Big Data deckt auf: Jedes zweite Fußballtor ist Zufall
Beim Fußball geht es um Talent, hartes Training, Teamgeist und vielleicht noch um Psychologie? Das ist sicherlich alles richtig, aber ein Faktor fehlt – der Zufall. Den haben Kölner Forscher mit einer Big-Data-Analyse genauer und die Lupe genommen und festgestellt: Er spielt kräftig mit.
Noch zwei Tage, dann startet die Europameisterschaft, und schon jetzt nehmen die Diskussionen kein Ende: Ist Joachim Löw noch der richtige Bundestrainer? Hat er wirklich die besten Spieler für den Kader ausgewählt? Mit was für einer Mannschaftsaufstellung wird er starten? Hat die deutsche Nationalelf nach der schwachen Qualifikation überhaupt eine Chance? Spätestens nach dem ersten Spiel am nächsten Dienstag werden alle Fußballfans zu Experten, analysieren das Spiel, loben, schimpfen – aber vermutlich wird keiner von ihnen sagen, das sei doch alles nur Zufall. Tatsächlich spielt der wohl eine größere Rolle als Sportbegeisterten lieb ist. Das haben Wissenschaftler der Deutschen Sporthochschule in Köln mit einer Big-Data-Analyse herausgefunden.
Big Data: Auffällige Ergebnisse beim Fußball
Aber es kann doch nicht alles nur Zufall sein? Ist tatsächlich der Fußballgott verantwortlich dafür, dass der FC Bayern München gerade zum neunten Mal in Folge Deutscher Meister geworden ist? Ganz so einfach ist es natürlich nicht. Die bekannten Leistungsfaktoren müssen schon stimmen. Doch es kommt auch immer wieder zu Überraschungen, die sich schwer erklären lassen, etwa der EM-Titel für Griechenland im Jahr 2004. Auch im Kampf um den DFB-Pokal passiert es immer wieder, dass Mannschaften aus der zweiten oder dritten Liga die großen Favoriten rausschmeißen.
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Dass der Zufall im Grunde genommen als zusätzlicher Spieler auf dem Platz steht, ist den Fans nur zu gut bekannt. Da wird ein Schuss abgefälscht, weil der gegnerische Verteidiger doch noch die Fußspitze dazwischen bekam, oder der Ball prallt am Torpfosten ab und dem Stürmer direkt vor die Füße. Allerdings beachtet kaum einer die Tragweite dieser Aktionen. Das wollten die Kölner Forscher ändern. Deswegen haben sie Big Data gesammelt.
Welche Variablen sorgen für zufällige Tore?
Daniel Memmert, Leiter des Instituts für Trainingswissenschaft und Sportinformatik der Deutschen Sporthochschule in Köln, hat zusammen mit seinem Team 7.263 Tore der englischen Premier League analysiert und die damit nach eigenen Angaben größte Big-Data-Studie zum Faktor Zufall im Profifußball durchgeführt.
Die Wissenschaftler haben sich zunächst angeschaut, welche Einflüsse wichtig sind, damit es zu einem Tor kommt und an welchen Stellen der Zufall gegebenenfalls eine Rolle spielt. Dafür griffen sie auch auf eine frühere Studie zurück, für die sie bereits einige wichtige Punkte zusammengetragen hatten, etwa sogenannte Abstaubertore, abgefälschte Schüsse oder Tore, die aufgrund eines Fehlers in der Abwehr entstehen, zum Beispiel ein Eigentor durch einen abgeprallten Ball. Weitere Variablen nahmen sie ins Spiel, wie den Spielort, die Situation im Spiel, die Anzahl der bereits geschossenen Tore zum untersuchten Moment und die Teamstärke. Waren also alle Spieler auf dem Platz oder hatte ihn jemand nach einer Roten Karte verlassen müssen oder war aufgrund einer Verletzung vorübergehend nicht einsatzbereit?
Laut Big Data nimmt der Faktor Zufall beim Fußball ab
Vielleicht ist es gar nicht so überraschend, dass die Forscher bei der Auswertung der Big Data bei nahezu jedem zweiten Tor Einflüsse fanden, die mit Zufall zu tun hatten. Insgesamt war das bei 46% der Tore der Fall. Unter anderem hat es wohl mit der Spielsituation zu tun – bei einer Ecke passieren Zufälle häufiger als bei einem gezielten Angriff. Fußballkenner werden sich auch nicht darüber wundern, dass schwächere Mannschaften – wenn sie denn Tore schießen – stärker vom Zufall profitieren als die Favoriten. Sehr interessant ist es aber zum Beispiel, dass der Zufall besonders häufig zu Toren führte, wenn der Spielstand ausgeglichen war. Anders gesagt: Sind beide Mannschaften etwa gleich gut, hängt es oft schlicht und einfach vom Glück ab, wer gewinnt.
„Die Ergebnisse unterstreichen die wesentliche Rolle des Zufalls, da fast jedes zweite Tor durch glückliche Umstände begünstigt wurde“, sagt Fabian Wunderlich, Erstautor der Big-Data-Studie. „Interessant ist auch, dass der Anteil an Zufallstoren über die sieben untersuchten Spielzeiten von 50% auf 44% gesunken ist. Dies könnte damit zusammenhängen, dass in der Spielvorbereitung immer professioneller und datenbasierter vorgegangen wird oder die Spieler technisch und taktisch immer besser ausgebildet sind.“
Zusätzliche Trainingsmethoden wären ratsam
Memmert empfiehlt Trainern, „unkontrollierbare Situationen bewusst zu erzeugen, um Zufallseinflüsse im Torerzielungsprozess zu provozieren.“ Ob sie diesem Rat folgen, bleibt fraglich, aber vielleicht ist die Big-Data-Studie zumindest ein kleiner Trost für manch einen Fan. Denn das Glück ist nicht immer mit dem Tüchtigen.
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