Faktencheck 18.12.2017, 07:31 Uhr

Wird die Glasbatterie der Lithium-Ionen-Batterie den Rang ablaufen?

Meldungen über neue Batterietechnologien gibt es laufend. Doch die Glasbatterie, die dreimal besser sein sollte als Lithium-Ionen-Akkus, stach aus dem Nachrichtenstrom hervor. Wie realistisch eine solche Entwicklung ist und wann wir frühestens mit einer solchen Batterie rechnen sollten, erklärt Batterieexperte Egbert Figgemeier.

Prof. Egbert Figgemeier neben einem Flat-TV

Egbert Figgemeier hält die Professur für „Alterungsprozesse und Lebensdauerprognosen von Batterien“ am Helmholtz-Institut „Ionics in Energy Storage“. Das Institut mit Sitz in Aachen wird von der RWTH Aachen, der Uni Münster und dem Forschungszentrum Jülich getragen. Vor seiner Berufung entwickelte der promovierte Chemiker u.a. selbst neue Batteriematerialien beim Technologiekonzern 3M.

Foto: privat

Wer noch einmal nachlesen möchte, was die Batterie mit einem Elektrolyt aus Glas, alles kann, findet den entsprechenden Artikel hier. Sie ist uns und unseren Lesern besonders aufgefallen. Nicht nur, weil ihr Erfinder, der 94-jährige John Goodenough, selbst einer der Miterfinder der Lithium-Ionen-Technologie in Akkus war, sondern auch, weil sie erstaunliche Leistungsdaten haben soll.

Einführung in die Batterietechnologie

Die Batterietechnologie hat sich zu einem strategisch wichtigen und in der Öffentlichkeit stark wahrgenommenen Forschungsfeld entwickelt. Denn Batterien sind eine entscheidende Komponente in der Elektrifizierung des Verkehrs, der Zwischenspeicherung von regenerativ gewonnener Energie und zahlreichen mobilen Anwendungen wie Fahrrädern, Werkzeugen oder Drohnen. Gleichzeitig werden einem die Limitierungen der momentanen Technologie ständig vor Augen geführt – durch das fast täglich notwendige Aufladen des Smartphones oder der schleppenden Verbreitung von elektrischen Fahrzeugen.

In diesem Kontext kursieren in den Medien immer wieder Erfolgsmeldungen über die Entdeckung von bahnbrechenden Materialien, die sowohl in der Elektrifizierung des Verkehrs als auch für tragbare Elektronikgeräte die Speicherung von Energie um ein Vielfaches steigern sollen. Alternativ wird oft spekuliert, dass sowohl die Kosten als auch die Sicherheit mit neuen Materialien erheblich gesenkt, bzw. signifikant verbessert werden. Eine Einschätzung des tatsächlichen Potenzials der Technologien und Materialien ist aufgrund der Komplexität eines elektrochemischen Speichers, der Produktion und der engen Verknüpfung mit der Anwendung allerdings sehr schwierig. Dies führt immer wieder zu unrealistischen Erwartungshaltungen in der Öffentlichkeit, welche zwangsläufig immer wieder enttäuscht werden.

Zu diesen Erfolgsmeldungen gehören für mich unter anderem die Berichte über sogenannte Glasakkus, welche im Labor von Professor John B. Goodenough entwickelt wurden und eine Erhöhung der Speicherdichte bei gleichzeitig hoher Betriebssicherheit versprechen. Es stellt sich an dieser Stelle die Frage, ob in dieser Entwicklung tatsächlich das Potenzial steckt, die etablierte Lithium-Ionen-Technologie herausfordern zu können.

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Historie und Limitierungen von Lithium-Ionen-Batterien (LiB)

Lithium-Ionen-Batterien sind momentan die am schnellsten wachsende Batterietechnologie, die in vielen Anwendungen zum Einsatz kommt. Seit seiner ersten Kommerzialisierung im Jahr 1991 durch Sony Inc hat sich ein Multimilliarden-Euro-schwerer Markt entwickelt und alle tragbaren Elektronikgeräte vom Akkuschrauber über das Smartphone bis zur Zahnbürste haben zurzeit Lithium-Ionen-Zellen. Weiterhin sind momentan elektrische Fahrzeuge wie die Modelle von Tesla oder etablierten Autobauern ohne Lithium-Ionen-Technologie nicht denkbar. Ohne Zweifel hat diese Technologie erst die weite Verbreitung und Leistungsfähigkeit von großen und kleinen Elektrogeräten ermöglicht und es gibt momentan keine andere Batterieform, die ihr diese Stellung streitig machen könnte.

Die Vorteile der hohen Energiedichte geht allerdings einher mit dem potenziellen Sicherheitsrisiko von Batteriebränden, welche Aufgrund der Verwendung von organischen Lösungsmitteln als Elektrolytkomponente sowie hitze- und sauerstoffentwickelnden Elektrodenmaterialien eine Gefahrenquelle darstellt. Berichte von explodierenden Akkus in Laptops und Smartphones erscheinen in sehr regelmäßigen Abständen. Es muss aber auch darauf hingewiesen werden, dass die Anzahl der Vorfälle bei mittlerweile Milliarden von Geräten extrem gering ist und somit die Technologie insgesamt als sehr sicher eingestuft werden kann.

Eine weitere Schwäche des Lithium-Ionen-Akkus kann in der Verwendung von Metallen wie Kobalt und Nickel angesehen werden, die in ihrer Verfügbarkeit begrenzt und in der weiteren Kostensenkung limitierend sind.

Der Glasakku in der Kurzanalyse

Bei der Vermarktung neuer Technologien wird oft nur auf eine Eigenschaft, zum Beispiel die Energiedichte, fokussiert. Um aber in der Zukunft eine wichtige Rolle bei der Speicherung von Energie in den erwähnten Anwendungen zu spielen, muss eine Reihe von Kriterien erfüllt sein. Erst die Kombination der Eigenschaften macht eine Batterietechnologie zu einer vielversprechenden Innovation, die das Potenzial zu einem technologischen Sprung hat. Im Nachfolgenden wird die Glasakkutechnologie dahingehend kurz analysiert.

Energiedichte

In den meisten Anwendungen ist der für die Batterie verfügbare Platz begrenzt, sodass die Energiedichte ein wesentlicher Faktor für mobile Anwendungen ist, während das Gewicht des Akkus häufig nur eine untergeordnete Rolle spielt.

Durch die Verwendung von metallischem Lithium ist die potenzielle spezifische Energie (in Bezug auf das Gewicht) des Glasakkus als sehr hoch einzuschätzen und wird in der Originalveröffentlichung mit mehr als 800 Wattstunden pro Kilogramm angegeben. Dies ist dreimal so hoch wie bei den besten verfügbaren Lithium-Ionen-Zellen. Es werden allerdings keine Werte zur Energiedichte bezogen auf das Volumen angegeben und fehlende Stoffkennzahlen wie die Dichte des Elektrolytmaterials lassen eine rechnerische Abschätzung nicht zu. Die geringere Zellspannung von 2,34 Volt des Glasakkus gegenüber 4,3 Volt von Lithium-Ionen-Zellen lässt allerdings Zweifel an der Umsetzbarkeit von sehr hohen Energiedichten aufkommen.

Sicherheit

Die keramische Natur des Elektrolyten erhöht die Sicherheit gegenüber klassischen Lithium-Ionen-Zellen tendenziell und die Vermeidung von hitzeentwickelnden Kathodenmaterialien erhöht zudem das Sicherheitsprofil. Ob allerdings Kurzschlüsse durch unkontrolliertes Wachstum von metallischem Lithium dauerhaft und zuverlässig durch die Technologie vermieden werden, konnte bisher noch nicht zweifelsfrei belegt werden.

Leistungsdichte

Schnellladefähigkeit und hohe Leistungen wie beim Beschleunigen sind wichtige Eigenschaften eines Akkus für elektrische Fahrzeuge. Ob der Glasakku dies erfüllen kann, geht aus den bisher veröffentlichten Daten nicht eindeutig hervor und lässt sich auch nicht schätzen. Die Eigenschaften des glasartigen Elektrolyten lassen hoffen, dass dort ein Durchbruch erzielt werden kann.

Lebensdauer

Die Lebensdauer von Akkus wird gemessen in sogenannter kalendarischer und zyklischer Lebensdauer. Während erstere die Langlebigkeit als Funktion der Zeit beschreibt, spiegelt letztere wider, wie oft ein Akku ohne Kapazitätsverluste geladen und entladen werden kann. Beide Eigenschaften sind wichtig, insbesondere für elektromobile Anwendungen. Die Veröffentlichungen zum Glasakku geben nicht einmal einen ersten Eindruck über die Langzeitstabilität und die Fehlermechanismen, sodass auch diese Eigenschaft momentan nicht eingeschätzt werden kann.

Zusammenfassung und Einschätzung zur These, dass der Glasakku die Lithium-Ionen-Batterie verdrängen könnte

Insgesamt komme ich zu der Einschätzung, dass die Technologie des sogenannten Glasakkus bei weitem noch nicht seine Tauglichkeit für eine Revolution auf dem Gebiet der Enerigespeicherung gezeigt hat. Darüber hinaus müssen auch die Zeithorizonte in der Batterieentwicklung von der Laborbatteriezelle bis zur großtechnischen Fertigung betrachtet werden, welche sich eher in Jahrzehnten als in Jahren messen. Gleichzeitig werden etablierte Technologien auch immer weiter verbessert, sodass die Einstiegshürden mit der Zeit noch höher werden.

Ein Beitrag von:

  • Egbert Figgemeier

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