Zwölf fossile Kraftwerke werden stillgelegt
Die ersten zwölf konventionellen Kraftwerke gehen vom Netz. Die Bundesnetzagentur hat die Anträge der Energieversorger auf Stilllegung von 28 Kraftwerken geprüft und für das Abschalten von zwölf Kohle- und Gaskraftwerken in Norddeutschland grünes Licht gegeben.
Die Bundesnetzagentur in Bonn hat die Stilllegung von 12 Kraftwerksblöcken genehmigt. Alle diese 12 Kraftwerke liegen im Norden Deutschlands. „Ihre Abschaltung kann unproblematisch erfolgen, sie sind nicht systemrelevant“, erklärte der Chef der Bundesnetzagentur, Jochen Hormann dem Nachrichtenmagazin Focus.
Anträge zur Stilllegung von 7000 Megawatt
Insgesamt wollen die Energiekonzerne 28 Kraftwerke einmotten, die nur Kosten verursachen, aber keine Rendite mehr einspielen. Es geht um Kohle- und Gaskraftwerke, teils hochmoderne Anlagen, die aber wegen der gewaltigen Zunahme des subventionierten Stroms aus erneuerbaren Energien unrentabel geworden sind. Diese 28 Kraftwerke haben eine Leistung von 7000 Megawatt, das entspricht der Leistung von sieben Atomkraftwerken. Fünf dieser 28 Kraftwerke haben die Übertragungsnetzbetreiber selber als systemrelevant eingestuft. „Hier prüfen wird derzeit, ob die geplante Stilllegung dennoch möglich ist“, so Hormann.
Die Crux mit der derzeitigen Ausgestaltung der Energiewende ist die strikte Vorfahrt für Grünstrom. Dadurch müssen Kohle- und Gaskraftwerke sich sozusagen hintenanstellen bei der Einspeisung des erzeugten Stromes in das Netz. In der Folge stehen sie immer häufiger still, verursachen aber hohe Fixkosten. So geht es zum Beispiel dem größten europäischen Stadtwerkeverbund Trianel, der seinen Sitz in Aachen hat. Dieser im Jahre 1999 gegründete Verbund aus kommunalen Energieerzeugern versorgt über sechs Millionen Menschen in Deutschland, den Niederlanden, Österreich und der Schweiz.
Trianel hatte in Hamm 2007 nach zwejähriger Bauzeit ein hochmodernes Gaskraftwerk ans Netz gebracht. Das Kraftwerk arbeitet zuverlässig und erzeugt seitdem Strom für 1,8 Millionen Haushalte. „Dieses Kraftwerk rechnet sich nicht mehr“, sagte Martin Buschmeier vom Trianel Gaskraftwerk in Hamm. „Obwohl wir eines der modernsten Kraftwerke in Deutschland haben mit 58 Prozent Wirkungsgrad, werden wir 2014 nicht mehr Zins und Tilgung mit diesem Kraftwerk verdienen.“ Das Kraftwerke werde 2014 Verluste in zweistelliger Millionenhöhe einfahren.
Diese Fehlstellungen der Energiewende sind längst Thema der laufenden Koalitionsgespräche. Union und SPD wollen eine Reform mit Kappungen der bisherigen Ökostrom-Förderung umsetzen. Heftig umstritten ist die Frage, wie die Energieversorgung in Deutschland sichergestellt werden kann, wenn immer mehr fossile Kraftwerke vom Netz genommen werden, die jetzt noch die Flaute beim Wind und sonnenarme Tage ausgleichen können. Im Gespräch sind Sonderprämien, sogenannte Kapazitätsprämien, für Kraftwerksbetreiber, die rund um die Uhr Strom liefern können.
Es ist kein Kapazitätsproblem, es ist ein Verteilungsproblem
Die Bundesnetzagentur ist strikt gegen solche Sonderprämien. „Ich warne vor Lösungen, mit denen neue Subventionen geschaffen werden“, so Agenturchef Hormann. „Wenn man den deutschen Kraftwerkspark betrachtet, kommt man zu dem Ergebnis, dass es aktuell insgesamt ausreichende Erzeugungskapazitäten gibt.“ Hormann sieht vor allem ein Verteilungsproblem, weil im Süden und Südwesten die Erzeugungskapazitäten knapp, im Norden hingegen mehr aus ausreichend sind. „Wir reden also nicht über ein Kapazitätsproblem, sondern über ein Verteilungsproblem. Und dieses Problem lösen wir über den Ausbau der Netze.“
Das Verteilungsproblem ist deshalb entstanden, weil in Süddeutschland durch den Atomausstieg nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima im März 2011 zahlreiche Atomkraftwerke abgeschaltet worden sind. Der vor allem im Norden produzierte Windstrom gelangt aber aufgrund der fehlenden Überlandleitungen nicht in ausreichenden Mengen in den Süden. Deswegen werden dort weiter Gas- und Kohle-Kraftwerke benötigt.
Im Bericht aus dem Sommer zur Frage der Stromversorgung im vergangenen Winter hatte die Bundesnetzagentur festgestellt: „Eine Stilllegung von Kraftwerken im südlichen Deutschland gefährdet die Systemsicherheit und kann deshalb nicht hingenommen werden.“ Denkbar sei der Verzicht auf einzelne konventionelle Kraftwerke im Süden „erst mit erfolgtem Netzausbau und abgeschlossenen Kernenergie-Ausstieg.“
Prognos: Stromerzeugung aus Sonne und Wind auf lange Sicht am günstigsten
In diesem Zusammenhang lässt eine aktuelle Studie der Prognos AG aus Basel in der Schweiz aufhorchen. Die Wissenschaftler haben im Auftrag des größten Solaranlagenbauers in Europa, Belectric mit Sitz im bayerischen Koltzheim, untersucht, wie teuer Strom aus Wind und großen Solaranlangen auf freien Flächen ist. Ergebnis: Über einen langen Zeitraum von 40 Jahren ist im Norden Deutschlands Strom aus Wind am günstigsten zu erzeugen, günstiger noch als Strom aus Kohle und Gas.
Spannend ist das zweite Ergebnis: „Wir sehen aber auch ganz klar, dass die solare Freifläche im Süden auch im Vergleich zu konventionellen Kraftwerken mit Inbetriebnahme heute und über zwei Investitionszyklen sehr, sehr wahrscheinlich die günstigste Energieerzeugungstechnik sein wird“, sagt Frank Peter, Energieexperte des Prognos-Instituts.
Wind- und Sonnenstrom sollen laut dieser Studie für knapp acht Cent je Kilowattstunde zu erzeugen sein. Allerdings geht die Studie in ihren Grundannahmen auch von einem sehr hohen Preis für die Erlaubnis aus, Kohlendioxid in die Luft zu blasen. Das wiederum verteuert die Stromerzeugung aus Gas- und Kohlekraftwerken ganz extrem. Die Prognos-Autoren gehen davon aus, dass der Preis für eine Tonne Kohlendioxid auf rund 35 Euros ansteigen wird. Heute kostet das Verschmutzungsrecht für eine Tonne Kohlendioxid knapp vier Euro.
Stromimporte lohnen sich angeblich nicht
Kurioserweise ist es laut Prognos am effektivsten, Solar- und Windstrom genau dort zu erzeugen, wo er gebraucht wird. Es ist teurer, Strom aus dem sonnigeren Spanien zu importieren oder dem windigeren Norwegen. „Der Kostenvorteil von Freiflächen-Solaranlagen in Südeuropa gegenüber Deutschland ist, wenn man den Transport heute bei Licht betrachtet, eigentlich nicht mehr gegeben“, sagt Frank Peter.
Der Verbraucherschützer Holger Krawinkel vom Bundesverband der Verbraucherzentralen schlägt daher ein extrem marktaffines Herangehen an die Energiewende vor. Er will die Förderung von Ökostromanlagen auf neun Cent pro Kilowattstunde herunter fahren und die Ökostromproduktion dann für den Wettbewerb ausschreiben. Der Gedanke geht so: Der Staat will, dass 2020 rund 40 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien kommen. Dazu müssten in Deutschland pro Jahr etwa 13 Terawattstunden zusätzlicher Strom erzeugt werden, sagt Krawinkel. Wenn der Ökostrom- wie jetzt von Prognos berechnet – acht Cent pro Kilowattstunde kostet, müsste Deutschland pro Jahr 500 Millionen. Euro ausgeben, um seinen Ökostrom zu erzeugen.
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