch viel mehr ins Kontor schlägt. Dass der HybridDrive-Antrieb auch für Offshore-Propeller vorgesehen ist, liegt auf der Hand.

Winergy HybridDrive erleichtert Wartungsarbeiten dank kompakter Bauweise

Der verkürzte Antriebsstrang schafft auf jeden Fall Platz im Gondelhaus, der sich beispielsweise für den Umrichter und den Trafo nutzen lässt. „Wenn ich ganz oben die Mittelspannungskabel anschließe und nicht erst mit Niederspannung bis in den Turmfuß gehe, kann ich die Niederspannungskabelverluste in etwa halbieren“, so Deicke. Die kompaktere Bauweise und die niedrigeren Gewichte, verweist er auf ein weiteres Plus, erleichtern Service- und Wartungsarbeiten. Dank des modularen Aufbaus aller Komponenten lassen sich alle Bauteile mit einem kleinen Servicekran im Maschinenhaus bewegen. „Das spart Kosten“, sagt Deicke.

Die Probe aufs Exempel wagt Winergy mit der neuen 3-MW-Maschine gemeinsam mit der Fuhrländer AG und dem Ingenieurbüro W2E GmbH aus Rostock (mittlerweile auch Teil von Fuhrländer), eine Kooperation, deren Präsentation auf der letztjährigen Hannover Messe zu den ganz wenigen technologischen Highlights im Windenergiesektor gezählt hat. Zwei Prototypen der neuen FL 3000 mit einem Rotordurchmesser von 120 m will die traditionsreiche Windschmiede in diesem Jahr in Westerland nahe des Firmensitzes und in der Umgebung von Rostock errichten. „Wir wollen unseren Kunden eine schicke Technologie bieten, die bei Gewicht und Bauteillänge Maßstäbe setzt“, sagt Unternehmenssprecher Walter Lutz. Fuhrländer als Binnenlandexperte habe sich bewusst für den HybridDrive entschieden, weil alle größeren Windturbinen mit einer Gondel von mehr als 5 m zunehmend Transportschwierigkeiten bekämen: „Mit unserer Variante liegen wir bei 4 m, was die Logistik spürbar einfacher macht.“

Was Lutz nicht groß betont, ist, dass Fuhrländer dank des HybridDrive-Antriebs erst einmal ein Alleinstellungsmerkmal bei seinem verspäteten Eintritt in die 3-MW-Klasse hat. Vestas oder REpower tummeln sich längst in der Größenklasse, die sich hierzulande als neue Brot-und-Butter-Klasse für die Windturbinenhersteller abzeichnet. Für Fuhrländer ist die FL 3000 ein Hoffnungsträger, zumal die Geschäfte derzeit nicht richtig rund laufen: Anfang März musste die traditionelle Windschmiede aus dem Westerwald die Entlassung von gut 70 Mitarbeitern bekannt geben.

„Wir haben mit Fuhrländer für den HybridDrive keine Exklusivität vereinbart“, sagt Winergy-Mann Deicke. „In der Zusammenarbeit mit Fuhrländer haben wir die Chance gesehen, sehr schnell unsere HybridDrive-Lösung auf den Mast zu bringen.“ Seit der Präsentation in Hannover sei weniger als ein Jahr vergangen.

Winergy will für HybridDrive auf der Hannover Messe werben

Um die ersten HybdridDrive-Getriebe zu testen, musste Winergy eine Menge Umbauten für den Prüfstand vornehmen. „Bislang hatten wir es hier immer nur mit Getrieben zu tun gehabt, nie mit elektrischen Systemen“, erklärt Deicke.

Nach Kopenhagen will der Winergy-Mann auch auf der Hannover Messe mit interessierten Kunden über die ersten Messprotokolle reden. Mitte September werden pünktlich zur Windenergie-Messe in Husum dann noch weitaus verlässlichere Werte vorliegen. „Vor uns liegen jedenfalls sehr spannende Wochen“, sagt Deicke.

Ein Beitrag von:

  • Ralf Köpke

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