Elbphilharmonie: Unglaubliche Akustik und eine der größten Orgeln der Welt
Endspurt beim Bau der Elbphilharmonie in Hamburg: Während die Baukräne verschwunden sind, haben jetzt Akustiker und Orgelbauer das Zepter übernommen. Derzeit wird die Orgel mit 4765 Orgelpfeifen eingebaut. Die Akustik des Hauses soll Maßstäbe setzen. Beim Eröffnungskonzert wird sich zeigen, ob die Ingenieure halten, was sie berechnet haben.
Die Elbphilharmonie im Hamburger Hafen auf dem ehemaligen Kaispeicher A wird eine Kathedrale der Musik. Aufwendiger dürfte weltweit kaum an der Akustik eines Konzertsaales gefeilt worden sein. Neben der besonderen Geometrie der Konzerthalle, deren Zuschauerränge nach dem Vorbild eines Weinberges mit vielen Terrassen rund um das Orchester gebaut sind, und den verwendeten Materialien ist auch die Oberflächenstruktur, die so genannte „Weiße Haut“, einzigartig.
Eine Million muschelförmige Fräsungen und ein riesiger Trichter an der Decke
Die „Weiße Haut“ ist ein Individuum: Die rund 6000 m2 große Wand- und Deckenverkleidung besteht aus etwa 10.000 Gipsfaserplatten mit einem Gesamtgewicht von 226 t. „Von den rund 10.000 Platten aus Gips und Papier, die jeweils im Durchschnitt 70 kg wiegen, sieht keine aus wie die andere, und jede musste ihren Platz an der komplexen Unterkonstruktion finden, um sich zu dem beeindruckenden Ganzen zu fügen“, betont Beate Cornils, die als Projektleiterin vom Baukonzern Hochtief die Montage überwachte.
Es ist ein verwirrendes Vexierspiel aus Licht und Schatten, das die rund eine Million muschelförmig gefrästen Täler in den Platten mit einer variablen Frästiefe von 5 bis 90 mm im Auge des Betrachters hinterlassen. Natürlich ins Auge fällt der riesige Trichter in der Mitte des Konzertsaales, der von der Decke hängt und als Reflektor dient und die Musik perfekt im Raum verteilen soll.
Man darf wirklich gespannt sein, wie die Verbindung aus Trichter und der beeindruckenden Oberflächen wirkt. Immerhin versprechen die Ingenieure, dass die Akustik der Elbphilharmonie nicht nur eine der besten der Welt sein soll, sondern auch an jedem Platz ein unvergessliches Hörerlebnis bieten soll.
Diese spezielle Oberflächenstruktur der Wände und Decken hat das Schweizer Architekturbüro Herzog & de Meuron durch ausführliche Materialrecherchen in enger Abstimmung mit dem japanischen Akustiker Yasuhisa Toyota von Nagata Acoustics und Brandschutzexperten entwickelt.
Zuschauer sitzen auf den Terrassen eines Weinberges rund um das Orchester
Die bis zu 2100 Zuschauer sitzen nach der Eröffnung in zahlreichen Terrassen auf unterschiedlichen Ebenen wie in einem Weinberg. Das Orchester sitzt zwar zentral im Raum wie beispielsweise in der Kölner Philharmonie. Doch die Zuschauerränge kreisen nicht symmetrisch im Kreis um das Orchester. Die Terrassen ziehen sich mal in einem großen Bogen um das Orchester, dann gibt es kleine Terrassen, Vorsprünge, kleinere Balkone.
Und doch wird jeder Zuhörer maximal 30 m vom Dirigenten entfernt sitzen. 362 Federpakete wurden verbaut, um den Konzertsaal im Gebäude akustisch zu entkoppeln. Nichts darf die Ohren stören, wenn das Symphonieorchester aufspielt oder die mächtige Orgel zum finalen Crescendo anstimmt. Diese Orgel wird gerade eingebaut in die Kathedrale der Musik.
Von außen wirkt die Elbphilharmonie dagegen schon fertig, seit die Kräne verschwunden sind und sich die Fassade in der Elbe und der berühmten Speicherstadt spiegelt. Und fast vergessen scheint der Bauskandal um dieses phantastische Gebäude, an dem zehn Jahre gebaut wurde und das so viel teurer geworden ist als geplant.
Orgelbauer Philipp Klais hat einen reichen Erfahrungsschatz
Erschaffen hat das Kunstwerk aus 4765 Orgelpfeifen die 1882 gegründete Bonner Orgelmanufaktur Klais, das der 1967 in Bonn geborene Philipp Caspar Andreas Klais nun in vierter Generation führt. Es ist also ein reicher Erfahrungsschatz im Orgelbau vorhanden. Und das war wohl ausschlaggebend für den Zuschlag zum Bau dieser spektakulären Orgel durch die kleine Manufaktur mit 65 Mitarbeitern in der Bonner Kölnstraße, die zu einer der weltweit renommiertesten Orgelmanufakturen zählt.
„Das ist für einen Orgelbauer ein nicht zufällig ausgewählter Platz“, sagt Klais. Denn die Kölnstraße ist die Verlängerung der Bonngasse, in der Ludwig van Beethoven geboren wurde und seine ersten Lieder am Klavier spielte. Und um die Ecke in der Remigiuskirche saß der kleine Ludwig an der Orgel, um die Messen musikalisch zu begleiten. Ein Genius Loci für Orgelbauer.
Die Orgel im Großen Saal ist 14 Meter hoch
Die Elbphilharmonie-Orgel ist eine wahre Wucht: Sie besitzt 69 Register und wiegt rund 25 Tonnen. Sie ragt 14 m in vier in den Zuschauerraum integrierte Ebenen in die Höhe. Die Orgelpfeifen sind mal so klein, dass sie auf einen Fingernagel passen, und mal so groß, dass sie eine Hauswand überragen. Die größte Pfeife ist 10 m hoch und erzeugt einen Ton mit nur 16 Schwingungen pro Sekunde. Da die untere Hörschwelle bei ungefähr 20 Schwingungen liegt, kann man diese Töne mehr fühlen als hören, so Klais.
Die kleinste Pfeife ist gerade 11 mm lang und erzeugt einen Ton mit 15.600 Schwingungen pro Sekunde. Das liegt dicht an der oberen Hörgrenze. Das bedeutet: Diese Orgel erzeugt nicht nur ein unglaubliches Klangbild, sie lässt sich auch spüren und fühlen. Die Hamburger dürfen gespannt sein, wie sie klingt, wenn sie beim Eröffnungskonzert 11. Januar 2017 zum ersten Mal für die Öffentlichkeit gespielt wird.
Es gibt 4385 Pfeifen aus Zinn, einige stumme Schmuckpfeifen zur optischen Wirkung und 380 klingende Pfeifen aus Holz. Dabei nutzt Klais nicht irgendein Holz. Das Eichenholz ist etwa 200 Jahre alt und lagerte noch einmal mehrere Jahre in der noch aus dem Gründungsjahr stammenden Orgelfabrik in Bonn.
Das Holz für die Pfeifen wird im Winter und abnehmendem Mond geschlagen
„Die Holzlagerung ist entscheidend“, erklärt Klais. „Neben der Tradition, die wir respektieren, die Bäume im Winter zu fällen, müssen die Mondphasen, wichtiger noch die Mondstände, berücksichtigt werden, weil wir dann später weniger Probleme mit Schädlingsbefall haben, weil keine Säfte ins Holz steigen“, sagte Klais der Zeitung „Die Welt“.
Da die Orgel nicht an einem Platz steht, sondern die Pfeifen mitten unter den Zuschauern verteilt sind, hat Klais jede Pfeife mit einem Speziallack überzogen – damit man die Pfeifen anfassen kann. Deutlich aufwändiger war es, die mechanischen, hölzernen Verbindungen zwischen jeder Pfeife und dem Spieltisch der Orgel herzustellen. Auf 700 m addieren sich die Verbindungen. Auch eine Meisterleistung.
Eine besonders schwierige Aufgabe, die viel Erfahrung verlangt, war auch die Entscheidung zur richtigen Dimensionierung der Orgelpfeifen. Denn die Philharmonie ist ein riesiger Konzertsaal. Einfach lauter spielen, wie das ein Musiker kann, ist bei einer Orgel komplizierter. Und deshalb musste Klais vorher gut überlegen und rechnen, wie die Orgelpfeifen zum Raum passen.
Im Juni treffen die letzten Pfeifen in Hamburg ein
Und wie kommt die Orgel überhaupt nach Hamburg? Natürlich im Lkw. Der erste fuhr im Februar von Bonn nach Hamburg, im Juni werden die letzten Pfeifen den Weg in die Hansestadt antreten. Dann wird Klais aufatmen, wenn jede Pfeife an ihrem Platz steht, die Mechanik und die Windmaschinen ihren Dienst tun. Und Klais wird sicher aufgeregt sein, wenn er die ersten Töne auf der neuen Hamburger Orgel spielen.
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