„Ziel ist der Bau des kybernetischen Hauses“
Die Nutzung der Sonnenenergie stellt Architekten vor völlig neue Herausforderungen. Nicht jeder sieht im massiven Einsatz von Solartechnologie das Nonplusultra. Häuser der Zukunft sollen energieeffizient sein und sich ästhetisch ins Umfeld fügen, so das Fazit einer Tagung zur Zukunft der Solararchitektur.
Dächer und Fassaden avancierten so zum Wärmeerzeuger beziehungsweise Stromgenerator, erklärt der Nürnberger Architekturprofessor Roland Krippner. Eine Vielzahl von Systemen, die über triste Modulflächen hinaus mehr Gestaltungsmöglichkeiten bieten als früher, sind mittlerweile am Markt: Flach- und Röhrenkollektoren in unterschiedlichen Ausstattungen oder etwa Photovoltaikmodule aus opakem oder semitransparentem Dünnschichtglas, wie Schott sie produziert.
Prädestiniert auch für den nachträglichen Einbau von Solartechnik sind neben den Hausdächern die Fassaden. Hier entwickeln sich Kollektoren und Solarmodule immer mehr zum Multifunktionselement, das optisch ansprechend andere Baumaterialien ersetzen kann, dabei aber nicht nur den Wandabschluss bildet, sondern gleichzeitig gegen Sonneneinstrahlung schützt und Energie erzeugt – eine Synergie aus bautechnischen, energetischen und wirtschaftlichen Aspekten. Trotz vielfacher Integrationsmöglichkeiten, so beobachtet Krippner allerdings, fehle den „technologischen Superlativen häufig eine baukulturelle Entsprechung.“ Bei der Planung energetischer Effizienz müssen nach Meinung des Fachmanns deswegen verschiedene Kriterien berücksichtigt werden, die nicht nur technische Aspekte wie die Anpassungsfähigkeit der Solarsysteme an die Bauhülle, sondern auch das Umfeld einbeziehen. So müsse Solartechnik mit der Geometrie und Farbgebung des Daches übereinstimmen. Die homogene Dachfläche dürfe nicht zerstückelt werden. Bei der Fassadenintegration sieht der Experte die Herausforderung darin, die glatten und spiegelnden Flächen, die die Solartechnik erzeugt, mit den sie umgebenden rauen Strukturen und warmen Farben in Einklang zu bringen.
Dass energieeffiziente Gebäude auch architektonische Highlights sein können, belegen hierzulande viele Beispiele vom sanierten Altbau über das neue Einfamilienhaus bis hin zum Forschungszentrum. Komplette Solarsiedlungen wie die „Am Schlierhaus“ in Freiburg, wo ein ganzes Stadtquartier mit einheitlichen Solardächern entstanden ist, setzen deutlich sichtbar ein Zeichen für Solararchitektur.
Das sogenannte Opushaus in Darmstadt zeigt, wie eine solartechnische Aufrüstung im Bestand funktionieren kann, mit der auch die Denkmalschützer gut leben können. Den Architekten von Opus ist es gelungen, die PV-Module und Solarkollektoren so auf beiden Seiten des nach Osten und Westen gerichteten Satteldachs anzuordnen, dass die neue Technik in Farbe und Form zu den benachbarten Dächern aus Metall und Schiefer passt. Der ehemalige Altbau hat jetzt den Standard eines modernen Passivhauses, das 5000 kWh Strom pro Jahr produziert und dennoch seinen ursprünglichen Charakter behalten hat.
Einen eher futuristischen Touch hat das Nikolaus-Fiebiger-Zentrum in Erlangen. Die Südfassade des Forschungsgebäudes wird fast vollständig von polykristallinen PV-Modulen bestimmt. 16 000 kWh Energie pro Jahr produziert allein eine starre „Solarmarkise“ mit 126 PV-Modulen und einer Gesamtfläche von 226 m2. Hinzu kommt ein Energieertrag von rund 5500 kWh pro Jahr, den eine bewegliche „Solarjalousie“ mit 140 Lamellen liefert, die zugleich als Stromerzeuger und als Schattenspender für die dahinter liegenden Labore dient.
Doch energetisches Bauen kann auch ohne aufwendige Solar-Hightech funktionieren. Auf passive Konzepte setzt zum Beispiel der Freiburger Architekt Günter Pfeifer. Dabei ist für ihn „die Ideologie der Dämmung“ der falsche Weg. Diejenigen Gebäude, die unter der Bezeichnung Passivhäuser am Markt seien, schotten sich nach seiner Überzeugung lediglich besser ab, sind besser gedämmt und abgedichtet, nutzen aber die Sonnenenergie nur sehr wenig. Die Alternative ist für Pfeifer das sogenannte kybernetische, also sich selbst steuernde Gebäude, dessen Elemente dynamisch auf die Umgebungsbedingungen reagieren. Hier trägt die Anordnung der Gebäudezonen, die Konfiguration von Grundriss und Räumen sowie die Lage des Hauses entscheidend zur Energieeffizienz bei. Hypokaustensysteme in Boden und Wänden sorgen für die Verteilung und Speicherung der Sonnenenergie. Translueszente Polycarbonatplatten bilden eine komplette energetische Hülle rund ums Haus. Dabei dringt die Luft am Sockel in die Schicht zwischen Carbonat und Holz ein, steigt bis in den Dachspitz auf und wird von dort verteilt.
„Die Sonnenenergie effektiv zu nutzen heißt nicht nur an Technik zu glauben, sondern vor allem intelligent zu planen“, erklärt auch der Präsident der Architektenkammer Rheinland-Pfalz, Rainer Musil. Für die Solartechnik seien Gebäude ohnehin nur Mittel zum Zweck. Musil verweist auf uralte architektonische Prinzipien, wie sie schon die alten Griechen kannten. Das „Haus des Sokrates“ etwa war so nach Süden ausgerichtet, dass die Sonne im Winter bis in den Wohnraum fallen konnte, die Strahlen im Sommer aber nur bis zur Terrasse kamen. Durch wärmespeichernde massive Wände und Steinböden sowie eine clevere Zonierung des Gebäudes, bei der zum Beispiel die Vorratskammer als Puffer zur Nordseite diente, sorgte der Philosoph bereits um 400 v. Chr. für Energieeffizienz und ein behagliches Raumklima. JUTTA WITTE
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