Agenten von NSA und GCHQ in World of Warcraft und Second Life
Britische und amerikanische Geheimdienste haben offenbar auch Online-Rollenspiele überwacht. Die Agenten waren mit eigenen Charakteren in „Second Life“ und „World of Warcraft“ aktiv.
Wer mit anderen Spielern im Chat von World of Warcraft (WoW) plaudert, könnte einen Raid in einem Dungeon planen – aber genauso gut auch einen Terrorangriff in der echten Welt. Das sollen jedenfalls die Befürchtungen von NSA und GCHQ gewesen sein, weswegen sie und weitere Geheimdienste insbesondere in den Jahren 2007 bis 2009 auch das Online-Spiel WoW von Blizzard und weitere Spiele und Plattformen infiltriert haben sollen, darunter Second Life, Xbox Live.
World of Warcraft ist ein sogenanntes „Massive Multiplayer Online Role-Playing Game“ (MMORPG), in dem Millionen Nutzer über das Internet in Avatare des Spiels schlüpfen und ihre Zeit „In Game“ verbringen.
Über die Geheimdienstaktivitäten im Spielebereich berichtet die Zeitung The Guardian gemeinsam mit The New York Times und Pro Publica, die dazu von Whistleblower Edward Snowden bereitgestellte Dokumente ausgewertet haben.
Agenten wollten auch Informanten anwerben
Offenbar haben sich Agenten von NSA und GCHQ inkognito bei World of Warcraft und den anderen betroffenen Diensten angemeldet, um so Hinweise auf konspirative Gruppen, Chat-Nachrichten oder andere Aktivitäten von potenziellen Terroristen zu bekommen. Der Verdacht war, dass Zielpersonen die relative Anonymität und die schiere Masse der MMORPGs und Plattformen nutzen, um ungestört kommunizieren zu können.
Außerdem sei es in den Online-Welten vergleichsweise einfach gewesen, Wissenschaftler und Ingenieure überall auf der Welt zu kontaktieren, um sie eventuell als Informanten anzuwerben.
In einer Notiz aus dem Jahr 2007 wird gesagt, man könne den Datenverkehr von Online-Spielen bei der Überwachung identifizieren. Für Microsofts Xbox Live und Blizzards „World of Warcraft“ habe der britische Geheimdienst erfolgreich Angriffstechniken entwickelt. So soll es dem Dienst möglich gewesen sein, sich sogar in die Kommunikation zwischen zwei Spielern einzuklinken und mitzulauschen.
Verhalten von Ausländern im Visier
Wie die New York Times berichtet, soll der technische Leiter von Second Life, das von der Firma Linden Labs betrieben wird, 2007 sogar persönlich bei der NSA vorbeigeschaut haben. Das Online-Spiel eröffne völlig neue Möglichkeiten, hieß es demnach in einer Ankündigung, man könne das Verhalten vieler Ausländer beobachten, ohne dazu die USA verlassen zu müssen.
Der britische Geheimdienst soll schon 2009 in der Lage gewesen sein, Chats, Nachrichten und Transaktionen aus Second Life zu kopieren. Die Daten von drei Tagen seien testweise erfasst worden, schreibt die New York Times, es waren 176.677 Zeilen.
In einem ausführlichen Bericht mit dem Titel „Games: A Look at Emerging Trends, Uses, Threats and Opportunities in Influence Activities“ widmete sich das Unternehmen SAIC der Spieleindustrie. Die Autoren stellen in dem Papier Überlegungen an, wie Terroristen solche Spiele zur Kommunikation und Vorbereitung von Anschlägen benutzen könnten – und geben Empfehlungen, wie Geheimdienste selbst Spiele entwickeln könnten.
Das Special Operations Command habe schon 2006 und 2007 mit diversen internationalen Unternehmen zusammengearbeitet, um auch selbst Spiele herzustellen, die dazu dienen sollten, Informationen über deren Nutzer zu sammeln, berichtet die New York Times.
Zu viele Spione online
Offenbar war das Interesse der Geheimdienste insbesondere an Linden Labs‘ Online-Welt Second Life zeitweise sehr groß. Außerdem hätten sich die Geheimdienste Zugang zum Netzwerk der Microsoft-Spielekonsole Xbox verschafft, das weltweit fast 50 Millionen Nutzer hat.
In der Online-Welt waren zu diesem Zeitpunkt so viele Agenten von CIA, FBI und dem Pentagon unterwegs, dass sogar eine eigene Gruppe zur Koordination dieser Aktivitäten aufgebaut werden musste. Die sollte verhindern, dass sich die spielenden Spione versehentlich gegenseitig beschnüffelten, überwachten und Anwerbeversuche machten.
Betreiber wissen von nichts…
Auf Nachfrage von Pro Publica hat ein Sprecher von Blizzard gesagt, dass man keinerlei Hinweise auf eine geheimdienstliche Überwachung von Spielern etwa in World of Warcraft habe. Microsoft als Betreiber von Xbox Live und Linden Labs, die Betreiber von Second Life, wollten sich nicht zu dem Thema äußern.
Natürlich haben die Geheimdienste selbst es auch abgelehnt, die Berichte zu bestätigen oder zu dementieren.
Sonderlich erfolgreich sollen die Aktivitäten der Geheimdienste in den Spielerkreise nicht gewesen sein. Pro Publica zitiert einen Experten, der darauf hinweist, dass es „für Terrorgruppen deutlich effektivere und einfachere Möglichkeiten der Kommunikation gebe als die, sich als Troll auszugeben“ – unter anderem deswegen, weil die Betreiber der Games die Aktivitäten der Spieler von sich aus recht streng überwachen und aufzeichnen würden.
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