Woher bekommt Deutschland günstigen grünen Wasserstoff?
Um den durch Wind- und Sonnenkraft erzeugten Strom zu speichern, braucht es grünen Wasserstoff und seine Folgeprodukte Ammoniak, Methanol und synthetischen Kraftstoff. Deutschland ist dafür auf Importe angewiesen. Woher diese günstig kommen könnten, hat das Fraunhofer ISE untersucht.
Deutschland selbst kann nicht genügend grünen Wasserstoff produzieren, um Erdgas und Öl komplett zu ersetzen. Was das Ziel ist, um klimaneutral zu werden. Das ist längst klar und erste Kontakte zum Beispiel auf dem afrikanischen Kontinent sind geknüpft, in Namibia laufen erste Projekte an, auch mit Kanada gibt es bereits ein Abkommen. Doch aus welchen Regionen der Welt lassen sich Wasserstoff und seine Abkömmlinge Methanol oder Ammoniak am günstigsten importieren? Heißt konkret, wo ist die Herstellung solcher Power-to-X Produkte in Kombination mit dem Transport am preiswertesten? Das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE hat dies im Auftrag der Stiftung H2Global für 39 Regionen in 12 Ländern untersucht.
Alles eine Frage des Preises
Damit sich grüner Wasserstoff als Energieträger der Zukunft etablieren kann, muss der Preis konkurrenzfähig sein. Und er muss in ausreichenden Mengen zur Verfügung stehen, um die fossilen Brennstoffe Gas und Öl zu ersetzen. Beides kann Deutschland allein nicht leisten: Studien zufolge kann das Land nicht einmal die Hälfte des künftigen Bedarfs selbst produzieren.
Ein Großteil des grünen Wasserstoffs muss also importiert werden, was natürlich neue Abhängigkeiten schafft. Allerdings werden diese nicht so stark sein wie bei Gas und Öl, die nur von wenigen Ländern der Erde angeboten werden. Die zukünftige Versorgung sollte daher sicherer sein als die Versorgung mit Erdgas oder Erdöl. Aber welche Länder könnten uns in Zukunft beliefern?
Diese Länder sind am günstigsten
Fangen wir sofort mit dem Ergebnis der Untersuchung des Fraunhofer ISE an: Demnach bieten Brasilien, Kolumbien und Australien besonders gute Bedingungen für den Import von grünem Ammoniak, grünem Methanol und grünem Kerosin. Wenn es um gasförmigen grünen Wasserstoff geht, werden Südeuropa und Nordafrika als geeignete Kandidaten angesehen. Hier hängt es jedoch davon ab, ob rechtzeitig Pipelines für den Transport zur Verfügung stehen.
„Nachhaltig erzeugter Wasserstoff und seine Derivate werden in bestimmten Teilen des Energiesystems unverzichtbar sein“, sagt Prof. Dr. Hans-Martin Henning, Institutsleiter am Fraunhofer ISE. „Nach unseren Berechnungen sind Importe eine notwendige und wirtschaftlich sinnvolle Ergänzung zur lokalen Wasserstofferzeugung“.
Power-to-X-Projekte im Gigawatt-Maßstab unterliegen langen Planungs- und Bauprozessen. Daher sollte bereits jetzt mit der Umsetzung erster Großprojekte in geeigneten Produktionsländern begonnen werden. Studien des Fraunhofer ISE gehen davon aus, dass Deutschland bis zum Jahr 2030 eine Versorgung mit Power-to-X-Energieträgern benötigt, die mindestens im einstelligen Terawattstundenbereich liegt. Dies umfasst sowohl die inländische Erzeugung als auch Importe.
Große Distanzen nicht unbedingt ein Ausschlusskriterium
„Die lokalen Produktionskosten für gasförmigen grünen Wasserstoff sind laut unseren Berechnungen für die 12 von H2Global vorausgewählten Länder nirgendwo so niedrig wie in Brasilien, Australien und dem Norden Kolumbiens. Zwischen 96 und 108 Euro kostet dort die Produktion einer Megawattstunde, das sind rund 3,20 bis 3,60 Euro pro Kilogramm grünen Wasserstoffs“, sagt Dr. Christoph Hank, Hauptautor der Studie.
„Wird der Ferntransport per Schiff entweder in Form von Flüssigwasserstoff oder Ammoniak berücksichtigt, ergeben sich unter bestmöglichen Bedingungen Bereitstellungskosten für Deutschland von 171 Euro pro Megawattstunde in Bezug auf den Energiegehalt von sowohl Flüssigwasserstoff als auch Ammoniak“, so Hank weiter.
Länder mit hohen kombinierten Volllaststunden für Solar- und Windenergie bieten laut der Studie einen entscheidenden Vorteil: Sie ermöglichen eine hohe Auslastung der derzeit noch kapitalintensiven Power-to-X-Prozesse. Für Energieträger wie Ammoniak, Methanol oder Kerosin stellt die große räumliche Distanz zwischen Ort der Energieerzeugung und Ort der Energienutzung kein Hindernis dar. Dies liegt an ihrer hohen Energiedichte und der bereits gut ausgebauten Infrastruktur für den Transport per Schiff.
Wasserstoff via Pipeline nach Deutschland bringen
Als Alternative schlägt die Studie den Import von gasförmigem Wasserstoff über Pipelines nach Deutschland vor, mit der Option der Weiterverarbeitung zu verschiedenen Endprodukten vor Ort. „Regionen in Südeuropa und Nordafrika schneiden bei diesem Szenario am besten ab“, erklärt Dr. Christoph Hank. „Unter der Voraussetzung, dass erste Abschnitte dieser Pipeline-Infrastruktur bis 2030 gebaut werden, könnten ab dann große Mengen nachhaltig erzeugten Wasserstoffs auf eine sehr kosteneffiziente Weise nach Europa und damit auch Deutschland transportiert werden“.
Die Studie zeigt, dass Regionen in Algerien, Tunesien und Spanien die geringsten Kosten für die Bereitstellung von gasförmigem Wasserstoff haben. Bei einem Preis von 137 Euro pro Megawattstunde in einer für Wasserstoff modifizierten Erdgaspipeline entspricht dies 4,56 Euro pro Kilogramm für grünen Wasserstoff, inklusive Transportkosten.
Kriterien für eine kosteneffiziente Power-to-X-Erzeugung
Entscheidend für eine kosteneffiziente Erzeugung von Power-to-X-Produkten sind laut der Studie ein günstiger Mix aus Wind- und Photovoltaikanlagen, eine hohe Auslastung der Anlagen und vergleichsweise niedrige Kapitalkosten. Dr. Christoph Kost, verantwortlich für die Analysen zu erneuerbaren Energien in der Studie des Fraunhofer ISE, betont: “Wir haben generell festgestellt, dass die Kombination aus guten Wind- und Solarstrom-Bedingungen sich sehr positiv auf die Kosten der Wasserstoffherstellung auswirkt, oft mehr, als wenn eine Region über herausragend gute Bedingungen für entweder Wind- oder Solarstromerzeugung verfügt“.
Kost weiter: „Letztendlich sind möglichst günstige Erzeugungskosten von erneuerbarem Strom der entscheidende Faktor“. Die Studie prognostiziert weitere signifikante Kostensenkungen im Bereich der erneuerbaren Energien und der Elektrolyse. Durch Optimierung, Skalierung und Ausbau der gesamten Power-to-X-Wertschöpfungskette können die Kosten für die Erzeugung und den Import erneuerbarer Energien nach 2030 voraussichtlich noch deutlicher gesenkt werden.
Grundlagen der Studie
Die Studie stützt ihre techno-ökonomischen Ergebnisse auf detaillierte Analysen des Potenzials erneuerbarer Energien in verschiedenen Ländern. In einem weiteren Schritt wurden die als besonders vielversprechend identifizierten Regionen hinsichtlich der Produktion von grünem Wasserstoff und seinen Derivaten untersucht.
„Die detaillierte Auslegung und Optimierung der einzelnen Power-to-X-Parks erfolgte dann mithilfe von ‚H2ProSim‘, einer vom Fraunhofer ISE entwickelten Simulationsumgebung für Power-to-X-Wertschöpfungsketten“, erklärt Marius Holst, der am Fraunhofer ISE für die Power-to-X-Simulationen in der Studie verantwortlich ist.
Die Autoren der Studie betonen auch die Bedeutung einer nachhaltigen Entwicklung. Sie weisen darauf hin, dass beim Aufbau einer globalen Wasserstoffindustrie der heimische Bedarf an erneuerbaren Energien und nachhaltigen Energieträgern in den potenziellen Exportländern nicht vernachlässigt werden darf. Zudem sollte der Aufbau einer Produktions- und Exportinfrastruktur immer in Abstimmung und im Einklang mit den lokalen Stakeholdern erfolgen.
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