Wüstenstrom-Projekt Desertec macht als Beraterfirma weiter
Die Desertec-Industrie-Initiative (Dii) wird sich auflösen, aber eine Beraterfirma übriglassen. Energieversorgungskonzern RWE, die saudische Energiefirma Acwa Power und die chinesische Firma State Grid unterstützen Länder der arabischen Region künftig beim Aufbau grüner Energien.
Die Idee für das Großprojekt war im Club of Rome geboren worden, in dem sich Experten mit Zukunftsfragen der Menschheit beschäftigen. Mit dem Bau solarthermischer Kraftwerke in der Wüste Nordafrikas und im Nahen Osten sollte die Vision einer globalen Energiewende vorangetrieben werden. Mit Investitionen von rund 400 Milliarden Euro sollten bis 2050 Hunderte Öko-Kraftwerke gebaut werden. Ab 2020, so der Plan, könnten auch 15 Prozent des europäischen Strombedarfs mit diesen erneuerbaren Energien gedeckt werden.
Tatsache ist, dass die großen Hoffnungen, mit der die Desertec-Industrie-Initiative (Dii) 2009 von 50 Unternehmen gegründet wurde, sich nicht erfüllt haben. Viele der Gesellschafter oder zahlenden Partner sind nach und nach ausgestiegen – darunter die Münchner Rück als treibende Kraft, die Schweizer ABB, die Deutsche Bank, Siemens, Bosch und Eon. Zuletzt blieben noch 20 Gesellschafter übrig. Als jetzt die Entscheidung anstand, ob aus der Initiative eine dauerhafte Einrichtung werden solle, winkten die meisten ab.
Zurück bleiben die saudische Energiefirma ACWA Power, der chinesische Netzbetreiber State Grid (SGCC) und der deutsche Versorger RWE. Diese wollen jetzt als Beraterfirma weitermachen und Länder der arabischen Region beim Aufbau grüner Energien beraten.
Knies: Desertec hat seinen Gründungsauftrag erfüllt
Warum ist es soweit gekommen? Die Machbarkeitsstudien konnten die politischen und ökonomischen Unsicherheiten in Nordafrika, die dem arabischen Frühling folgten, nicht vorhersehen. Nach dem Reaktorunfall in Fukushima besannen sich die Europäer außerdem mehr und mehr auf den eigenen Ausbau erneuerbarer Energien. Je günstiger der Solarstrom, der im eigenen Land hergestellt wird, desto unattraktiver wird die Stromlieferung aus der Wüste. Hinzu kamen Streitigkeiten innerhalb der gemeinnützigen Stiftung Dii, etwa über die Aufnahme des chinesischen Netzbetreibers State Grid.
Was bleibt? Von einem Scheitern des Projektes will Gerhard Knies, Hamburger Physiker und einer der geistigen Väter von Desertec nichts wissen. Das Projekt sei nur ins Stocken gekommen durch die unkalkulierbare Lage in ganz Nordafrika, erklärte Knies in einem Interview mit der Wirtschaftswoche. „Der Gründungsauftrag war, herauszufinden, ob es technisch und wirtschaftlich überhaupt möglich ist, Wüstenstrom für den lokalen Energiebedarf im Nahen Osten, in Nordafrika und für den Export nach Europa zu gewinnen. Dieser Auftrag wurde erfüllt – mit dem Ergebnis, dass es absolut sinnvoll ist, Solarkraftwerke in Wüstenregionen zu errichten. Die Dii ist aber nie gegründet worden, um Geld zu verdienen. Sie war eine Studiengesellschaft, keine Projektgesellschaft“, sagte Knies.
Knies: Energieerzeugung nicht komplett dem Markt überlassen
Die technischen und finanziellen Möglichkeiten seien vorhanden, meint Knies, aber der politische Wille fehle. „Wenn wir die Energieerzeugung nur dem Markt überlassen, steuert uns der Markt sehenden Auges in den Crash.“ Die Wüsten seien ein tolles Reservoir für saubere Energie, so Knies. Er hofft darauf, dass der Druck auf die handelnden Akteure größer werde, „wenn wir den Klimawandel erst einmal heftiger spüren.“
Auch Prof. Robert Pitz-Paal, Direktor am Institut für Solarforschung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), sieht die Dii nicht als gescheitert an – zumindest nicht die Idee, die dahintersteht. Die Dii habe in den vergangenen fünf Jahren wichtige Kontakte geknüpft und für einige Länder Strategien für die Energieversorgung ausgearbeitet, sagte Pitz-Paal. Die Industrievereinigung habe aber selbst weder Projekte entwickelt, noch finanziert. Dies hätten in der Zwischenzeit unter anderem Algerien, Saudi-Arabien und Marokko getan und solare Kraftwerksprojekte ausgeschrieben.
Die Frage bleibt, ob Europa in Zukunft den Wüstenstrom braucht
„Der Markt für solarthermische Kraftwerke hängt kurzfristig vor allem davon ab, ob die Wüstenstaaten bei der eigenen Energieversorgung in Zukunft auf Sonne und Wind setzen. Und hier sind die Entwicklungen zum Teil sehr ermutigend. Marokko ist mitten in der Umsetzung eines Solarplans, der zum Ziel hat, Solarkraftwerke mit einer Kapazität von 2000 Megawatt zu bauen. 500 Megawatt sind bereits im Bau oder ausgeschrieben. Diese Anlagen werden mit thermischen Speichern ausgerüstet sein und können damit die Spitzenlast in den Abendstunden decken, die heute mit teuren Ölimporten abgesichert wird“, sagte Pitz-Paal.
Die Frage, inwieweit Europa den Strom aus Solarkraftwerken in Nordafrika überhaupt benötigt, ist für Pitz-Paal noch nicht abschließend geklärt. „Es wird immer Zeiten geben, in denen die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht. Der Import von erneuerbaren Energien aus solarthermischen Kraftwerken, die mit ihren Speichern rund um die Uhr Strom produzieren können, kann hier als Ergänzung zu bislang noch sehr teuren Stromspeichern eine wichtige Option werden.“
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