„Die Erschaffung Adams“ in der Sixtinischen Kapelle erstrahlt durch 7000 LED
„Es werde Licht“ heißt es am Anfang der Schöpfungsgeschichte. Das haben Beleuchtungs- und Kunstexperten ganz neu interpretiert und die Sixtinische Kapelle im Rahmen eines EU-geförderten Projekts mit 7000 neuen Leuchten ausgestattet. Die weltberühmten Fresken Michelangelos entfalten damit jetzt ihre ganze Pracht, ohne durch UV-Strahlen gefährdet zu werden.
Seit neuestem erstrahlt die Sixtinische Kapelle im Vatikan wieder so, wie sie Michelangelo, der Erschaffer der weltberühmten Fresken, sehr wahrscheinlich gesehen hat: in lebendigen, strahlenden Farben, leuchtend wie bei Tageslicht und nicht schummrig-düster.
Möglich wird diese Jahrhunderte alte Anmutung durch mordernste Technik: Im Rahmen eines aufwendigen, vom Leuchtmittelhersteller Osram koordinierten und von der EU geförderten Projekts namens LED4Art wurden die bisherigen Leuchten durch LEDs ersetzt. An dem Projekt mitgewirkt haben Lichtplaner, Konservatoren, Energie- und Lichtmesstechniker.
UV-Strahlen mussten draußen bleiben
Die Unterschiede zu vorher sind enorm: Da das bisher verwendete Licht kurzwellige UV-Strahlen enthielt, waren die in den 1980-er Jahren installierten Halogen-Strahler außen an den Fenstern angebracht worden. Die wiederum waren mit halbtransparenten Kunststoffverkleidungen versehen, die diese für die historischen Fresken gefährlichen Strahlen herausfiltern sollten.
Das funktionierte auch einigermaßen, und für den Zustand der Malereien war diese Methode ein riesiger Fortschritt gegenüber der jahrhundertelang praktizierten Kerzen- und Fackelbeleuchtung. Auf der Strecke blieben dabei jedoch auch die Strahlkraft der Farben: Die Sixtinische Kapelle wirkte wie eine prächtige, aber leider auch finster-matte Kammer.
Das halbdunkle Licht – Fachleute sprechen bei dem kontrastarmen Zwielicht von mesopischer Beleuchtung – war jedoch wohl kaum von Michelangelo beabsichtigt gewesen. Kunsthistoriker nehmen an, dass er die Farben bei Tageslicht mit relativ niedriger Farbtemperatur mischte und auch verwendete und nicht bei Kerzenlicht oder gar im Halbdunkeln.
Experten bildeten ursprüngliche Farbwirkung nach
Mit der jetzt installierten Beleuchtung ist es den Osram-Ingenieuren gelungen, die wohl ursprüngliche Wirkung der Farben nachzubilden. Dafür nutzten sie speziell für die Beleuchtung von Kunstwerken entwickelte Leuchten, in denen rote, grüne, blaue sowie kalt- und warmweiße LEDs zum Einsatz kommen. Erstmals verwendet wurde diese Art von Leuchtmittel im Lenbachhaus in München, um wechselnde Ausstellungen schonend ins richtige Licht zu rücken.
Die fünf Farbkanäle lassen sich getrennt ansteuern, sodass die Farbtemperatur zwischen 3000 (warmes Licht) und 6000 Kelvin (kühles Licht) justiert werden kann. In der Sixtinischen Kapelle liegt die Farbtemperatur jetzt zwischen 3000 und 4000 Kelvin, was einem relativ neutralen Ton entspricht.
Die spektrale Feinjustierung stimmten die Beleuchtungsexperten exakt auf das Kunstwerk ab: Vor allem dem hohen Anteil an gesättigten Farben wollten sie durch die passenden Farbeindruck gerecht werden.
Feinjustierung nach objektiven Maßstäben
Dabei verließen sich die Verantwortlichen nicht auf ihr Augenmaß: Farbmetrikexperten der ebenfalls am Projekt beteiligten Pannonischen Universität in Ungarn untersuchten die Pigmentierung an 280 Stellen des Freskos – berührungslos. Dafür strahlten sie die Prüfpunkte mit geeichten Lichtquellen an und vermaßen das reflektierte Spektrum.
Diese sogenannte tatsächliche Farbantwort diente schließlich als Maßstab für die Feinjustierung der LED-Leuchten. Zusätzlich sorgt ein ausgefeilter Korrekturalgorithmus dafür, dass die unterschiedliche Farbwahrnehmung des menschlichen Auges bei verschiedenen Farbtemperaturen durch die spektrale Verteilung des LED-Lichts ausgeglichen wird.
Da das Licht nicht mehr durch einen Filter geschickt werden muss, kann die Beleuchtung jetzt richtig nah an das Kunstwerk heran. Die LED-Leuchten befinden sich nun auf einem schmalen Sims in zehn Metern Höhe. Je fünfmal vier Leuchten sorgen pro Seite für Licht – und zwar durch die entsprechende Ausrichtung der Reflektoren blendfrei und gleichmäßig.
Beleuchtung versteckt sich auf den Simsen
Damit die Besucher nur das Kunstwerk und nicht die Leuchten sehen, wurde die Konstruktion so schlank wie möglich gehalten. Einschließlich Kühlkörper sind sie nur noch 80 Zentimeter breit und 10 Zentimeter tief. Da der Sims ursprünglich nicht für die Befestigung der Beleuchtung gedacht war und extrem uneben ist, musste diese Schwierigkeit auch noch ausgeglichen werden: Eine Dreipunktlagerung sorgt für sicheren Stand bei exakter Ausrichtung.
Zu der weitestgehend originalnahen Beleuchtung für die täglichen Besichtigungen kommen außerdem eine Gala-Beleuchtung für besondere Anlässe und natürlich die Konklave, wenn ein neuer Papst gewählt wird. Dafür ersetzen jetzt zehn Dreiergruppen von Strahlern à 50 Watt die alte Beleuchtung. Normalerweise bleiben die Lampen verborgen. Nur bei Bedarf werden sie motorisch herausgefahren.
Die Stromrechnung wird auch noch deutlich niedriger
Von dem Projekt LED4Art, das als Pilotprojekt für ähnliche Herausforderungen gilt, profitiert nicht nur die Kunst. Auch die Haushaltskasse des Vatikans dürfte sich freuen. Trotz höherer Beleuchtungsleistung verbraucht das neue Licht nur noch einen Bruchteil der bisher benötigten Energie. Ist sowohl Gala- als auch Besucherbeleuchtung angeschaltet – zusammen immerhin rund 7000 einzelne LEDs –, kommt man auf gerade einmal 7,5 Kilowatt. Zuvor waren es 66 Kilowatt.
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