5G in Deutschland: Neuer Maßstab für Industrie und Technik
Mit 5G – der 5. Mobilfunkgeneration – soll eine wahre industrielle Revolution ausgelöst werden. Die 5G-Lizenzvergabe ist für die Industrie geöffnet. BASF hat bereits ein firmeneigenes Netzwerk beantragt. Siemens und Qualcomm haben im Testcenter von Siemens in Nürnberg ein privates 5G-Standalone-Mobilfunknetz installiert.
Autonome Laster oder vernetzte Maschinen im Werk: 5G weckt viele Hoffnungen. Industrieunternehmen können seit dem 21. November 2019 ein firmeneigenes 5G-Netzwerk beantragen. Der Chemiekonzern BASF hat nicht lange gewartet und bereits eine Lizenz beantragt. BASF setzt nämlich schon auf autonome Prozesse. Transporter schieben Tonnen von Chemikalien über das Werksgelände. Sensoren und Kamerasignale an den Lastwagen machen es möglich. Ein 5G-Netz würde das alles noch beschleunigen. In Ludwigshafen verspricht sich das Unternehmen viel von der Digitalisierung. Ein eigenes 5G-Netzwerk soll es werden, das unabhängig von Netzbetreibern läuft. Des Weiteren sollen die Augmented-Reality-Brillen, die Mitarbeiter des Chemiekonzerns nutzen, dank des superschnellen Netzes noch besser miteinander verbunden werden.
Erstes privates Standalone-5G-Netz bei Siemens
Siemens und Qualcomm haben im Automotive Showroom und Testcenter von Siemens ein privates 5G-Netzwerk eingerichtet. Beide Konzerne wollen so die Tauglichkeit des Mobilfunknetzes überprüfen. Erste Kundenprojekte sollen bei einem Erfolgreichen Testlauf 2020 folgen. Siemens plant, eigene Fabriken mit der schnellen 5G-Mobilfunktechnik auszustatten. Gemeinsam mit dem Kooperationspartner Qualcomm ist die Installation im Testcenter in Nürnberg entstanden. „Wir wollen als Vorreiter in unseren eigenen Fabriken in Leuchtturmprojekten zeigen, was technologisch möglich ist“, erklärt Klaus Helmrich, Industrie-Vorstand. Im Testcenter kommen dabei das Frequenzband zwischen 3,7 und 3,8 Gigahertz zum Einsatz. Über die private Infrastruktur lassen sich beispielsweise fahrerlose Transportsysteme steuern, die vor allem in der Automobilindustrie eingesetzt werden sollen.
Warum ist 5G für die Industrie so interessant?
Mit 5G lassen sich riesige Datenmengen drahtlos übertragen. Der neue Mobilfunkstandard ist äußerst reaktionsschnell. Für die Industrie bedeutet das: Übertragungen nahezu in Echtzeit. Vor allem das autonome Fahren wird durch den Mobilfunkstandard gepusht. Die Automobilbranche wartet auch schon sehnsüchtig auf 5G, um Transportsysteme durch einen kabellosen Datenaustausch zu optimieren.
Status Quo der digitalen Mobilfunktechnologie
Mit Global System for Mobile Communications, kurz GSM, begann 1990 die Ära der digitalen Mobilfunktechnologie. Mit dem 2G-Standard konnten Nutzer zum ersten Mal über Funk telefonieren oder SMS sowie kleinere Datenpakete versenden. Mit UMTS, der Mobilfunkstandard der 3. Generation (3G), wurde im neuen Jahrtausend das Versenden von größeren Dateien und die Internetnutzung via Mobilgerät möglich. 4G, also LTE Advanced, bildet die Gegenwart ab, in der wir Filme und Musik problemlos streamen, riesige Dateien in Minutenschnelle verschicken und komplexe Technologien betreiben. Und trotzdem: Eine echte Revolution hat es zwischen 2G und 4G nicht gegeben. Vielmehr wurde die vorhandene Technologie weiterentwickelt und mit Zusatzfeatures ergänzt und ausgereizt.
Mehr als nur ein weiterer Mobilfunkstandard
Das soll sich mit 5G ändern. Die 5. Mobilfunkgeneration wird laut ihren Befürwortern die komplette Industrie in Deutschland verändern. Maschinen und Geräte, die nahtlos miteinander kommunizieren und interagieren, werden durch die 5G-Technologie ein neues Level an Konnektivität erreichen. Kritische Infrastrukturen werden ortsunabhängig miteinander kommunizieren, was wiederum ihre Sicherheit erhöht. Auch im privaten Alltag wird eine Revolution stattfinden. Der unbegrenzte Zugang zu Informationen – zu jeder Zeit und an jedem Ort. Autonome Fahrzeuge werden für mehr Verkehrssicherheit sorgen. Intelligente Gebäude vereinfachen unser Leben und automatisieren viele Alltagsaufgaben. Mit Geschwindigkeiten von bis zu 10 Gigabit pro Sekunde. Das ist zumindest die Vision. Natürlich muss dafür erst einmal die Infrastruktur geschaffen werden. Mit dem Beginn der Frequenzauktion der Bundesnetzagentur im März 2019 werden die ersten Grundsteine für den Aufbau des neuen Mobilfunkstandards gelegt. Dafür geben Netzbetreiber wie Telekom, Vodafone und Telefonica (02) dann auch mehrere Milliarden Euro aus. Die Frage ist: Was wird 5G in Deutschland wirklich bringen?
Warum 5G so wichtig ist
Die Bundesregierung sieht in 5G eine der Schlüsseltechnologien der digitalen Transformation. Der Mobilfunkstandard wird auch von zahlreichen Unternehmen und der Forschung als Basis für viele künftige Entwicklungen sowie die gesamte Industrie gesehen. Während beispielsweise die WLAN-Technologie in vielen Industriehallen schon jetzt an ihre Grenzen kommt, könnten durch 5G vermehrt autonome Fahrzeuge und Maschinen in der Industrie zum Einsatz kommen. Der Vorteil: Durch die Funkzellen können Signale zwischen den Maschinen viel besser und vor allem grenzenlos übertragen werden. Die WLAN-Technologie dagegen beschränkt diese Übertragung innerhalb eines WLAN-Netzes. Mit anderen Worten: Das autonome Transportfahrzeug in der Industriehalle müsste im WLAN-Netz ständig neu kalibriert werden, um weiterfahren zu können, während es im 5G-Netz ohne Unterbrechung seinen Dienst vollbringen könnte.
Hinzu kommt die deutlich höhere Übertragungsgeschwindigkeit, die mit 5G zumindest theoretisch möglich ist. Bis zu 10.000 Mbit pro Sekunde sollen dann auch Privatleute nutzen können. Zum Vergleich: Bisher werden im Mobilfunkbereich reale Durchschnittswerte im zweistelligen Bereich (ca. 20-30 Mbit/s) gemessen. Auch, wenn Netzbetreiber höhere Werte versprechen.
Für die Industrie würden diese Geschwindigkeitswerte einen enormen Anschub bedeuten. Sowohl im Bereich der künstlichen Intelligenz als auch im Hinblick auf die vollautomatisierte Industrie 4.0, wo Roboter und Maschinen täglich mit Milliarden Daten gefüttert werden müssen. Außerdem soll die Latenzzeit mit 5G deutlich kürzer werden. Die Latenzzeit ist die Reaktionszeit des Mobilfunknetzes. Eine Latenzzeit im Millisekunden-Bereich kann die Umsetzung von Sicherheitssystemen – zum Beispiel beim autonomen Fahren – vereinfachen.
Vor allem in der Industrie erwarten sich Big Player und Politiker große Technologiesprünge, wenn die 5G-Infrastruktur einmal steht.
Wann kommt der 5G-Standard?
Spoiler Alarm: Ganz genau kann bisher niemand sagen, wann die 5G-Technologie zum Einsatz kommt. Zwar haben die großen Netzbetreiber bereits innerhalb von eigenen Testnetzen erste Pilotprojekte gestartet, doch der Aufbau einer flächendeckenden 5G-Infrastruktur soll erst in diesem Jahr starten. Hierfür hat die Bundesnetzagentur im März auch einige Frequenzen für hohe Millionenbeträge versteigert. Telekom, Telefonica, Vodafone und neuerdings auch 1&1 haben sich die großen Frequenzbereiche schon gesichert – insgesamt für mehr als 5 Milliarden Euro. Das 5G-Thema wird von den Betreibern also ernst genommen. Auch einzelne Unternehmen können bei der Versteigerung der Bundesnetzagentur noch mitwirken und eigene Frequenzen erwerben. Besonders für Unternehmen auf dem Land, wo die Netzabdeckung eher schlecht bis nicht vorhanden ist, könnte es eine gute Möglichkeit für ein unabhängiges Mobilfunknetz sein.
Da der 5G-Ausbau jedoch mit viel Aufwand und enormen Kosten verbunden ist, sollten Verbraucher noch etwas Geduld mitbringen. Die ersten Mobilfunkverträge im privaten Bereich werden wohl kaum vor 2020 im Angebot von Telekom & Co. sein. Zudem sollte man realistisch bleiben, wenn es um die Netzabdeckung geht. Auch bei 3G und LTE wurde vieles versprochen und im Alltag begegnen wir Funklöchern ähnlich häufig wie roten Ampeln. Ob die Netzbetreiber dieses Mal die gesamte Fläche als Ziel bei der Netzversorgung sehen oder wieder nur einzelne Haushalte, bleibt ebenfalls abzuwarten. Die bisherige Ausbaustrategie ist zumindest nicht so recht aufgegangen, vergleicht man Deutschland mit fortschrittlicheren Mobilfunkländern wie Südkorea. Dort orientieren sich die Netzbetreiber beim Mobilfunkausbau an der Fläche und nicht an den einzelnen Haushalten – so können effektiv mehr Nutzer vom schnellen Internet profitieren.
Gefährdet der neue Mobilfunkstandard die Gesundheit?
Die Angst vor der Strahlung durch Sendemasten ist so alt wie der Mobilfunk selbst. In Bezug auf 5G entstehen momentan neue Ängste, dass die Erschließung höherer Frequenzbereiche auch mit neuen Strahlungsgefahren einhergeht. Im Interview mit der WAZ (Westdeutsche Allgemeine Zeitung) erklärt jedoch die derzeitige Präsidentin des Bundesamtes für Strahlenschutz, Inge Paulini, dass die ersten 5G-Netze in Frequenzen starten, die schon seit Jahren für den Mobilfunk genutzt werden. Die Auswirkungen in diesen Bereichen sind bekannt und es gäbe laut Paulini keine gesundheitlichen Auswirkungen. Auch zukünftig, wenn höhere Frequenzen für 5G genutzt werden sollen, sieht Inge Paulini kein Problem für die Gesundheit von Menschen und stützt sich dabei auf Studien, die keine Hinweise auf negative Auswirkungen zeigen. Vielmehr sei die Handystrahlung ein Problem, die beim Telefonieren sehr nah am Körper wirkt und damit tiefer als nur in die obere Hautschicht eindringen kann. Zusammengefasst: Die Mobilfunkmasten stellen keine Gesundheitsgefahr dar, beim Telefonieren mit dem Handy sollte man jedoch besser das Headset verwenden.
Autonomes Fahren mit 5G oder WLAN
Aktuell streiten sich zudem Autohersteller und Netzbetreiber, ob das selbstfahrende Auto künftig via 5G oder doch in einem WLAN-Netzwerk fahren soll. Geht es nach dem EU-Parlament, steht die Entscheidung bereits fest. Eine entsprechende EU-Kommission hat kürzlich eine Abstimmung im Parlament eingeleitet. So wurde vorgeschlagen, die WLAN-Technologie ITS-G5 für die Funkanbindung in autonomen Fahrzeugen zu nutzen. Auch VW, Toyota und Renault sprechen sich für die WLAN-Technologie aus. Der Grund: Der drahtlose Standard wird schon bald verfügbar sein.
BMW, Daimler und Telekom setzen dagegen auf die 5G-Technologie, da der Mobilfunkstandard langfristig gesehen sinnvoller und auch leistungsfähiger sein soll. Und tatsächlich sehen auch viele Experten aus der Forschung und Technik 5G als klaren Favoriten – nicht nur für Industrie, sondern auch für fortschrittliche Technologien wie das autonome Fahren. Auch deswegen haben die drei Unternehmen einen Brandbrief an Bundesverkehrsminister Scheuer geschickt, in dem sie ein Veto gegen den Rechtsakt der EU-Kommission fordern. Es bleibt zweifelhaft, ob sich WLAN dauerhaft als Standard-Technologie durchsetzen kann.
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