Zwei Turbinen: Größte schwimmende Windkraftanlage der Welt zu Wasser gelassen
Ein chinesischer Windkraftanlagenhersteller hat die größte schwimmende Windkraftplattform der Welt zu Wasser gelassen. Dabei kommt ein besonderes Design zum Einsatz, das in Deutschland mitentwickelt wurde.
Das neue Design von Ocean X, so der Name der von MingYang Smart Energy entwickelten Windkraftanlage, hat eine V-Form mit zwei Turbinen. Die Anlage hat eine Gesamtleistung von 16,6 MW und wurde vor wenigen Tagen in der südchinesischen Hafenstadt Guangzhou zu Wasser gelassen. Sie soll jährlich rund 54.000 MWh Strom erzeugen – genug, um etwa 30.000 chinesische Haushalte mit Strom zu versorgen. Eine weitere Besonderheit der Anlage: Sie soll auch heftigen Wirbelstürmen trotzen.
OceanX – ein Koloss für die raue See
Ein Koloss, so hoch wie ein Wolkenkratzer, der im offenen Meer schwimmt und selbst bei heftigsten Hurrikanen Energie produziert. Ist das die neue Grenze der Offshore-Windenergie? Mingyang, das chinesische Unternehmen ist bekannt für die größten Windkraftanlagen der Welt und hat die Messlatte noch etwas höher gelegt. Bei OceanX handelt es sich um eine zweiköpfige schwimmende Offshore-Windkraftanlage, die allen Konventionen der erneuerbaren Energien widerspricht.
OceanX ist nicht einfach groß, sondern kolossal. Zwei 8,3-MW-Windkraftanlagen stehen auf einer einzigen Plattform und erreichen zusammen eine Gesamtleistung von 16,6 MW. Die geschätzte jährliche Produktion liegt bei 54.000 MWh. Damit können rund 30.000 chinesische Familien mit Strom versorgt werden. Jede Turbine hat einen Rotordurchmesser von 182 Metern, was OceanX zu einem wahren Titanen der Meere macht.
Nezzy2 stand Pate
2020 testeten der baden-württembergische Energieversorger EnBW und das Rendsburger Unternehmen Aerodyn Engineering ein verkleinertes Windrad mit ähnlichem Design auf dem Greifswalder Bodden. Die Ergebnisse des Projekts Nezzy2 flossen in die Entwicklung und den Bau von OceanX ein, schrieb der Projektmanager von EnBW auf Linkedin.
Nezzy2, ausgesprochen „Nezzy Square“, dient als Fundament für schwimmende Windkraftanlagen. Das Auffälligste an diesem Entwurf ist die Doppelturbine. Zwei aerodynamisch geformte Stahltürme ragen wie ein großes V in den Himmel. Jede Turbine dreht sich wie bei einem Küchenmixer aufeinander zu. „Würden sie gleich rotieren, wären die Begegnungsgeschwindigkeiten an den Blattspitzen extrem hoch. Das Risiko wollten wir nicht eingehen“, sagte Aerodyn-Chef Sönke Siegfriedsen 2021 in einem Gespräch mit EnergieWinde. „Zudem haben wir so eine ausgeglichene Lastverteilung der Drehmomente.“
Um das Gewicht zu minimieren, setzten die Ingenieure auf Kunststoffseile. Diese stabilisieren die Anlage und leiten die Lasten direkt über den Schwimmkörper zu sechs Leinen weiter, die das Konstrukt an eisernen Ankern festhalten. „Die Seile entlasten den Turm. So kann dieser leichter gebaut werden und wir haben weniger Biegemomente“, erklärte Siegfriedsen.
Weitere Besonderheiten des Aerodyn-Entwurfs
Der Schwimmkörper des neuen Offshore-Windkraftanlagendesigns kann sich frei bewegen und beliebig oft um seine senkrechte Achse drehen. Das unterscheidet Nezzy2 von allen anderen schwimmenden Anlagen. Das Konstrukt braucht keine Turmkopflager, im Fachjargon Azimut genannt, und muss sich nicht maschinell der Windrichtung anpassen. Da die Maschine als sogenannter Leeläufer ausgelegt ist – die Rotoren drehen sich hinter dem Turm – richtet sie sich selbst aus. Beide Turbinen stehen so immer parallel im Wind. Das spart Gewicht und Masse.
Nezzy² hat noch eine weitere Überraschung: Die Anlage kann sowohl mit Zweiblatt- als auch mit Dreiblattrotoren bestückt werden. „Ich bin ja ein alter Fan von Zweiblattrotoren. Die sind ideal für Taifungebiete, weil sie am wenigsten Angriffsfläche bieten. Zudem reduzieren sie alle Massen und damit die Investitions- und Energieerzeugungskosten“, sagte Siegfriedsen in dem Gespräch von 2021.
Auf unserer Schwesterseite VDI nachrichten haben wir ebenfalls über das Projekt Nezzy2 berichtet.
Hurrikanresistenz: Ein Durchbruch im Offshore-Wind
Das Design von OceanX knüpft an das Projekt Nezzy2 an. Die V-förmige Struktur mit zwei gegenläufig rotierenden Rotoren steht auf einer Y-förmigen schwimmenden Plattform. Diese Plattform sorgt für maximale Stabilität. Hochleistungsbeton verleiht ihr Langlebigkeit und reduziert die Kosten. Das Einpunkt-Verankerungssystem minimiert die Auswirkungen auf die Meeresumwelt.
Die schwimmende Plattform wiegt etwa 15.000 Tonnen und eignet sich für Gewässer mit einer Tiefe von mehr als 35 Metern. Dadurch kann sie optimale Offshore-Windressourcen nutzen. Eine beeindruckende Eigenschaft von OceanX ist ihre Widerstandsfähigkeit gegenüber extremen Wetterbedingungen. Sie ist für Hurrikane der Kategorie 5 mit Windgeschwindigkeiten bis zu 260 km/h ausgelegt. Die Turbine produziert weiterhin Energie in bis zu 30 Meter hohen Wellen. Mit einer Turbulenzintensität von 0,135, was für einen Offshore-Standort relativ hoch ist, zeigt OceanX eine hohe Widerstandsfähigkeit.
Die wichtigsten Eckpunkte auf einen Blick: |
Innovatives Design: OceanX besitzt eine V-förmige Plattform mit zwei Turbinen und einer Gesamtleistung von 16,6 MW, die die Windausbeute und Effizienz maximiert. |
Vielseitigkeit: Entwickelt für Tiefwasseranwendungen und bietet eine globale Lösung für saubere Energie. |
Auswirkungen: Kann jährlich 54 Millionen kWh erzeugen, ausreichend zur Versorgung von 30.000 Haushalten. |
Fortschrittliche Konstruktion: Gefertigt aus ultrahochfestem Beton für außergewöhnliche Langlebigkeit. |
Schrägseilsystem: Erhöht die strukturelle Effizienz und Anpassungsfähigkeit. |
Ein-Punkt-Verankerung: Ein anpassungsfähiges System, das selbst unter extremen Taifunbedingungen Stabilität und Sicherheit gewährleistet. |
China an der Spitze der Offshore-Windenergie
Die Fertigstellung von OceanX markiert einen weiteren Höhepunkt für China im Offshore-Windsektor. Laut dem Global Wind Energy Council ist das Reich der Mitte seit sechs Jahren weltweit führend in dieser Technologie. Das Land plant, ein Drittel seines nationalen Energieverbrauchs aus erneuerbaren Quellen zu decken. Mit einer Küstenlänge von 14.500 Kilometern bietet China enormes Potenzial für den Ausbau der Offshore-Windenergie.
Natürlich gibt es auch bei einem solchen Projekt einige Unbekannte. Die Levelized Cost of Energy (LCoE) wurden noch nicht veröffentlicht. Die Kosteneffizienz im Vergleich zu anderen Offshore-Windkraftanlagen muss noch ermittelt werden. Auch große Umweltauswirkungen und die Integration in bestehende Stromnetze müssen weiterhin angegangen werden.
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